Teelichter und Blumenmeere

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Als ich gestern wie jeden Abend mit der M4 über den Alexanderplatz fuhr, fielen mir Teelichter, Friedhofskerzen und Gedenkpappen an der Weltzeituhr auf. Sie galten dem Torhüter Enke, der sich vor ein paar Tagen das Leben nahm.
Kurz nach Michael Jacksons Tod war die Uhr völlig umringt von Trauerdevotionalien, dagegen nehmen sich die für Enke nun geradezu gering aus. Dennoch hat es Menschen in ihrer Trauer nach draußen getrieben, um mitten in der Stadt und an einem weltlichen Ort eines Toten zu gedenken.

Ein geradezu gewaltiges Blumenmeer gab es damals vor dem Buckingham Palace nach dem Tod von Lady Di. Nun lässt sich hier wenigstens ein lokaler Bezug herstellen. Wie kommt es aber, dass völlig losgelöst vom Verstorbenen (irgend)ein zentraler Ort gewählt wird, an dem man Blumen niederlegt, Kerzen anzündet, selbstgebastelte Collagen aufstellt, Zettel mit Gedichten befestigt? Findet so was möglicherweise auch in Kirchen statt - was ich niemals mitbekomme, da ich diese allenfalls aus touristischen Gründen betrete – und die Trauer an der Weltzeituhr ist eben die atheistische Variante? Ist das ein Großstadtphänomen? Gibt es das schon lange? Wo in Deutschland wird ebenfalls so um öffentliche Personen getrauert?

Es ist ja immerhin viel einfacher, zuhause über sie zu sprechen oder kurz ein paar Sätze dazu ins Internet zu schreiben. Twitter quillt in solchen Situationen über, wobei gerade hier auch eine hässliche Fratze ans Tageslicht gelangt, findet man in den Timelines neben trauernden, mitfühlenden Worten auch massenhaft abfällige Bemerkungen und makabre Witze.

Ich versuche, den Antrieb nachzuempfinden, ein Grablicht zu kaufen, gar einen Karton zu bemalen, Fotos zusammenzustellen und sich aufzumachen, diese Dinge beispielsweise an der Weltzeituhr zu platzieren. Womöglich ist man die erste Person und es steht noch gar nichts da. Stellt man seine Sachen dann dennoch hin oder geht man eingeschüchtert wieder nach Hause? Macht man dies allein oder in Gruppen? Animieren die Devotionalien andere Menschen dazu, selbst etwas zu basteln und dies später an die gleiche Stelle zu tragen? Setzt man da ein temporäres Denkmal oder sucht man Gleichgesinnte, um sich mit seiner Trauer nicht so allein zu fühlen? Ist man nicht viel zu emphatisch, wenn einen der Tod einer öffentlichen Person derart mitnimmt, dass man in diesem Ausmaß Trauerarbeit leisten muss? Ist das alles albern oder eine großartige Geste?

Möglicherweise ist mir das Verhalten ja nur so fremd, weil ich kein Fan von irgendwem bin. Und weil ich mich lieber im ganz persönlichen Gespräch über die Sache mit dem Tod austausche.

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Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank

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