Ich habe es satt

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Wie es dazu kam, dass ich vor mehr als einem halben Jahr beschloss, kein Fleisch mehr zu essen, ist ein derzeit recht gängiges Klischee: Ich habe Jonathan Safran Foers Buch Tiere essen gelesen.

Im Herbst hatte ich in Form einer Neuland-Currywurst einen Rückfall, der mir zeigte: Es gibt nichts zu vermissen. Außerdem habe ich während einer Canada-Reise bei einem großen Lobster-Dinner, zu dem ich geladen war, Muscheln und zum ersten Mal in meinem Leben einen Hummer gegessen. Ausgerechnet.

Tatsächlich habe ich aber in den vergangenen Monaten nicht ein Mal an meiner Entscheidung gezweifelt. Jonathan Foer hat bei mir die schwerwiegendste, aber seltsamerweise zugleich am einfachsten vollzogene Veränderung in 2010 bewirkt.

Vor acht Wochen aß ich zum letzten Mal ein Ei und dabei soll es nun auch bleiben. Seit kurzem stehen in meinem Kühlschrank Soja-Joghurts, Hafer-Milch und diverse Zwergenstreiche. Dies ist also mein Vorsatz: noch weniger Tierprodukte zu mir nehmen. Ich mache mir nichts vor: Veganerin werde ich keine. Aber darum geht es auch gar nicht. Es geht nicht darum, einer Kategorie anzugehören, sondern für sich herauszufinden, was tatsächlich machbar ist. Und das ist dann doch etwas Brauchbares, das ich wiederum Karen Duves Buch Anständig essen entnehmen konnte, über das ich hier geschrieben habe.

Gestern nun haben Jonathan Foer und Karen Duve gemeinsam im Berliner Fritzclub gelesen. So viele wollten daran teilhaben, dass man im zweiten Veranstaltungsraum eine Art Public Viewing eingerichtet hatte und so ein paar Menschen mehr dem Ganzen wenigstens per Übertragung folgen konnten.
Der geübte Lesungsgänger mag nun verwundert äußern, dass es doch ein wenig komisch sei, sich Sachbücher vortragen zu lassen und tatsächlich war auch mir nicht ganz klar, ob solch eine Veranstaltung überhaupt ansprechend würde sein können.

Gelesen wurde dann auch gar nicht so viel. Sowohl Foer als auch Duve trugen zwei kurze Ausschnitte aus ihren Büchern vor – die restliche Zeit beantworteten sie Fragen der Moderatorin Shelly Kupferberg und berichteten von ihren Erfahrungen und erzählten Dinge aus ihren Leben.

Es trat ein ähnlicher Effekt ein, der mir bereits beim Vergleich der beiden Bücher widerfuhr. Ich staunte ob der Diskrepanz, die zwischen den beiden Autoren lag: ihr unterschiedliches Auftreten, wie verschieden sie Fragen beantworteten, welch ungleiche Gefühle sie in mir weckten. Dabei ging es ihnen letztendlich doch um die gleiche Sache: den Blick zu schärfen für das, was wir essen.

Während Duve meist energisch sprach, ein wenig ruppig fast und alle Fragen so beantwortete, wie sie gestellt wurden, gab es bei Foers Antworten meist einen Twist. Gleich zu Beginn wollte Shelly Kupferberg wissen, ob er denn immer noch als Vegetarier lebe und Foer erwiderte, dass dies gar nicht die richtige Frage sei, denn es ginge ihm nicht darum. Kein Fleisch zu essen sei für ihn mittlerweile so normal und es bedürfe auch nicht dieser Etikettierung. Als Kupferberg wissen wollte, ob es okay sei, Bio-Fleisch zu essen, gab er keine Ja-oder-Nein-Antwort, sondern sagte stattdessen, dass dies ganz davon abhinge, was einem wichtig sei. Wenn es die eigene Gesundheit wäre, sei Bio-Fleisch eine gute Lösung. Wenn es die Tiere wären wohl eher nicht. Tatsächlich sei er verwundert, immer wieder solche Fragen gestellt zu bekommen, als sei er ein Guru. Dabei könne er doch für niemanden sprechen als für sich selbst.
Als ein Mann aus dem Publikum fragte, wie man andere Menschen dafür begeistern könnte, ebenfalls kein Fleisch mehr zu essen, machte Foer dann auch ganz klar deutlich, dass es nichts bringen würde, über diese Angelegenheit zu diskutieren, dass er auf diesem Weg noch nie jemanden überzeugt habe und stellte man sich neben seinen Freund, der gerade ein Stück Fleisch äße und sagte ihm, dass dies wahrlich eklig wäre, sei man selbst allenfalls ein Arschloch. Das Einzige, was helfe, sei das Vorleben der Dinge, von denen man überzeugt ist.

Es ist wohl Foers unaufdringliche Art, die es gerade erst möglich macht, einfach mit dem Fleischessen aufzuhören, die Abwesenheit des erhobenen Zeigefingers. Und das ist dann auch nach wie vor das Problem, das ich mit dem Buch von Karen Duve habe. Ich glaube nicht, dass es solch einen Einfluss auf das Verhalten der Menschen haben kann, weil es einen zu bissigen Humor hat, oftmals polemisch ist. Das mag unterhaltsam sein – das Publikum hat viel gelacht gestern – aber ob dies eben auch ausreicht, um Menschen tief zu berühren und zu bewegen, stelle ich nach wie vor in Frage. Wenngleich ich mich gerne vom Gegenteil überzeugen ließe, denn wichtig ist ja das Resultat und ich freue mich über jeden Menschen, der seine Ernährung und seine Haltung zu Fleisch überdenkt.

Unter dem Titel "Wir haben es satt!" findet morgen in Berlin eine Demo statt:
Nein zu Gentechnik, Tierfabriken, Dumping-Exporten. Los geht es um 12 Uhr am Hauptbahnof.
Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich für solch eine Sache auf die Straße gehe und manchmal fühlt es sich in mir wirklich ein wenig an wie ein weiterer Buchtitel von Jonathan Safran Foer: Alles ist erleuchtet!

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PS: Marketingtechnisch eher schlecht beraten war der Stullenverkäufer, der am Eingang der Veranstaltung Salamibrötchen anbot.

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Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank

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