Generation Maybe mit Baby

Junge Mütter Muss man perspektivlos oder blöd sein, um mit zwanzig ein Kind zu bekommen? Oder einfach nur zuversichtlich? Wenn die Generation Vielleicht „ja“ sagt zu einem Kind

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Generation Maybe hat es nicht leicht: Es gibt so viele Optionen in dieser Welt für einen Menschen, der jung und ungebunden ist. Soll man studieren? Eine Ausbildung machen? Soll man um die Welt reisen? Und wie sieht‘s mit einer Familie aus? Vielleicht später mal darüber nachdenken. Vielleicht, vielleicht.

Gut, ich bin also Teil der Generation Maybe, ein Begriff übrigens, der uns viel besser beschreibt als „Generation Y“. Denn wir hinterfragen überhaupt nichts, und wir sind auch nicht auf der Suche nach Sinn. Wir kaschieren lediglich unser hilfloses Dahintreiben im Strom der Möglichkeiten als Sinnsuche. Auf die Art sieht es wenigstens gut aus auf Instagram.

Generation Maybe geht es so gut wie womöglich keiner Generation zuvor, aber das macht mich und meine Altersgenossen nicht glücklicher oder zufriedener. Der ganze Wohlstand und die allgemeine Leichtigkeit des Seins erzeugt eine Art Seifenblase, in der wir permanent durchs Leben treiben. Wir vermeiden es anzuecken, und festlegen wollen wir uns schon gar nicht. Wir sind nicht gerade die geborenen Führungsfiguren, vor allem, weil wir nicht wissen, was wir wirklich wollen. Kinder? Ja, nein, vielleicht.

Oder wie es eine meiner Freundinnen mal formulierte:

„Ich hätte total gerne ein Kind. Aber was, wenn ich es dann nicht mag? Ich kann’s ja nicht zurückgeben…“

Nein, man kann es eben nicht zurückgeben. Die gleiche Freundin bestellt gern bergeweise Klamotten bei Online-Versandhändlern und sendet sie dann wieder zurück. Nicht nur, weil das Geld fürs Kaufen fehlt (was sie auch vorher wusste). Es ist einfach zu schwierig, sich angesichts der vielen Optionen für die richtige Klamotte zu entscheiden.

Generation Maybe mit Baby

Ich habe mit Anfang 20 mein Kind bekommen. Statistisch gesehen gehöre ich zu einer ganz kleinen Gruppe von Frauen. Kaum eine junge Frau entschließt sich heute in Deutschland zum frühen Kinderkriegen, und die Ursachen sind keine Generationenfrage: Mit steigendem Bildungsgrad sinkt nicht nur die Zahl der Kinder, die eine Frau bekommt; mit dem Bildungsniveau steigt auch das Alter der Frau bei der Geburt ihres ersten Kindes. Und da immer mehr junge Frauen einen hohen Bildungsabschluss erwerben, liegt das Durchschnittsalter für Erstgebärende mittlerweile bei 29 Jahren. Tendenz eher steigend.

Nun kenne auch ich die „Teenager-Mutter“-Stereotypen, die liebevoll im Abendprogramm der Privatfernsehsender gepflegt werden: Junge überforderte Mütter, aus schwierigem Elternhaus und ohne Perspektiven, die sich und ihren hyperaktiven Nachwuchs einem empörten Publikum vorführen. Ich kann Sie in dieser Hinsicht beruhigen. Alles läuft ganz normal bei mir, ich habe studiert und einen Job. Und, naja, ich habe eben ein Kind.

Aber gerade weil die Klischees von jungen Müttern so übermächtig sind, erscheint die Tatsache, dass eine junge Akademikerin Kinder hat, so erschütternd für viele Menschen. Oder, wie es mein erster Chef formulierte:

„Wie kann ein so intelligenter Mensch wie du so etwas Dummes machen?“

Die meisten Menschen fragen nicht so direkt. Manchmal murmeln sie: „Das kann jedem mal passieren.“ Sie meinen einen Verhütungsunfall. Aber mein Kind ist kein Unfall. Mein Sohn ist eine bewusste Entscheidung.

Genau das geht vielen Menschen nicht in den Kopf, denn es scheint doch alles, einfach alles, gegen diese Entscheidung zu sprechen: Denn was hat man schon mit zwanzig? Kein Geld, keinen Abschluss, keine Karriere.

Nun, man muss die Dinge immer positiv sehen: Wer kein Auto hat, der muss sich den Kopf nicht über den sichersten Kindersitz zerbrechen. Wer keine Karriere hat, der muss sich um Vereinbarkeit nicht scheren, und wer kein Geld hat, der muss auch keine Einkommenseinbußen hinnehmen. So sinkt die Zufriedenheit auch nicht mit dem ersten Kind. Sie kann nur wachsen.

Aber im Ernst: Alle Einwände, die man so aufbringen könnte gegen junge Mutterschaft, basieren auf einem sehr bürgerlichen Lebensmodell mit Häuschen im Grünen und Vati-Mutti-Kind-Idylle. Davon träumt aber nicht jeder Mensch. Ich glaube einfach nicht an den Partner fürs Leben (lasse mich aber gerne vom Gegenteil überraschen), und auch nicht an Bausparverträge (obwohl, ich hab schon einen, ehrlich gesagt).

Heute gilt ein Kind als die Krönung eines Lebensentwurfes, etwas, das man „realisiert“ wie ein Projekt, nachdem alle anderen Projekte abgeschlossen sind, wobei die fiese Biologie mit der Realität der Ausbildungs- und Arbeitswelt kollidiert. Zumal es, wenn man wirklich Karriere machen will, ja keinen Punkt gibt, an dem man wieder damit aufhören möchte, erfolgreich zu sein.

