Sicherheits-Risiko

Importzölle Was sich bei den Importzöllen bereits andeutete, wird nun als Strategie erkennbar. Donald Trump instrumentalisiert den Sicherheitsbegriff – und deutet ihn damit um

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Donald Trump malt gerne den Teufel an die Wand – wie vage die Gefährdung auch sein mag. Es ist ein Mittel zum Machterhalt
Donald Trump malt gerne den Teufel an die Wand – wie vage die Gefährdung auch sein mag. Es ist ein Mittel zum Machterhalt

Foto: Mark Wilson/Getty Images

Erste Anzeichen gab es bereits von einem guten Jahr: Die Untersuchungen, die Donald Trump angesichts drohender Gefahren für die nationale Sicherheit der USA angeordnet hatte, waren anders motiviert. Denn bereits der Untersuchungsgegenstand, die US-amerikanische Stahl- und Aluminiumindustrie, ließ einige stutzig werden. „Das Pentagon hat bisher noch nie aus eigener Initiative nach einer eingeschränkten Einfuhr von Stahl gefragt,“ sagte Gary Hufbauer, Senior Fellow des Peterson Institute for International Economics.

Dass der Schutz dieses gebeutelten Industriezweigs wenig mit internationalen Gefahren zu tun hat, liegt auf der Hand; doch kommt neben einzulösenden Wahlversprechen, kommerziellem Interesse und protektionistischen Intentionen noch ein weiteres hinzu, nämlich die Arbeit am Begriff selbst. Denn was Trump hier eindrucksvoll vorführt, ist die Instrumentalisierung eben dieses Begriffs, um den es ihn zu gehen scheint, den der Sicherheit.

Dafür überdehnte der Präsident den eigentlichen Zweck der Initiative, er operationalisiert den willkürlich bestimmten und bestimmbaren Sicherheits- und Gefahrenbegriff der Section 232. ‚Gefahr‘, das macht der Untersuchungsbericht auf seinen 262 Seiten deutlich, kann hier so ziemlich alles bedeuten: von Arbeitslosigkeit über niedrige Staatseinnahmen bis zum Ersetzen einheimischer Produkte durch Importprodukte – die Deutungsmöglichkeiten sind schier unbegrenzt.

Die Verwendung des Sicherheits-Begriffs: inflationär. Seine Bedeutung: uneindeutig.

Unsicherheiten

Davon legt auch die Ernennung John Boltons als neuer Nationaler Sicherheitsberater Zeugnis ab. Der ehemalige US-Botschafter bei der UN und dritter Amtsinhaber innerhalb der der einjährigen Präsidentschaft Trumps gilt im Gegensatz zu seinem Vorgänger McMasters als Hardliner: von Israel forderte er die nukleare Bombardierung des Irans, von den USA die Nordkoreas, warb für ein größeres Recht auf Waffenbesitz in Russland, verteidigt noch immer den Irakkrieg und vieles mehr. Das Amt für Nationale Sicherheit wird zum Unsicherheitsherd.

Dass sich die Aufweichung und damit vielfache Verwertbarkeit eines solchen Sicherheitsbegriffs bereits einstellt, machte die von Trump blockierte Übernahme des Chipfabrikanten Qualcomm durch den Produzenten Broadcom deutlich. Der Chiphersteller hätte für etwa 140 Milliarden Dollar an den Rivalen übergehen sollen, die „feindliche Übernahme“ wurde aber als zu nachteilig für die heimische Branche empfunden. Die größte Übernahme in der Technologie-Industrie aller Zeiten wurde unterbunden – aus Gründen der nationalen Sicherheit.

Und schließlich verdichten sich die Vermutungen um die Instrumentalisierung des Gefahren- und Sicherheitsverständnisses, wenn Trump auch härter gegen den vermeintlichen Diebstahl geistigen Eigentums vorgehen will. Denn anschließend zogen die USA gegen China vor die WTO, das betraf besonders die Nutzung von Technologie. Zwar fußte die Begründung nicht eindeutig auf Sicherheitsbedenken, doch werden neben materiellen somit auch immaterielle Güter härter besteuert und damit einer spezifischen Freund-Feind- bzw. Meins-Deins-Logik dienstbar gemacht. Von „Vorsicht“ wird gesprochen, die angesichts der „Verletzungen“ walten muss – sicher ist sicher.

Es ist dies ein Register, das Trump nunmehr dazu dient, auch andere Entscheidungen zu rechtfertigen, sein Tweet vom 23. März informierte darüber, dass den Haushaltsbeschluss aus Gründen nationaler Sicherheit – i.S.v. security, nicht safety – unterzeichnet habe – und das, obwohl sie den Bau der Mauer nach Mexiko verhindert. Obwohl also der Mauerbau, wie am selben Tag angekündigt, sich als für die nationale Sicherheit als unerlässlich erwiesen haben würde, kann Trump noch in derselben Lexik verbleiben, um seine Agenda trotz 180° Wende zu legitimieren.

