Politischen Weltereignissen wie Gipfeltreffen kann man auch mit größter Anstrengung schwerlich ausweichen. Ihr medialer Niederschlag ist mindestens mit Königs- und Papstkrönungen vergleichbar, wobei zu solchen Anlässen üblicherweise keine Stadtteile in Flammen stehen und die Fernsehfestivitäten nicht gleich tagelang andauern. Ein G20-Gipfel hat seine eigene aufwändige Dramaturgie. Mit Argusaugen blickten die Pressevertreter in Hamburg gewohnt gebannt auf jede scheinbar noch so marginale Kleinigkeit; bloß nichts verpassen, wenn die Mächtigen der Welt samt ihrer Entouragen zusammenkommen. Jede Geste und Bewegung, selbst ein Lidschlag könnten ja zu neuesten Deutungen hinsichtlich Motiven und Absichten des politischen Personals taugen.
Egal, ob Melania Trump mit den Regierungskindern im Hafen schippert, ihr Mann mit Präsident Putin am Stehtisch beim Kekseknabbern fotografiert wird, ob die Erdogans abendländischen Anklängen in der Elbphilharmonie fernbleiben oder der kanadische Premierminister Trudeau bunte Socken (immer noch der neueste Schrei!) zu braunen Schuhen und blauem Anzug trägt – alles hat genügend Relevanz, um irgendwo noch einmal gesagt, gezeigt und bei der Verfertigung kommunikativer Ausforschungen gebührend mitbedacht zu werden.
Gipfeltreffen als politische Verfahren
Kann die Beschreibung politischer Großereignisse neben exzessiver Gewalt und argumentierter Ablehnung einerseits und hingebungsvoller Faszination für glamouröse Polit-Fassaden andererseits um weitere Zugänge ergänzt werden? Eine interaktionstheoretische Analyse zur globalen Bedeutung politischer Entscheidungsverfahren bietet die Schweizer Soziologin Bettina Heintz (Universität Luzern) mit ihrer Arbeit zur „Unverzichtbarkeit von Anwesenheit“. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass Bindungs- und Folgebereitschaft auf Ebene globaler (politischer) Beschlüsse höchst problematisch zu verwirklichen sind. Die moderne Gesellschaft kennt keine Höchst- oder Finalinstanz, um weltpolitisch unverbrüchliche Entscheidungen herbeizuführen. Mit internationalen Normierungs- und Ordnungsverfahren kann versucht werden, diese ,Lücke‘ zu schließen. Sie werden interaktionsförmig gebildet, als Formate der Kommunikation unter Anwesenden.
Auf der Basis von Niklas Luhmanns erstmals 1969 erschienener Studie „Legitimation durch Verfahren“ lassen sich entsprechende Gebilde als (interaktionsförmige) Verfahrenssysteme beschreiben, die einer ergebnisoffenen Herstellung von Entscheidungen dienen und selbige legitimieren. Arrangements, die in erster Linie der Herstellung von Konsens dienen, bieten der Politik multiple Optionen legitimierter Entscheidungsbildung oder werden hierauf ausgerichtet. In ihnen kann über die Einbindung entscheidungsfähiger staatlicher Repräsentanten eine ansonsten unerreichte Bindungskraft hergestellt werden. Nach Bettina Heintz sind es hier aber weniger formale Verfahrensregeln als vielmehr eine „performative und symbolische Verstrickung in das Verfahren, die Legitimation erzeugt“. Interaktionssysteme tendieren zur Latenz oder Abkühlung von Konflikten, da sie eine Kommunikation von Angesicht zu Angesicht erfordern und insofern soziale Hemmungsmechanismen aktivieren. Genau das macht einen politischen Gipfel zur willkommenen Gelegenheit der Gemüterberuhigung.
