Trauerarbeit für Fritz und Franz

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Heute ist - mit behördlicher Erlaubnis - Trauerarbeit zu leisten.Da meine familären Bindungen höchst dezimiert sind und ich ohnehin an meine Mutter und einige liebe Menschen ohne Anlass und oft denke, wollte ich das ausfallen lassen. Jedenfalls dachte ich das so auf meinem Weg durch die Prenzlauer Promenade zur Binzstraße. Dort wollte ich nachsehen, welches Haus die Nr. 21 ist.

Trauern, Schwarz sehen, Tierbestattungen - so in dieser Reihenfolge tauchten in mir und von außen Assoziationsangebote auf.

"Tierbestattungen" - ein kleiner Laden in der Prenzlauer - genau ich werde über meine beiden Katzen Fritz und Franz Trauerarbeit leisten. Beide waren schwarz-weiße normale Hauskater und teilten einst mit uns das Leben. Sie waren "Brüderchen" aus einem Wurf aber grundverschieden oder sagen wir, auf grundverschiedene Weise vom Eigensinn beseelt. Der nur einige Minuten ältere Franz war der Chef, während das jüngere, komplizierte Fritzchen seinen neurotischen Hang zu Minderwertigkeitskomplexen ständig laut miauend artikulierte. Ansonsten liebten sie uns beide, machten aber viel Arbeit, Theater und Brimborium.

Es gab zu DDR-Zeiten kein bequemes Dosenfutter, Sägespäne bekamen wir allerdings vom hausinternen Tischler. Wir kauften für die verwöhnten Tiere Rindfleisch und - Sünde, Sünde - Kindernahrung in Gläschen, die es sehr preisgünstig gab. Die Tiere gediehen gut. Nur einmal wollten wir uns von Fritzchen trennen, weil wir bei dem Gemaule annahmen, dass der vielleicht in der Natur besser aufgehoben ist.

Denkste: Nach einer Woche brachte man uns das beleidigte Tier wieder. Er hatte durchgejault und auf die Wäsche gepinkelt. Eine Weile "sprach" er nicht mit uns, dann war er wieder wie sonst, mäßig missmutig, aber doch hin und wieder geneigt, auf den Schoß zu springen und Streicheleinheiten einzufordern. Ansonsten tollte er wie früher mit Franz durch die Wohnung, biss und kratzte sich oder lag eng umschlungen mit ihm irgendwo herum. Das war dann das Idyll, das man normalerweise mit Katzen verbindet.

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Franz und das missmutige Fritzchen

Nach einigen Jahren stellten sich bei mir - nach einer Erkältung - Symptome ein, die mich ängstigten. Ich kriegte keine Luft, ich rang darum, aber sie fand den Weg nicht in meine Lungen. Das Atmen wurde mir unangenehm bewusst. Ich ging zur Ärztin und die fragte nach den Katzen. Sie schickte mich zum Allergologen, der mir grundsätzlich erst einmal riet, das Rauchen zu lassen, wenn es mir besser gehen soll. Ein pädagogisch richtiger, aber nicht zielführender Vorschlag. Immerhin: Seitdem rauche ich nicht mehr. Der Pricktest ergab eine Tierhaarallergie.

Die Asthmaanfälle wurden bedrohlicher trotz Tabletten und Inhalator. Es musste Abschied genommen werden. Ich brachte die beiden schwarz-weißen Tiere in ein kleines Tierheim bei Bernau, Rotz und Wasser heulend. Ein Freund fuhr mich, mein Mann war nicht in der Lage.

Noch lange Zeit bin ich da immer mal mit dem alten Honda hingefahren, nachgucken. Lange war ich richtig in Trauer, man kann sich nicht vorstellen, wie man an den Tieren hängt. Irgendwann wurden sie in treue Hände übergeben.

Dies alles bedachte ich, als ich in der Straßenbahn zurück nach Heinersdorf fuhr. Als ich in Pankow aus der Bahn guckte, sah ich am Straßenrand eine merkwürdige Szene. Zwei Mädchen, beide mit rabenschwarzem Haar, beide in weißen Jazzpants über den völlig zerrissenen Strumpfhosen und mit kurzen schwarzen Oberteilen bekleidet, viel zu leicht angezogen für die Witterung, stritten, spektakelten und schlugen sich dort herum.

Beide stoned oder von was anderem "voll". Die eine lachte laut und hatte ihre Hände in das Oberteil der anderen verkrallt, die versuchte, von ihr wegzukommen und in Richtung Straßenbahn zerrte, was ihr aber nicht gelang.

Eine bizarre, verrückte Szene, aber die schwarz-weißen Klamotten und das Herumgetobe erinnerten mich an Fritz und Franz. Die Bahn fuhr weiter und ich musste vor mich hin lachen. Trauerarbeit beendet.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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