Nicht lachen!

New Order Die Band aus Manchester war letzte Woche in der Stadt, um ihre Ausstellung zu eröffnen und ein Konzert zu geben. Drei Tage lang 'How does it feel?'

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"Isolation, isolation, isolation."
"Isolation, isolation, isolation."

Foto: Maike Hank

Auf der Bühne im Vortragsraum des .HBC sitzen New Order sowie deren Fotografen Peter Saville und Kevin Cummins. Sie unterhalten sich über Plattencover und Fotos der Band, welche nach und nach hinter ihnen auf der Leinwand gezeigt werden.
Zu Beginn noch Bilder von Joy Division. Ein Mal eine Großaufnahme von Ian Curtis. Love will tear us apart, denke ich und dass die da vorne das wirklich sind. Jene Helden all der Jahrzehnte, die ich auf der Welt bin. Nur der Bassist Peter Hook ist nicht mehr dabei. Stattdessen sitzt dort nun wieder Gillian Gilbert, die seinerzeit nach dem Suizid von Curtis zur Band stieß und mittlerweile mit dem Schlagzeuger Stephen Morris verheiratet ist. Ich muss an Marianne Faithfull denken, wenn ich sie sehe, die beiden sind ähnlich vom Rock'n'Roll gezeichnet. Sänger und Gitarrist Bernard Summer wirkt jedoch irgendwie jung – und vor allem sehr entspannt. Dass sie alle hier sitzen, ist der Ausstellung nebenan geschuldet, die das Artwork der beiden Fotografen zeigt – und natürlich weil die Band morgen ein Konzert geben wird.

Die Ausstellung ist klein, aber fein, das Gespräch auf der Bühne kurzweilig und von britischem Humor durchzogen. Eine der erzählten Geschichten endet damit, dass es nicht immer einfach war, Joy Division zu fotografieren. Weil immer einer gelacht hat. Sie seien ja nicht permanment düster und traurig gewesen, das waren nur die Umstände und deshalb eben auch ihre Musik. Ich versuche, mir einen lachenden Ian Curtis vorzustellen. Es gelingt mir nicht.

...

Wir befinden uns im Tempodrom oben auf dem Rang, sind zu erschöpft, um mitten im Gedränge zu stehen und der Blick von hier ist ohnehin der bessere. Zu Beginn des Konzerts geht die Stimme von Sumner ein wenig unter, bis er das Mikro dichter an den Mund heranzieht – als sei er aus der Übung gewesen.
Sumner tanzt. Nicht ausufernd, aber er wirkt leicht, wie er sich da bewegt und seine Stimme klingt immer noch so jung.


Ich mag die Lightshow, die hauptsächlich mit Strahlenbündeln arbeitet, die Bühne räumlicher wirken lässt und mich angenehm an die Achtziger Jahre erinnert. Ein Jahrzehnt, das die meisten außer mir zu hassen scheinen und es deshalb allenfalls ironisch zitieren.

Wow, ich tanze gerade zu Blue Monday, gespielt von denen, die es erfunden haben!, denke ich und der Moment ist gleichzeitig völlig selbstverständlich und total absurd. Ich fühle mich, als hätte ich MDMA genommen, ich juble. Um mich herum sehe ich viele glückliche Menschen. I feel fine and I feel good. I'm feeling like I never should.

Als Zugabe dann das Geschenk: New Order tun noch einmal an diesem Abend so, als seien sie Joy Division, spielen Transmission und Love will tear us apart und das muss man dann ja auch erst mal aushalten können. Dance, dance, dance, dance, dance to the radio!

Später trinken wir Cocktails, lachen. Danach gelingt mir das Einschlafen lange nicht.

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Ich gucke den Film Control und ein kurzer Ausschnitt aus dem Leben von Ian Curtis rauscht an mir vorbei. Wie viel Mut Deborah Curtis bewies, auf deren Buch der Film basiert und den sie mitproduziert hat. Denn sie kommt nicht gut weg, ich bin immer auf der Seite von Ian, will ihm zuflüstern: Verlass sie, werde glücklich mit Annik, geh fort aus der Stadt, fang ein neues Leben an! Vielleicht weil er krank ist und so traurig und innerlich so zerrissen. Nach wie vor kann ich mir das mit dem Lachen nicht vorstellen. Isolation, isolation, isolation.


Die Ausstellung New Order - An Exhibition im .HBC Berlin ist noch bis zum 4. Juli geöffnet.

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Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank

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