Darüber hinaus bieten politisch initiierte bzw. intendierte Verfahrenssysteme ein reichhaltiges Repertoire an Ritualen, Techniken und Taktiken des Anwesenheits- und Protokollmanagements. Geschulte Etikette und Parketttauglichkeit sind zu wahren. Während des direkten Beisammenseins wird viel lieber relativiert, geglättet, umschifft, ausgewichen und verlagert, als dass man Bereitschaften aufbringen müsste, sich (zu) schnell auf frontale Ablehnung oder vorauseilenden Gehorsam einzulassen. Und nicht zuletzt regt ein Verhandlungstisch umso eher zum Platznehmen an, wenn er zuvor mit Kaffeetassen, Obst und Gebäck hergerichtet wurde. Frei nach Goethe: Verweile doch, staatsträchtiger Moment, du bist so schön!
Der unterstellte Konsens
Zahlreiche, vielleicht die Mehrzahl der auf Interaktion begründeten globalen Verfahrenssysteme führen, was kaum wundern kann, im Ergebnis nicht etwa zu Oppositionsbildung und damit zu Anschlusskonflikten von Mehrheiten und Minderheiten bzw. Siegern und Unterlegenen, sondern vielmehr in die Proklamation von Konsens. Der konsensuell herbeigeführte Entscheid entfaltet pikanterweise keinerlei juristisch bindende Wirkung, sonst käme er auch denkbar seltener überhaupt zustande. Es wird stattdessen von ,soft regulation‘ gesprochen. Diese im politischen Alltag viel gescholtene Weichheit impliziert folgenreiche Funktionen. Erstens: Die (persönlich vertretene) Einbindung in das Verfahren ermöglicht eine öffentliche Darstellung von Folgebereitschaft, die jeden späteren Versuch einer Loslösung vom bereits geschaffenen Konsens hemmt – immerhin insoweit, als dass die nachträgliche Distanzierung in vielen Fällen (öffentlichen) Unmut oder doch Einbüßen von Vertrauen unter ebenbürtigen Verhandlungspartnern provozierte.
Persönliche Motivlagen und subjektive Normerwartungen sind dabei relevanzarm; sie bleiben für die ,Veräußerung‘ der (Selbst-)Bindung in Form von Konsenserhalt ohne Einfluss. „Man stimmt zu, obwohl man eigentlich anderer Meinung ist (…). Konsens bedeutet nicht ,objektive‘ Übereinstimmung, sondern Konsensunterstellung“ (kursiv i. O.). Vieles darf vermutet werden, wenn man (wiederum Protokoll) sich möglichst in strikter Zurückhaltung übt, Vermutungen in Gewissheiten wandeln zu wollen. Ausweichwege lassen sich einrichten – etwa mit ungenannten und doch erkennbaren Sonder- und Verweigerungsvoten, geschickt placiert mithilfe sprachlicher Hintertüren beispielsweise im Abschluss-Communiqué; oder durch die Erklärung, aufs erste genau darin einig zu sein, dass man noch nicht gänzlich einig ist. Wer immer die Gelegenheit hatte, einer Vergleichseinigung in Zivilgerichtsprozessen en détail beizuwohnen, wird einiges an Fantasie in Angelegenheiten der konsensualisierten Dissenserklärung aufbringen können.
Zweitens: Die (politische) Welt wird über das Verfahren und seine Konsensbildung ausgiebig und ausdrucksvoll zur Aufführung gebracht. Ein Gipfeltreffen strahlt über nationalstaatliche Belange und größte Diskrepanzen hinweg. Es führt den (Laien-)Beobachtern, dem Publikum der Politik, eine internationale Entscheidungsarena vor Augen. Dass dies gelingt – temporäre massenmediale Omnipräsenz des Ereignisses – ist in der Dramaturgie des Verfahrens begründet; nämlich durch zeitliche, räumliche und personelle Konzentration einer symbolischen Weltgesellschaft an einem einzigen und im Verhältnis zur Verbreitung der anwesenden kulturellen Repräsentanten geradezu ‚winzigen‘ Schauplatz. Es braucht empirisch betrachtet niemanden, der für diese Gleichzeitigkeit und Gleichörtlichkeit erst noch seine Legitimation erteilen müsste, wenn sich im Zustandekommen der Anwesenheit unweigerlich eine ‚Vertretung‘ der Welt ereignet und über Interaktion mit repräsentativen Mitteln vollzogen wird. Wo das Interaktionsgeschehen gesehen werden kann, wird es auch gesehen. Und mehr noch: es lässt sich darüber berichten. Der Beobachter, der nicht auf dieser Bühne steht, hat alle Gelegenheit, den Berichten seine Aufmerksamkeit zu schenken und damit das Geschehen – teilnehmend – als jenes zu erkennen, als das es (auch) für ihn bestimmt sein mag.
