Facebook will seit Neuestem wissen, wie es mir geht. Mir ganz persönlich, mit namentlicher Ansprache. Natürlich interessiert es Facebook null, ob bei mir „alles klar“ ist. Wie bei einem Aufguss in der Sauna sollen die Nutzer aus ihrer Lethargie geweckt werden und noch mehr Traffic produzieren: mehr Blutkörperchen für den Organismus des Netzwerkes, mehr Daten, mehr Gedanken und Gefühle. Der Koloss muss in Bewegung sein, um für Werbekunden interessant zu bleiben.
Vielleicht verfängt der neue Fragen-Fake bei manchen Mitgliedern. Vielleicht beginnen sie tatsächlich, Facebook noch mehr als bisher als virtuelles Tagebuch zu nutzen. Eine einsame Vorstellung: Alltag trifft auf Algorithmus, Person spricht mit Platine. Ein Blick auf die Bemerkungen im Netz und im Netzwerk lassen aber auf eine sehr gesunde Reaktion schließen: Man lacht und macht sich lustig. Es wird gemutmaßt, die Facebook-Entwickler hätten in der Weihnachtszeit zu viele Haschkekse genascht. Die Statuszeilen in den Facebook-Profilen – die Bühnen für diese Kommunikationskomödie – quellen über vor scherzhaften Befindlichkeitsbekundungen: „Alles Chiko, Fressebuch, danke der Nachfrage“ ist dort zu lesen oder „Ich fühle mich gut und du, Mister Zuckerbert?“.
Facebook ist eine öde Shopping-Mall ohne Esprit und Schönheit. Trotzdem trifft man sich dort jeden Tag, unterhält sich, blödelt herum – wie eine Vorstadtclique, die nicht weiß, wo sie sonst abhängen soll. Das seltene Erstaunen, das uns Facebook schenkt, hat nichts mit den ständigen Versuchen zu tun, sich noch tiefer in unsere Privatsphäre zu grapschen und so ein immer genaueres Konsumprofil von uns zu gewinnen; das ist die gemeinsame Geschäftsgrundlage. Was einen wirklich kopfschüttelnd zurücklässt, ist diese absolute, mit jeder Neuerung deutlicher zutage tretende Substanzlosigkeit. Warum überraschen uns die Macher nicht einmal mit Inhalt? Nur ein einziges Mal?
Der Fragenkatalog wäre dazu eine gute Gelegenheit. Das Künstler-Duo Fischli & Weiss hat mit einem Buch vor Jahren vorgemacht, wie inspirierend Fragen sein können: „Kennt mich mein Auto?“ oder „Was denkt mein Hund?“. Der US-amerikanische Schriftsteller Padgett Powell veröffentlichte 2009 einen ganzen Roman nur mit Fragezeichen. Was ihn unter anderem interessierte: „Wurden Sie je von einem Kaninchen gebissen?“ oder „Wer, würden Sie sagen, ist der beste linke Verteidiger aller Zeiten?“. Diese Fragen, Facebook, würde ich dir gerne beantworten.
P.S. Mir geht’s übrigens ganz gut, das Wetter könnte besser sein.
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