Wenn es nicht gelingt, die Flüchtlingskrise zu lösen, steht auch die Europäische Union auf dem Spiel. Um diese akute Gefahr geht es der Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan in ihrem Artikel "Wir Schlafwandler" (Berliner Zeitung v. 5./6.3.16), den ich hier zur Diskussion stellen möchte.
Sie nennt zunächst die Voraussetzungen, die außerhalb Europas zu schaffen wären: eine sofortige finanzielle Stärkung der Flüchtlingslager in den Nachbarländern von Syrien; eine intensive Diplomatie zur Beendigung des Krieges in Syrien, und - langfristig - die Behebung der Ursachen der Flüchtlingskrise.
Für Lösungen innerhalb Europas diskutiert sie drei Optionen: (1) die Grenze zwischen der Türkei und Griechenland zu schließen, wäre rechtlich fragwürdig, politisch problematisch (abhängig von Erdogan!) und wenig realistisch; (2) weitere Grenzschließungen einzelner europäischer Länder würden zur Desintegration der EU führen; so bliebe (3) eine gesamt-europäische Lösung der Flüchtlingsfrage anstelle der Dublin-Verträge.
Welche Eckpunkte hat diese dritte Option?
- Aus den Grenzen in der Ägäis, vor Süditalien und vor Spanien wird eine europäische Grenze gemacht, von der EU finanziert und organisiert, und die Flüchtlinge werden als EU-Flüchtlinge registriert.
- Statt des Dublin-Verfahrens erhalten diejenigen Länder, die Flüchtlinge aufzunehmen bereit sind, europäische Finanzmittel für die erforderliche Infrastruktur. Damit werden für diese Länder zugleich Wachstumsimpulse geschaffen und die Arbeitslosigkeit abgebaut.
- Erforderlich sind zusätzliche Finanzquellen. Warum sollten nicht z.B. europäische Infrastrukturanleihen ausgegeben werden?
Insgesamt könnte diese Option die Flüchtlingskrise in eine Chance für Wachstum und Zusammenhalt in Europa verwandeln.
Außerdem müsste die EU ein europäisches Einwanderungsgesetz verabschieden, um die Wirtschaftswanderung zu regeln. Dann könnten die Menschen in ihren Heimatländern legale Anträge stellen, und wir könnten sie strikt von den Asylsuchenden unterscheiden.
Gesine Schwan steht mit ihren Vorstellungen nicht allein da. Die Option 3 knüpft an entsprechende Vorschläge der portugisischen EU-Parliamentarierin und "Mutter der Lissabon-Strategie", Maria Joao Rodriguez, an. Auch in der Europäischen Kommission wird diese Alternative vorsichtig angedacht.
Könnte eine solche konstruktiv-solidarische Lösung der Flüchtlingskrise nicht ein 'Plan B' sein, der die Chancen für eine Umverteilung der Flüchtlinge und eine positive Wende in der EU erhöht?
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