Die Informalität der Gärten und Gänge
Ein politisches Verfahrenssystem als „Weltbühne“, so Bettina Heintz, kann auf solchermaßen veranstaltete Interaktion nicht verzichten, woran auch moderne Kommunikationsmedien wenig ändern, da gar größte Finessen der Digitalität den Darstellungsmitteln der Staatenwelt eine vergleichbar expressive Aufführungsarchitektur, unter Einbezug von Bindungs- und Legitimationskraft bei der Entscheidungsbildung, nicht bieten können. Ein diesbezüglich in jüngerer Zeit zunehmend verlautbartes Unbehagen gegenüber den klassischen politischen ,Bühnenbildern‘ (man hört von einer „Krise der Demokratie“ und weiß nicht so genau, wo sie zu finden ist) mag wohl mit Verweis auf emanzipatorische Forderungen in mehr oder weniger solide argumentierten Widerspruch oder gar dumpfen Zorn der Straße führen; und damit eigene interaktionsförmige Quasi-Verfahren qua Protest hervorbringen. Gleichwohl ändert das an bewährten Verfahrenssystemen und eingespielten Prozeduren einstweilen wenig.
Natürlich kommt kein Gipfel der Welt an Organisation vorbei beziehungsweise ohne aus, die staatsseitig den Rahmen aller Verfahren bereitstellt. Doch die Entscheidungsbildung tritt letztlich als Resultat eigendynamischer Interaktionen hervor. Das organisational Vorgezeichnete kann leicht suspendiert oder variiert werden. Gerade Gipfeltreffen führen dies Bettina Heintz zufolge den Beobachtern anschaulich vor Augen: „Sie sind nicht bloß ein Spektakel dessen Zweck es ist, bereits getroffene Entscheidungen öffentlich zu inszenieren (…), vielmehr entfalten sie oft ein Eigenleben, das am Ende einer langen Nacht das durch Beamte und Diplomaten Vereinbarte zum Einstürzen bringt“.
Wird nun als prominente Kritik am Format der Gipfeltreffen darauf hingewiesen, dass diese lediglich aufgrund des Unvermögens der Vereinten Nationen jene Entscheidungen selbstständig zu treffen, eine informelle und ungeordnete Notlösung darstellten, kann diesem Einwand entgegnet werden: Gerade weil die organisationalen Verhältnisse andernorts jene Möglichkeiten offenkundig nicht zureichend bereitstellen, deren Nutzung im Verfahren von Gipfeln beansprucht werden, sind informalisierte Verfahren außerhalb scharfer Grenzen politischer Organisation eine probate Antwort. Gipfeltreffen differenzieren sich ja wiederum in zahlreiche informale Untersysteme der Interaktion. Man spricht von den bilateralen Einzelgesprächen oder vom Sondierungsfrühstück; die Herrschaften wandeln in den Gängen und Gärten ihrer Tagungsstätten und führen Beredungen in Nischen und hinter Hecken, die für Minuten Bestand haben und an anderer Stelle keineswegs selbstverständlich anschlussfähig fortgesetzt werden können. Zeiterfahrung wird enorm verdichtet. Augenblicke bringen Ahnungen hervor. Aber Ahnungen haben keine Vergangenheit und kaum sind die Momente vorüber, kann man hinsichtlich dessen, was daraus (nicht) folgen möge, nicht sicher sein.