Ach ja, und dann gibt es die Vorstellung, dass man sich erst einmal "austoben" und erwachsen werden müsse, wobei die Altersgrenze fürs Erwachsenwerden der Generation Maybe irgendwo bei 35 Jahren liegt.

Es mag nun radikal klingen: Aber wenn man weiß, dass man auf jeden Fall Kinder haben will, dann muss man das Kinderkriegen nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.

Und, ist man denn reif genug dafür mit zwanzig? Die Wahrheit ist: Eine bestimmte Form der Reife erreicht man erst, wenn man ein Kind bekommt: Wenn ein Kind wie ein Komet in die eigene Umlaufbahn gerät und man fortan aufhören muss, nur um sich selbst und seine eigenen Befindlichkeiten zu kreisen (was meine narzisstische Generation natürlich am liebsten tut). Niemand kann wissen, wie es sein wird, einen anderen Menschen bedingungslos zu lieben, bevor man dieses winzige Häufchen Leben zum ersten Mal in den Armen hält. Also, nein, man ist weder mit zwanzig noch mit vierzig reif genug dafür. Man reift einfach nach, wenn es so weit ist.

In bester Gesellschaft

Nun wäre meine persönliche Entscheidung für ein Kind mit Anfang 20 nicht der Rede wert, wenn ich ein Einzelfall wäre. Interessanterweise bin ich das aber nicht. Viele meiner Freundinnen bekommen jetzt, mit Mitte 20, kurz vor oder nach dem Abschluss ihres Studiums ein Kind.

Auch an der Uni sah ich ziemlich häufig junge Studentinnen mit großen Kugelbäuchen. Besonders interessant war einer meiner Sprachkurse, in dem die Hälfte der anwesenden Studentinnen schwanger war. Darunter eine Chemikerin, die gerade promovierte und ihr drittes Kind erwartete. All das macht noch lange keinen Trend aus, aber bemerkenswert ist es schon.

Denn es wäre ja schön, wenn die junge Generation von Akademikerinnen nicht allein deswegen auf Kinder verzichten müsste, weil sie Karriere machen will. Selbst in der Wissenschaft schließen Kind und Karriere sich schließlich nicht aus. Ich war überrascht zu lesen, dass eine meiner damaligen Professorinnen, Marina Münkler, bereits während ihres Magisterabschlusses in den 80ern ihr erstes Kind bekommen hatte. Und später dann mit zwei Kindern promovierte. Wenn es in den 80ern klappte, in einem ganz anderen gesellschaftlichen Klima, dann auch jetzt.

Damals, als ich schwanger war, träumte ich auch von einer Karriere in der Wissenschaft. Die Realität an der Universität - befristete Verträge und die ungewisse Aussicht auf eine Stelle -kurierten diesen Wunsch ziemlich rasch. Mir wurde klar, dass die Wissenschaft zunächst nicht die beste Option wäre, um ein Einkommen für mich und mein Kind zu erwirtschaften. Deswegen landete ich nach meinem Studium erst einmal in einer Unternehmensberatung.

In schlechter Gesellschaft

Wenn man als sehr junge Mutter in den Straßen der Stadt unterwegs ist, zieht man Aufmerksamkeit auf sich wie ein bunter Hund.

Einmal rief mir ein offensichtlich betrunkener, älterer Mann beim Einsteigen in die Bahn zu: „Kinder kriegen Kinder!“ Dann rülpste er empört. Als ich ausstieg, kam ein anderer Herr auf mich zu. „Ich finde es ganz toll, mal eine junge Mutter zu sehen, nicht immer nur diese uralten Mütter“, sagte er beschwingt und legte seine Hand fürsorglich auf meine Hand am Kinderwagen.

Auf dem Nachhauseweg ärgerte ich mich. Über beide Reaktionen. Weil sie zu einer Gesellschaft passen, die viel über Wahlfreiheit diskutiert, letztlich aber jeden weiblichen Lebensentwurf kommentiert und kritisiert. Und glaubt, ein Recht darauf zu haben. Denn es ist ja egal, ob man Kinder hat oder nicht, ob man alt oder jung ist dabei, Karriere macht oder Hausfrau ist: Ganz recht machen kann man es niemandem.

Das macht es der Generation Maybe nicht gerade leichter! Die Gesellschaft von vor zwanzig Jahren hatte immerhin ein klares Konzept von dem, „was geht“ und was nicht. Da konnte man mit dem Strom schwimmen oder dagegen ankämpfen. Aber man wusste immerhin, wogegen man sich auflehnen musste.

Aber nun stellt sich die Frage, was eigentlich die hipste Pose ist: Anpassung oder Auflehnung? Ganz schön stressig ist das! Also schnell ein Craft Beer zum Abkühlen trinken. Vielleicht war es gut, dass ich so jung war, als ich meine Entscheidung getroffen habe. Vielleicht kümmert man sich mit zwanzig weniger um normative Vorstellungen der Gesellschaft. Vielleicht macht man sich die Welt, wie sie einem gefällt.

Oder vielleicht war es auch ganz anders? Es wäre ja geradezu ein Treppenwitz, wenn die jungen Frauen, die Kinder bekommen, nicht länger perspektivlos wären, sondern diejenigen mit der klarsten Perspektive. Jene, die wissen, was sie wollen. Ja, nein, vielleicht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Marlen Hobrack

Was ich werden will, wenn ich groß bin: Hunter S. Thompson

Marlen Hobrack

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