Wo ist Otto Normalverbrecher?

Nationalkriminalität Es ist so schade, dass das gute alte Handwerk immer mehr ausdörrt oder gar ausstirbt. Das gilt nicht nur für die soliden und wertvollen Zweige ..

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... sondern auch für jene, die einer gewissen speziellen, kriminellen Energie bedürfen.

Mir geht das schon geraume Zeit durch den Sinn – verstärkt aber seit dem Tag, an dem ich auf der Straße des 17. Juni drei Bengels mit einer Liste aufhielten, die ich ansehen oder unterschreiben sollte und … dabei versuchten, mich zu beklauen. Im Hintergrund sah ich den Lehrmeister der drei Nachwuchsstrolche. Ich hatte Glück, ich bemerkte die Manipulation an meiner Tasche und als ich die – noch dilettantischen – Fummeleien unterband, fingen sie an, herumzualbern. Der Lehrmeister blickte mich spöttisch an und grinste als wollte er sagen: „Vielleicht beim nächsten Mal.“ Und der sah überhaupt nicht ethnodeutsch aus.

Es sieht so aus, als kämen kriminelle Banden immer nur aus dem Ausland. Es scheint da von kriminellen Subjekten zu wimmeln. Wenn es um solche kriminellen Umtriebe geht, reicht heutzutage der allgemeine Hinweis auf Osteuropa oder den Balkan oder noch weiter südlich Nordafrika.

In Deutschland scheint es weniger zu wimmeln. Hier gibt’s meistens Einzeltäter. Die „Ausländer“ nehmen ihnen die Arbeit weg oder wie ist das zu verstehen.

Wo ist eigentlich Max der Taschendieb geblieben? Das war so ein treuherziger guter Mensch, der – nur aus Not – geklaut hat. Der hatte das Herz auf dem rechten Fleck, was immer das heißen mag, denn eigentlich schlägt das Herz ja links. Er beklaute nur solche, die das verdienen, weil sie zu viel verdienen. Da wurde noch der Mensch im Dieb sichtbar.

Der hätte doch überhaupt keine Chancen mehr heute.

Und was würde heute aus dem Helden von Stefan Zweigs wunderbarer Novelle Unvermutete Bekanntschaft mit einem Handwerk – einemTaschendieb, der fast künstlerisch vorgeht und dabei mit großer Empathie von einem eleganten Flaneur beobachtet wird. Das waren noch Zeiten. Achja. Sowas kann man heute nicht mehr schreiben.

Es erhebt sich die besorgniserregende Frage: „Wo ist Otto Normalverbrecher?

Hier vielleicht?

Auf dem U-Bahnhof Alexanderplatz wurde ein dreizehn Jahre alter Schüler festgenommen, als er gerade im Begriff war, einer Frau die Gelbörse aus der Einholtasche zu ziehen. Die näheren Ermittlungen der Berliner Kriminalpolizei hatten ein erstaunliches Ergebnis. Der Dreizehnjährige wurde als der Anführer einer Bande von jugendlichen Taschendieben ermittelt, deren jüngster 13 und deren ältester 20 Jahre alt ist. Acht dieser jungendlichen Diebe wurden inzwischen festgenommen.

Achja, dieser Nachwuchs ist heute schon im Greisenalter – die Meldung stammt von 1947

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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