Glück und Pech

Berlinale-Tagebuch Sich davon schlafen ist auch keine Lösung, ein Exkurs über das, was Serien Schauspielern antun können, Disco!

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Studio-54-Gedenkmänner
Studio-54-Gedenkmänner

I'm just a girl! Dies hier ist ein Nutzerinnenbeitrag.

Kuckuck! Nachdem ich letzten Dienstag zwei wunderbare Filme sah, aber erst so spät zu Hause war, dass ich darüber nicht mehr angemessen schreiben konnte, folgten Tage, in denen ich fast ausschließlich Filme anschaute, die richtig schlechte Laune bei mir hervorriefen. Darunter leider auch die japanischen. (Mit Ausnahme von Nuclear Nation II)

Meist gewann zum Glück mein erschöpfter Körper und ich verschlief das Schlimmste. Nachdem ich irgendwann aber mit Kreislaufproblemen und Migräne aus dem Kino torkelte, hatte ich keine Lust mehr, mich auf die sonst so geliebte Dunkelheit, die Filme und ihre Geschichten einzulassen.

Nun lag das meist gewiss nicht an der Berlinale ansich, sondern auch an mir, weil ich zielsicher die – für mich –schlimmsten Filme ausgewählt hatte. Ich war gutgläubig hereingefallen auf die interessanten Synopsen, die aber eben in erster Linie Marketing-Instrumente sind.

Nicht immer war ich mit meiner Abneigung alleine. Als ich zum Beispiel mitten im Wettbewerbsbeitrag Yi bu zhi yao wieder aus dem Flucht-Schlaf erwachte und den sehnsuchtsvollen Gedanken, das Kino zu verlassen, aus Rücksicht verwarf, weil ich einen Platz in der Mitte der Sitzreihe hatte, stellte ich beim müden Blick nach rechts fest, dass da fast niemand mehr saß. (Tatsächlich war bereits ein Drittel der Zuschauer_innen gegangen.)

Zu den Preisen kann ich wenig sagen, denn ich habe fast keinen der Filme gesehen. Ob die Entscheidung für Taxi vom iranischen Regisseur Jafar Panahi hauptsächlich politisch motiviert war – ich habe keine Ahnung.

Allerdings müsste ICH nun eigentlich einen Schuh essen, weil ich es für unmöglich hielt, dass der Film Body der Regisseurin Małgorzata Szumowska einen Preis erhalten könnte – und dann wurde ihm der Silberne Bär für die beste Regie verliehen. Body hatte durchaus Potenzial und ich rechne es der Regisseurin hoch an, dass es ihr gelungen ist, Ess-Störungen in einer Komödie zu thematisieren, ohne sich darüber lustig zu machen. Aber der Film zog sich wie Kaugummi, die guten Momente genügten (mir) überhaupt nicht.

Dass Sturla Brandth Grøvlen für die Kamera in Victoria den Silbernen Bären für Herausragende Künstlerische Leistung erhielt, hat mich hingegen sehr gefreut.

Charlotte Rampling, die wie ihr Kollege Tom Courteny einen Silbernen Bären erhielt, ging mir zuletzt bei der Serie Dexter zu sehr auf die Nerven, dass ich wenig Lust auf den Film 45 Years hatte.

Ich liebe es, Serien zu schauen (zuletzt The Killing), weil man sich darin so unglaublich verlieren kann. Und so toll es einerseits ist, dass gute Schauspieler, die vorher nur in Filmen auftraten, nun auch Rollen in Serien übernehmen, weil diese so gut produziert sind (und viel Ruhm und Geld eingebringen), birgt dies auch die Gefahr, dass man sie danach so schnell nicht mehr sehen möchte, zum Beispiel weil ihre Figuren nervten. Bei Filmen lässt man sich in der Regel nicht länger als drei Stunden auf die Handlung und die Personen ein. Bei Serien ist das anders. Da ist man entweder wochenlang emotional an die Serie gebunden – oder über viele Stunden beziehungsweise Tage hinweg, geballt und sehr intensiv, wenn man eine oder gar mehrere Staffeln am Stück schaut. Welche Ausmaße das haben kann, zeigt zum Beispiel jener Hass, welcher der Schauspielerin Anna Gunn entgegenschlug, weil sie in Breaking Bad die (offenbar unbeliebte – ich habe die Serie nicht geschaut) Ehefrau des Serien-Helden Walter White spielte. Aus - selbstverständlich nicht solch extremen - Befindlichkeiten heraus habe ich nun also 45 Years nicht gesehen und bin immer noch nicht motiviert, dafür ins Kino zu gehen.

Noch einmal ansehen würde ich mir hingegen sofort Flocken von Beata Gårdeler - der erste von den beiden wundervollen Filmen, die ich am Dienstag sah. Das zentrale Thema von Flocken ist sexueller Missbrauch und wie im Anschluss danach nicht der Täter, sondern das Opfer - ein junges Mädchen - gemobbt wird. Als ich die Chatnachrichten voller Hass sah, die im Film über das Bild gelegt wurden, traf es mich sehr, denn viele meiner Freundinnen erhalten jeden Tag auf Twitter ähnliche Drohungen, weil sie feministsch aktiv sind. Und ich fühlte mich an den Fall im US-merikanischen Steubenville erinnert. Dort wurde ein Mädchen vergewaltigt - und doch hatten die meisten Bewohner des Ortes und sogar einige Medienmenschen Mitleid mit den Tätern, weil sie angeblich zu hart verurteilt worden waren.
Eine sehr treffende Rezension zu Flocken schrieb Rochus Wolf.

Bereits noch einmal angesehen habe ich mir anschließend den Film Studio 54 - allerdings im neuen Director’s Cut. Regisseur Mark Christopher erzählte, dass dem Film 40 Minuten 'neues' Material hinzugefügt wurde (man erkannte es zum Teil an der schlechten Bildqualität), und tatsächlich war auch das Ende völlig anders als bei der urpsprünglichen Fassung.

Dem Film wurde seinerzeit nicht durchweg positiv wahrgenommen. Vor allem Hauptdarsteller Ryan Phillippe erhielt keine guten Kritiken. Ich mochte Studio 54 jedoch damals schon - und mag ihn jetzt noch mehr. Weil er düsterer und bisexueller ist - laut Christopher waren die USA Ende der neunziger Jahre noch nicht so weit – und der inhaltliche Schwerpunkt nicht mehr ausschließlich auf dem Spaß liegt, den die Menschen damals in jenem berühmten New Yorker Club hatten. Zusätzlich steht auch eine Freundschaft zwischen drei Menschen im Vordergrund.

Meine Zuneigung für diesen Film mag darüber hinaus auch daher rühren, dass ich damals an Wochenenden selbst in Clubs gearbeitet habe, vor denen Menschen Schlange standen. Ich weiß, wie einfach und verführerisch es sein kann, sich in solch eine hedonistische Welt zu flüchten und wie wenig diese Arbeit manchmal trotz Anstrengung wie Arbeit erscheint.

Als nach dem Film ein Mann im Publikum aufstand und sagte, er sei rein zufällig heute hier gelandet und fragte, ob es zum Film denn auch einen Soundtrack gebe, lachte der halbe Saal. Ich habe seinerzeit auch in einem Patten-Laden gearbeitet und dort lief die Musik aus dem Film häufig - vor allem an Samstagen.

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Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank

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