Denn unterschiedliche Verwendungsweisen von Termini, das machte bereits das Projekt der Begriffsgeschichte von Rainhardt Koselleck in den 1990ern deutlich, verändern auch nachhaltig das Verständnis von den Begriffen selber – an den unterschiedlichen Verständnissen lassen sich so historische Umbrüche ablesen –, und durch diese Begriffe werden solche Umbrüche allererst geschaffen.

Mit dem Sicherheits-Begriff hat Trump nun einen Terminus gefunden, der fest verankert ist in Dokumenten von Regierungsuntersuchungen; zugleich ist er noch so beweglich, dass Trump mit ihm hantieren kann und über dessen Verständnis er so verfügung kann. „Sicherheit“ ist das Einfallstor für Trumps Protektionismus – einen Protektionismus gerade nicht um der Sicherheit Willen.

Freund-Feind-Logiken

Für Carl Schmitt, das macht er bereits in den Eingangspassagen seiner Schrift zum Begriff des Politischen (1924/1932) klar, ist das Politische dem Staat immer schon vorgängig. Der Staat als Modell politischer Einheit erlaubt es dem Souverän dann, klare Unterscheidungen vorzunehmen, und zwar im Sinne systemischer Differenzierung, die in der Sphäre des Politischen auf eindeutige Zuschreibungen von Freund und Feind zulaufen. Dadurch sind ihm Staat und Souverän auch Garanten dafür, Krieg und Feindschaft völkerrechtlich zu begrenzen. Feindschaft wird nach außen gestiftet, der Frieden im Inneren gewahrt, der Krieg wird gehegt. Reißt man diese Grenzen nieder, so folgt eine „verwirrte Zwischensituation von Form und Unform, Krieg und Frieden“.

Verwirrungen dieser Art ließen sich auch an den europäischen Gegenreaktionen ablesen. So betonte die EU-Kommissarin Cecilia Malmström den Zugewinn an Sicherheit, die die USA eigentlich in der Zusammenarbeit mit Europa erfahren würde: „Als enger Sicherheits- und Handelspartner der USA muss die EU von den angekündigten Maßnahmen ausgenommen werden.“ Die Irritation, nicht von den Erhöhungen ausgenommen zu werden und damit kein „echter Freund“ der USA zu sein, war denkbar hoch: „Wir können nicht verstehen, wie die Europäische Union, Freunde und Verbündete in der Nato, eine Bedrohung für die nationale Sicherheit in den Vereinigten Staaten sein können“, so Malmström weiter,

Vielleicht der eigentliche Clou an den Überlegungen Schmidts: Das Politische als System der Differenzierung zwischen Freund und Feind kommt nur im Friedensfall zum Tragen. Die Abwesenheit von Krieg erschwert die Freund-Feind-Distinktion, und nur in diesem Zustand werden Politik und Sprache zum Instrument, um einerseits über Ein- bzw. Ausschlussmechanismen symbolische Zuordnungen zu treffen; andererseits wird – im bizarren Idealfall – genau solch ein Krieg provoziert, so zumindest suggeriert es Trumps Rhetorik: „Trade wars are good, and easy to win.“

Die Stigmatisierung eines gemeinsamen Feindbildes stiftet Gemeinschaft, das wusste schon Rene Girard über die Figur des Sündenbocks zu sagen. In Zeiten unsicher gewordener Zuschreibungen werden Grenzziehungsprozesse zum politischen Instrument von Einschluss und Ausschluss, um die symbolische Repräsentation des eigenen Landes nach innen zu gewährleisten. Damit ist er in der jüngsten Geschichte seines Landes nicht der erste, rief doch zuletzt Trumps republikanische Amtsvorgänger, George W. Bush, nach 9/11 noch zur Seitenwahl auf: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.“ Zu diesen Gegner der USA zählen scheinbar nun auch Deutschland, die EU, Kanada und weitere Staaten, die Konsequenzen sind kaum absehbar. Denn der politische Feind, so die traurige Pointe bei Schmitt, darf auch vernichtet werden.

Krieg um des Krieges Willen

Das erratische Verhalten der Präsidenten könnte als weiterer Schritt in diese Richtung gedeutet werden. Der personelle Kahlschlag im Weißen Haus ist erneutes Warnsignal an diejenigen, die glaubten, Trump beschwichtigen zu können. Und mit der Ernennung John Boltons hat er sich einen Kriegstreiber ins Kabinett geholt, der Willens ist, „jeden Krieg zu kämpfen“ – auch das eine Amtshandlung mit Signalwirkung.

Das alles macht überdeutlich, wie der Sicherheits-Begriff nunmehr ausgehöhlt worden ist und relevant ist nur noch in seiner Operationalisierbarkeit: „Sicherheit“ wird verwendet, um Kriege anzuzetteln; es geht dabei gerade nicht um die Exklusion tatsächlicher Gefahren, sondern um deren Beschwörung.

Dass er dafür gewillt ist, einen Krieg anzuzetteln, zeigt, welche Mittel ihm zur Machterhaltung recht ist.

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