Verhandlungsidylle in Brandenburg
Gewiss mag die Forderung nach sehr viel mehr Präzision und Bindungskraft politischer Großverfahren, einschließlich ihrer Kontrolle, als Reaktion auf organisatorische Defizite, die nun einmal an anderer Stelle bestehen, nachvollziehbar erscheinen. Die produktive Eigendynamik eines ersatzweise gebildeten und inzwischen zur Regel gewordenen Verfahrens in Form der Gipfeltreffen, die offensichtlich davon profitieren, in lockerer Bindung mit politischer Formalorganisation zu stehen, wird durch diese Einwände aber wenig geschmälert. Man kann den symbolischen Beitrag großer Verfahrensformate – es ließen sich dazu einige andere prominente Ereignisse zählen wie zum Beispiel Kirchensynoden oder Weltkonferenzen – bei der Herstellung von Legitimation schwerlich überschätzen. Sie repräsentieren Foren der Einheit. Und wenn ihnen das üblicherweise nicht allzu leicht gelingt, so zeigen ihre Teilnehmer zumindest persönliches Bemühen darum. Dies geschieht gerade, so der Hinweis von Bettina Heintz, „trotz – oder besser: wegen – der Brüchigkeit politischer und rechtlicher Institution“ (246).
Anschauliche Episoden des politischen Betriebs bietet, wenn man gelegentliche Überzeichnungen und Exzesse unbeachtet lässt, seit einigen Jahren die US-Serie „House of Cards“, in der vor allem das Verschränkungs- oder Spannungsverhältnis von Formalität und Informalität politischer Organisation prononciert wird. Die Bildung politischer Entscheidungen ist darin deshalb lohnenswert zu beobachten, weil die Ergebnisse in ihrer reichlich diffusen und von unerwarteten Gelegenheiten mitgeprägten Gemengelage voller Widersprüche und Zweckverschiebungen entfaltet werden. Neben vielen instruktiven Beispielen, die sich durchaus für Reflexionen in Seminaren der Politischen und Organisationssoziologie anbieten, wird in einer Folge das G7-Treffen ausgerechnet (abermals) in der (späteren) Heimat der deutschen Kanzlerin präsentiert. Diese übrigens wird von einer gebürtigen Deutschen gespielt und der typische Merkel’sche Zungenschlag bleibt humorvollerweise auch gewahrt.
Die Story: Der russische Präsident Viktor Petrov (nochmals sind Analogien der reine Zufall) ist zum Leidwesen der anderen Teilnehmer geduldeter, weil längst sanktionierter Gast dieses Gipfels, welcher deshalb auch nur G7 heißt. Petrov wird benötigt, um einem heiklen Handels-Deal zwischen China und den USA nicht länger im Wege zu stehen. Wo die Not drängt und Gesichtswahrung geboten ist, erscheint vieles möglicher denn je. Selbstverständlich werden in der Episode die entsprechenden Abreden am Gipfelort, einem idyllisch gelegenen Landsitz in der Brandenburger Provinz und fernab jeglicher Demonstranten, in größtmöglicher Hinterzimmer-Atmosphäre präsentiert. Der Gipfel hat seine eigenen inneren Vorder- und Hinterbühnen. Zwischen der Plenumsdebatte mit der Bundeskanzlerin folgt wieder und wieder die persönliche Konfrontation im Séparée.
Es ist mehr als eine filmische Pointierung, wenn dem bilateralen Tête-à-Tête hinter verschlossenen Türen die Intermezzi multilateraler Sammlung in den Fluren und Winkeln des Hauses folgen. Bei allem Verhandeln gibt es ein Auf und Ab der Zugeständnisse, ein Changieren zwischen Geben und Nehmen, ein Stehlen der Show zulasten der einen und ein Schenken unverdienter Lorbeeren dafür an andere. Und weil um dieses Schachern und Feilschen nicht viel Wind gemacht wird, tritt der subtile Reiz der Zusammenkunft so wirksam zutage. Wer darin Anstößiges finden will, wird Hinterhalt und faule Tricks monieren; und wer es pragmatischer sieht, kann sich mit der Bewertung anfreunden, dass hier Politik vom Feinsten fabriziert wird.
Erwartungsdämpfung
Zeitliche, räumliche und personelle Bedingungen globaler Gipfeltreffen sind jedenfalls eindrucksvoll: Über das Gesagte und vielleicht noch zu Sagende wird ein oder zwei Nächte geschlafen; ein Rhythmus von Gespräch, Überdenken, Abstand finden, neuem Ansetzen und Fortfahren kommt in Gang. All das ereignet sich an einem Ort, der nicht als der eigene erfahren wird und in einer personellen Konstellation, die mit Sicherheit einmalig bleibt. Naheliegend findet eine derart entfaltete Perspektive bei jenen wenig Akzeptanz, die sich in der Gewissheit wähnen, dass Gipfeltreffen globales Leid eher zementieren, als zu dessen Beendigung Beiträge zu leisten.
Dennoch dürfte interaktionstheoretische Analyse für ein besseres Verständnis politischer Spitzentreffen jedenfalls nicht schaden und manchen Spontanimpuls mäßigen, der auf die unbedachte Diskreditierung all jener sozialen Interaktionsgeschehen hinausläuft, die exklusive Verfahren der Entscheidungsfindung bereithalten. Defensive Bemühungen in puncto Steuerung sowie eine für solche Anlässe sicher stets gut geölte Formulierungsglättungsmaschinerie müssen nicht voreilig als eklatante Störungen des politischen Verfahrens gesehen werden. Treffender scheint die Beobachtung zu sein, dass Gipfeltreffen zur Entlastung von Erwartungen beitragen können. Der kunstvolle Effekt solcher Ereignisse liegt womöglich wesentlich darin begründet, dass sie durch Abkühlen und Dämpfen der Erwartungslasten gerade so neue Erwartungen und Aussichten auf Erfüllung zu produzieren vermögen.
Dies mindert mitnichten Bedarf oder Nutzen von Protest; im Gegenteil macht es diesen wohl umso langlebiger. Gleichwohl kann die Frage gestellt werden, was verloren geht, wenn Forderungen nach weitestgehender „Transparenz“ politischer Interessenverhandlung und Entscheidungsbildung einen Durchsetzungsgrad erreichen, der die Vorzüge des diskret-informellen Hinterbühnengeschäfts mit allen Feinheiten seiner Latenz und Selektion von Kommunikation unterminiert. Den Spitzen der Politik müssen mit anderen Worten Spielräume erhalten bleiben, die es gewährleisten eben jene bedeutsame Entscheidungsprämisse – Personal – noch wirkungsvoll ausnützen zu können. Wie Transparenzoffensiven in protestpolitischen Bewegungen aufs Glatteis führen können und die dortigen Entscheider in große Erklärungsnöte bringen, wurde zuletzt u.a. am Beispiel der Piratenpartei diskutiert.
Die Routiniertheit der Gipfeltreffen mag zu langsam und zu zaghaft erscheinen. Für wen daraus Unzufriedenheit und Frustration resultieren, der könnte sich vergegenwärtigen, dass vermutlich kein politisches Prozedere der Welt gänzlich ohne Zeit und Orte für Dramaturgie und Spiel auskommt. Nur wer unvermeidbare Inszenierung von Politik nicht für unwahrscheinlich hält, kann sichergehen, am Ende allen Entscheidens weniger enttäuscht zu sein.
Heintz, Bettina (2014): Die Unverzichtbarkeit von Anwesenheit. Zur weltgesellschaftlichen Bedeutung globaler Interaktionssysteme. In: Zeitschrift für Soziologie, Sonderheft, S. 229-250.
Luhmann, Niklas (2013): Legitimation durch Verfahren. 9. Auflage. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Eine Fassung des Beitrags erscheint auch auf dem Wissenschaftsblog "Sozialtheoristen".
Kommentare 7
Dennoch dürfte interaktionstheoretische Analyse für ein besseres Verständnis politischer Spitzentreffen jedenfalls nicht schaden und manchen Spontanimpuls mäßigen, der auf die unbedachte Diskreditierung all jener sozialen Interaktionsgeschehen hinausläuft, die exklusive Verfahren der Entscheidungsfindung bereithalten. D
Übersetzt: Man sollte das bei aller Skepsis nicht unterschätzen, was da abläuft.
