Die neue Rentenlüge der SPD

Rentenpolitik Sie versprechen viel, halten aber nichts, die Genossen von der SPD. Sie bleiben sich treu und verraten ihre Wähler schon vor der Wahl.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Beschluss Nr. 1 heißt der Beschluss des 2. Parteikonvents der SPD vom 24. November zur Rente und schon die Überschrift ist diskussionswürdig. "Die SPD-Rentenpolitik: Arbeit muss sich lohnen! "

Nun hat ja die SPD in ihrer Regierungszeit durchaus mit dafür gesorgt, dass sich Arbeit häufig nicht lohnt, weil der Lohn für Arbeit weit von dem entfernt ist, was der arbeitende Mensch verdient hätte.

Jetzt redet die SPD von einer Solidarrente, die keine ist. Sie ist auch keine Mindestrente. Auch keine Rente, die jeder bekommt, der 30 Beitragsjahre und 40 Versicherungsjahre hat. Das scheint nur so.

Da muss man genau lesen!

"Deshalb führt die SPD nach einer Regierungsübernahme 2013 parallel zu einem gesetzlichen Mindestlohn eine „Solidarrente“ ein. Sie sorgt dafür, dass für langjährig Versicherte (30 Beitragsjahre / 40 Versicherungsjahre) die Rente nicht unter 850 € liegt."

Also doch? Nööööö... Jetzt kommt die Wahrheit:

"Wer diese Solidarrente in Höhe von mindestens 850 €
durch die Höherwertung der Zeiten der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigungszeiten im Niedriglohnsektor innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erreicht, erhält diesen Betrag innerhalb einer zweiten Säule der Grundsicherung, bei der eine Bedürftigkeitsprüfung erfolgt."

Wie die Höherbewertung auch aussehen mag, verrät uns die SPD nicht - aber ganz egal, sie geht ja schon jetzt davon aus, dass Menschen "übrig bleiben", die dann zum Sozalamt gehen müssen und eine Bedürftigkeitsprüfung über sich ergehen lassen sollen. Wohl gemerkt - alles unter der Überschrift: Arbeit muss sich lohnen. Nach 30 Beitragsjahren und 40 Versicherungsjahren muss der "Solidarrentner" zum Sozialamt. Aber nur, wenn er keinen Partner, keine Partnerin hat, der oder die anrechenbares Einkommen hat - sonst kann sich der Solidarrentner das Ausfüllen der 1001 Antragsformulare und den Gang zur Behörde sparen.

Immerhin hat die SPD noch eine Wohltat geplant. Jedenfalls denkt sie drüber nach. Neugierig? Gern - noch ein Zitat aus dem Beschluss.

"Wir wollen zudem prüfen, ob in diesem Zusammenhang die Regeln zu den Hinzuverdienstgrenzen sowie der Vermögensanrechnung aus dem SGB II auf das SGB XII übertragen werden können."

Was das heißt, verstehen auf Anhieb nur wenige Insider. Aber ich erkläre es gern. "Vermögen" nach dem SGB 2 - das ist das bissel Geld, was ein ALG-2-Empfänger als sogenanntes Schonvermögen behalten darf. Das ist nicht viel, aber immerhin mehr, als man bei Grundsicherung haben darf.

Beim Arbeitslosengeld 2 darf man nämlich ein Vermögen von 150 € pro Lebensjahr plus 750 € besitzen. Das sind bei einem 61-jährigen Leistungsberechtigten dann immerhin 9900 €. Falls sein altes Auto einen Wert von 4000 € hat, darf er also noch 5900 € auf dem Konto haben. Vorrausgesetzt, er hat keinen Schrebergarten, der einen Wer von 3000 € hat, dann dürften es nur noch 2900 € sein. Wenn sein Schrebergarten 11000 € wert wäre, müsste er ihn verkaufen, und bekäme so lange keine Leistung, bis nur noch 9900 € übrig sind.

So großzügig wie mit den Alg2-Empfängern geht man da mit den Grundsicherungsempfängern nicht um. 2600 €, da ist sie Vermögensgrenze.

Wird mein erwähnter 61-jähriger ALG-2 Empfänger plötzlich Rentner, weil er erwerbsunfähig ist und bekommt eine Rente von 500 €, die natürlich nicht zum Überleben reicht, muss er erst einmal seinen Notgroschen verbrauchen, nämlich die 9900 € abschmelzen auf die 2600 €, bevor er einen Grundsicherungsanspruch hat.

Noch einmal der Satz aus dem SPD-Programm: "Wir wollen zudem prüfen, ob in diesem Zusammenhang die Regeln zu den Hinzuverdienstgrenzen sowie der Vermögensanrechnung aus dem SGB II auf das SGB XII übertragen werden können."

Die Hinzuverdienstgrenzen sind für Grundsicherungsempfänger noch restriktiver - es gibt praktisch keine Freigrenzen. Unser Solidarrentner mit Grundsicherungssäule 2 müsste selbst eine Stromrückzahlung anrechnen lassen. Ein Nebenverdienst würde sich nicht lohnen.

Kann man von 850 € gut leben?

Nein. Man kann damit überleben. Mehr nicht.

Und diese Art von Rente, auf die jemand mit 30 Beitragsjahren und 40 Versicherungsjahre noch nicht einmal einen gesichterten Anspruch hat, soll Solidarrente heißen?

Wer ist da mit wem solidarisch?

Es ist jetzt 4:05 - dieser SPD-Beschluss hat mich schlaflos gemacht - vor lauter Wut. Denn die Gazetten titeln blauäugig: SPD beschließt Mindestrente.

Gute Nacht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Maja Wiens

Geboren und verwurzelt in Berlin. Schreibend überlebt. Manchmal sprachlos. Fotografie als Zweitsprache. Bekennend LINKS. Parteilos. Praktisches Berufsverbot.

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden