Altenteil

SPD Ministerpräsident, Bundesfinanzminister, Kanzlerkandidat: Peer Steinbrück will ab heute nur noch Abgeordneter im Bundestag sein

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Der Mann hat alles, was eine ehrenvolle Verabschiedung verdient: Eine lange Liebe mit der SPD, mit der er seit 1969 verbandelt ist, vielfache Ämter auf halber Treppe zwischen Politik und Administration in Bund wie Ländern, das Gewicht eines vormaligen Ministerpräsidenten wie Bundesfinanzministers. Und schließlich das, eine Hoffnung gewesen zu sein.

Dabei waren seine Worte am 9. Dezember des vergangenen Jahres beinahe prophetisch. Gerade war er mit 93,45% der Stimmen zum Kanzlerkandidaten seiner Partei gekürt worden, das zweitschlechteste Ergebnis nach dem von Gerhard Schröder anno 1998 (93%). „Die Zahl könnte eine Orientierungsmarke für das Wahlergebnis im September nächsten Jahres sein", meinte also Peer Steinbrück und behielt im übertragenen Sinn recht – das Ergebnis der SPD bei der Bundestagswahl 2013 ist das zweitschwächste seit Bestehen der Bundesrepublik.

Man kann es nicht ihm alleine anlasten. Denn die Geschichte mit den Vorträgen war und ist eine der Usance, was ebenso für die Honorare gilt, so hoch sie auch gewesen sein mögen. Es ist das Brot, das sich allenthalben ehemalige Mitglieder eines mächtigen Exekutivs hinzuverdienen, wenn sie auf den reichen Schatz ihrer Erfahrungen zurückgreifen können und den legitimen Wunsch nach Alterssicherung vor Augen haben; dem steht die Funktion als Mitglied des Bundestages, dem Steinbrück seit 2009 angehört, nicht entgegen.

Zum Gewese ist es nur geworden, weil Steinbrück selbst daraus eines gemacht hat. Er war schlecht beraten und daher ungeschickt, aus einer gängigen Praxis ein Mysterium und damit etwas Ruchbares zu machen, hart an der Grenze der bestehenden gesetzlichen Offenbarungspflichten. Oskar Lafontaine, ebenfalls ein Vielvortragender, hat die auf die eigene Person gemünzte entsprechende Anzüglichkeit der SZ im heute veröffentlichten Interview mit der einfachen Bemerkung beiseite gewischt, dass er die Einkünfte seit Jahren spende.

Mindestens so ungeschickt war die Wahl seines neuen Pressesprechers, des mit allen schmutzigen Wassern des Boulevards gewaschenen Rolf Kleine. Die neue Kante, die der Kandidat daraufhin zeigte war die, sich in Deutschland wahlberechtigte Menschen ausländischer Herkunft zu argwöhnisch abwartenden Beobachtern zu machen. Wer in der Vergangenheit dem Ausland mit der Kavallerie gedroht hat und als Aspirant auf das höchste Exekutivamt fremde Politiker (und damit ihre Wähler) als Clowns bezeichnet, schafft den Schenkelklopfer. Das Kreuzchen wird dann aber woanders gemacht.

Mit den falschen Leuten umgeben gewesen zu sein, betrifft aber nicht nur die persönliche Entourage, sondern vielmehr die gesamte Spitze der SPD, die ihre Gesichter für den Umschwung hergegeben hat. Beginnend bei Frank-Walter Steinmeier, der trotz der krachenden Niederlage 2009 (das historisch schlechteste Ergebnis der SPD mit 23%) nach wie vor den Fraktionsvorsitzenden gibt. Über einen Parteichef Sigmar Gabriel, der bei seinem Antritt „den katastrophalen Zustand“ der Partei beklagte, ohne in seiner Amtsführung auch nur einen Akzent, geschweige denn in Richtung Entwicklung zu setzen, dafür mit lauen Nebengeräuschen dem Kanzlerkandidaten in die Parade fuhr. Bis zu einer Generalsekretärin Andrea Nahles, über die es sogar zu Wahlkampfzeiten nichts zu berichten gab.

Dass in dieser Konstellation Steinbrück die Herausforderung angenommen hatte, obwohl er wie die Vorgenannten ihre Wirkung herleiten, Mitglieder des „Kabinetts Merkel I“ gewesen zu sein, beweist nicht so sehr den Mut als die Bereitschaft, sich für seine Partei zu opfern. Damit ist nun definitiv Schluss. Steinbrück hat heute angekündigt, kein Führungsamt in Partei oder Fraktion mehr anzustreben. Sein Altenteil wird nun das der Hinterbank im Bundestag sein.

Die Hochachtung seiner Parteifreunde, die in diesen Stunden kolportiert wird, hat er sich redlich verdient. Und verdrängt noch einmal, für vielleicht einige Tage, die dringende Frage weniger nach Koalitionen, sondern die nach der Zukunft einer ehemaligen Volkspartei. Die Chance auf einen ehrenvollen Abschied aus der vordersten Reihe steht nicht nur Peer Steinbrück zu.MS

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Geschrieben von

Marian Schraube

"Dem Hass begegnen lässt sich nur, indem man seiner Einladung, sich ihm anzuverwandeln, widersteht." (C. Emcke)

Marian Schraube

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