Gleichwohl kann die Frage gestellt werden, was verloren geht, wenn Forderungen nach weitestgehender „Transparenz“ politischer Interessenverhandlung und Entscheidungsbildung einen Durchsetzungsgrad erreichen, der die Vorzüge des diskret-informellen Hinterbühnengeschäfts mit allen Feinheiten seiner Latenz und Selektion von Kommunikation unterminiert.
Wer würde das bestreiten. Vor allem in Zeiten, in denen mit dem Anspruch auf die Wahrheit "geleakt" wird und gleichzeitig mit den Leaks aber Politik und Meinung befördert und auch manipuliert wird, wie es z. B. Julian Asange durchaus tut.
Die Routiniertheit der Gipfeltreffen mag zu langsam und zu zaghaft erscheinen. Für wen daraus Unzufriedenheit und Frustration resultieren, der könnte sich vergegenwärtigen, dass vermutlich kein politisches Prozedere der Welt gänzlich ohne Zeit und Orte für Dramaturgie und Spiel auskommt. Nur wer unvermeidbare Inszenierung von Politik nicht für unwahrscheinlich hält, kann sichergehen, am Ende allen Entscheidens weniger enttäuscht zu sein.
Herschaftszeiten, so ein Ballon. Das habe ich anderswo - ein bisschen einfacher ausgedrückt.
https://www.freitag.de/autoren/johschi/ausschreitungen-bei-g20-bitte-ja#1499620352774484
Ich zitiere meinen Kommentar ein bisschen: "Eine gewisse Symbolik , Händeschütteln, große Zusammenkünfte und - gerne auch ein bisschen politische Selbstdarstellung - gehören zum "Geschäft". Wenn das nicht stattfindet, wird es vermisst. Die "großen Gesten" auf dem politischen Parkett gehören zum Welttheater .Woher sollen die Dramatiker sonst ihre Stoffe nehmen? Woher die Medien ihre Bilder. Wenn Bescheidenheit gefragt ist, wird sie auch gern inszeniert. "
Wer sich mit Politik beschäftigt, wird das genau so aufmerksam beobachten und die erzielten Ergebnisse dazu in Beziehung setzen.
Hier noch mal mein schöner Merkel-Putin Link
Macht deutlich, dass die sich nicht fremd sind und sie ihn - ein bisschen genervt - akzeptiert.
Danke MAGDA für diese Ergänzungen. Ich finde, das Video ist ein wirklich schöner Beleg für den Charme eines protokollgerechten Gipfeltreffens; und die Beharrlichkeit einer Gastgeberin.
G20 Nachbearbeitung
Der Ersatzkaiser von der Schröder.Bande war jetzt nach der medialen Show auch noch in Hamburg und drischt mit der ganzen Wucht seines Amtes auf die Kriminellen ein. Da wundere ich mich nur, woher soviel geheuchelte Entrüstung kommt.
Allein der Sammelplatz für Kriminelle hat 4.000.000 Euronen gekostet und die 20.000 Polizisten hatten nicht ausgereicht, sie mußten überhastet verstärkt werden. Das Politpersonal war also sehr gut vorbereitet, auf das, was dort geschehen ist und hat dies wissentlich einkalkuliert. In meinem Verständnis haben die PolitikerInnen mit dem G20 die öffentliche Ordnung vorsätzlich gestört, um ihre Präsenz und Eigenbedeutung im postdemokratischen Zirkus zu zelebrieren.
Andere Szenarien sind für derlei Treffen durchaus möglich. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hat durchaus Liegenschaften im Angebot, die sich für Internationale Treffen dieser Größenordnung eignen, mediale Präsenz inbegriffen.
Wenn die Bundesregierung diese Gipfeltreffen nicht sicher gestalten kann, will sie das nicht und nimmt kriminelle Entgleisungen billigend in Kauf, um die Dramatik des eigenen Auftritts zu erhöhen.
Zitat aus "spiegel.de:
>>Eine ältere Frau drängt mit einem Rollator durch die Menschenmenge vor dem Polizeipräsidium an der Stresemannstraße im Hamburger Schanzenviertel. "Was ist denn hier los?", fragt sie. Ein Mann antwortet: "Steinmeier ist da drin." - "Auch das noch", sagt sie und schiebt weiter.<<
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/g20-in-hamburg-buerger-raeumen-schanzenviertel-nach-verwuestungen-auf-a-1156889.html
Ein Satz aus dem SpiegelArtikel:
«Wie deutlich muss man sich von Gewalt distanzieren?»
E i n d e u t i g !
Genau das haben die PolitikerInnen nicht getan, sondern die Gewalt einkakuliert, durch ihre Vorbereitungen und durch das mediale Trommelfeuer im Vorfeld des G20 gerade gewaltbereite Gruppen europaweit dazu eingeladen.
Die Entrüstung nach den Krawallen, medial verstärkt, ist die Entrüstung heuchlerischer, verlogener PolitikerInnen und ihrer Vasallen in den Medien.
Der Tagesspiegel: De Maizière:
Gewalttäter in Hamburg wie Neonazis und Terroristen
- Also weiter so,
- der Zirkus wird weiter zelebriert,
- schau'n wir mal, was noch geht.
Das ist Realpolitik des postdemokratischen PolitPersonals gegen die Zivilgesellschaft.
Details erarbeiten
Die Bewegungen der Menschen in Ihren alltäglichen Wegen als Massen und Richtungen vollzieht sich hektisch, hysterisch und unbefriedigend hin zu einer anwachsenden negativen Aggressivität als Grundstimmung. Da Zeit zum moderaten Rhythmus nicht zugelassen werden kann, weil jeder zu spät an seinen Arbeitsplatz, als Ziel Erscheinungsort ankommt. Das hat Auswirkungen auf unser Denken und Handeln und verleitet uns wichtige Details nicht mehr erkennen zu können. Die elektronische Sprachkultur ist hierbei keine Hilfe, Sie fördert nur das Blasendenken in uns, um unsere begrenzte Energie für die Einhaltung unserer Zeittaktintervalle aufwenden zu können und was unsere Arbeit mittlerweile darstellt.
Doch Details sind wichtig und sind überhaupt die eigentliche Arbeit, damit etwas zu einem Erfolg werden kann. Darunter leidet auch die Kommunikation und wir lassen auch andere Meinungen nicht mehr zu, da Sie uns zum einen lästig erscheinen und uns in unseren Bewegungen behindert, bzw. ausbremst und zum anderen, wir wollen ja Zeit gewinnen um den Zeittaktintervall ein chip trick zu verpassen. Alles nur noch eine optimierte Takteinplanung.
Ich denke das ist das Problem was man heutzutage hat und was sich auch in politischen Strömungen finden kann. Keiner hat mehr Zeit auf wichtige Details zu achten.
Was will ich von einem G20 treffen dann erwarten? Ein Powerpointvortrag jagt den anderen und das Hirn steht nach 10 min. auf Standby. Dann noch inszenierte Kultur und schöne Bilder für die Presse und bewegt hat sich die mit angereiste Lobby in ihrer Arbeit.
Das schlimme an diesem Event ist jetzt die Grundstimmmung in der Bevölkerung. Die ist zwiegespalten und fördert neues Blasendenken hin zu Ihrer eigenen totalen Überwachung und dadurch entsteht immer mehr von einer Körpereigenen Schönheit im System, die der negativen Aggressivität als Grundstimmung dienlich ist und uns weiter in einen Sog zieht, von wir haben eine suggerierte Angst in uns und uns fehlt die Zeit um Detail erarbeiten zu können also machen wir es oberflächlich und halbherzig.
Auch ein andere Punkt ist. Wenn ich als Polizist, wie ein Penner auf der Straße schlafen muss und soll, da es anders nicht möglich ist, dann bewirkt das auch etwas in mir und nährt eine nicht richtige Grundstimmung als Aggressionsform in mir und das die sich Luft verschaffen will ist auch jeden klar. Luftschaumblasen können so schön sein, doch im Innern was sich da versteckt, dass will man nicht.