Wie wurde die biologische Vorherrschaft der Frau in eine kulturelle Vorherrschaft des Mannes umgewandelt? Wie wurde aus der Welt, in der die Frauen den Schlüssel zur Fortpflanzung in der Hand hielten, eine Welt der Männer? Das fragt die Biologin Meike Stoverock in ihrem Buch Female Choice (siehe auch der Freitag 9/2021).
Stoverock greift eine Frage auf, die Feministinnen seit Jahrzehnten wurmt: warum die männliche Vorherrschaft, die patriarchale Struktur ubiquitär und universell ist. Sie zeigt, dass es die Abkehr von biologischen Wahlmechanismen ist, die die männliche Vorherrschaft erzeugt. Stoverock erläutert zunächst den biologischen Ausgangspunkt, jenes fundamentale Prinzip der Fortpflanzung, das sich quer durch das Reich der Wirbeltiere beobachten lässt: „Female Choice“. Das Weibchen trifft die Wahl; das Männchen muss sich um die Gunst des Weibchens bewerben. Durch schönen Gesang und auffällig buntes Gefieder. Durch Geschenke oder eine eindrucksvolle Statur. Oder im Kampf gegen Konkurrenten.
Die Ursache des Female-Choice-Prinzips ist einfach: Das Weibchen trägt die Kosten der Fortpflanzung, es muss die Energie für das Austragen der Jungtiere aufbringen. Zugleich produziert es wenige Eizellen, während die Samenzellen in rauen Mengen vorliegen. Für die Männchen hat das Prinzip einen fundamentalen Nachteil: Die meisten kommen nie „zum Zug“.
Stoverock fragt nun, warum in der Menschenwelt die Macht den Männern gehört, obwohl doch die Frauen – biologisch betrachtet – den Schlüssel zur Beherrschung der Männer in der Hand halten. Sie erklärt es so: Beim Übergang vom Nomadendasein zur Sesshaftigkeit entstand aus dem Female-Choice-Prinzip ein gewaltiges Problem: Die Masse der Männer der Gemeinschaft hatte keinen Sex. Während Nomaden den Großteil ihrer Energie auf den Überlebenskampf verwendeten, hatten die sesshaften Menschen viel Freizeit. Was aber passiert mit einer Gesellschaft, in der 95 Prozent der Männer keinen Sex, dafür aber viel Zeit haben? Man darf annehmen, dass viel Aggression herrscht. Ein ungünstiger Zustand für eine Gemeinschaft.
Heirat besiegelt Patriarchat
Mit der Sesshaftigkeit kommt der Besitz. Dieser verschärft die Konkurrenz unter den Männern. Der kulturelle Alphamann entsteht: Er muss nicht der Stärkste sein, es genügt, wenn er viel besitzt. Obendrein wurde der Besitz und die damit verbundene Macht vererbt und damit die Macht von einer Männergeneration zur nächsten, während Frauen – und die meisten Männer – außen vor blieben. Frauen wurden nun zu Ressourcen, die – wenn nötig – mit Mitteln der Gewalt geraubt werden.
„Die Männer müssen endlich ungehinderten Zugang zur weiblichen Sexualität bekommen, um eine blühende Zivilisation zu erschaffen. Zeitgleich mit den bisherigen Entwicklungen beginnt sich daher eine neue Form des Zusammenlebens zu etablieren: die monogyne Ehe.“ Frauen müssen dazu gebracht werden, Partner zu wählen, die sie „natürlicherweise“ nicht wählen würden. Man entzieht ihnen die Kontrolle über die Partnerwahl, bindet sie fest an einen Partner. „Die Monogynie macht aus der statistischen Verfügbarkeit von einer Frau für jeden Mann annähernd eine tatsächliche.“ Es ist eine patriarchale Kultur, in der Frauen weder Besitz noch individuelle Rechte zugesprochen werden. Die Heirat ist die kulturelle Instanz, die die biologische Machtverteilung aushebelt.
Die Autorin weiß, dass sie sich in Fragen der Biologie der Geschlechter auf ein Minenfeld begibt. „Je nachdem, welchen Positionen Sie zuneigen, werden Sie in mir sowohl eine Feminazi als auch eine antifeministische Nestbeschmutzerin sehen.“ Allein die Behandlung der Zweigeschlechtlichkeit, die zeigt, dass das biologische Geschlecht kein „Konstrukt“ ist, dürfte Abwehrreflexe erzeugen. Aber der Mensch ist und bleibt das Produkt der Evolution, in der sich die (zwei)geschlechtliche Fortpflanzung als gutes Mittel zur genetischen Selektion erwiesen hat. Was Inter- und Transsexualität aber nicht ausschließt! Stoverock macht sehr deutlich, dass nichts an Trans- oder Intersexualität „unnatürlich“ ist.
Natürlich gibt es für Feministinnen ein weiteres Problem mit dem Text: Stoverock leitet Verhalten von der Biologie ab und zeigt, dass Verhaltensmuster eben nicht nur kulturell bedingt sind. Hier dürfte sich viel feministischer Widerspruch regen. Stoverock ist aber keine weibliche Jordan Peterson (Peterson erklärt das Streben nach männlicher Dominanz mit dem Verhalten von Hummern und gilt als einer der wichtigsten Vertreter einer „wissenschaftlichen“ Begründung für männliche Suprematie). Stoverock stellt klar: „Wir sollten (…) den Sachverhalt von seinem Missbrauch durch eine von Männern gestaltete Zivilisation trennen.“ Die Biologin verdeutlicht, dass das bloße Vorhandensein biologischer Unterschiede und die kulturellen Nachteile von Frauen, die hieraus konstruiert werden, zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe sind. Sie hat ein Buch geschrieben, das leichtfüßig und verständlich biologische Zusammenhänge erläutert, das sicher auch spekulativ ist, aber immerhin einen nachvollziehbaren Erklärungsansatz für den Status quo liefert. An dem man aber durchaus kritisieren mag, dass Frauen passive Opfer der Männerverschwörung sind. Female Choice könnte im besten Fall zu feministischen Debatten anregen. Im Grunde skizziert Stoverock eine Art Urszene wie in Sigmund Freuds Totem und Tabu. Nur verschwören sich hier nicht die Söhne gegen den Vater, sondern die Männer gegen die Frauen.
Info
Female Choice: Vom Anfang und Ende der männlichen Zivilisation Meike Stoverock Tropen 2021, 352 S., 22 €
Kommentare 21
Getretener Quark wird breit, nicht stark.
Aus dem Text : Allein die Behandlung der Zweigeschlechtlichkeit, die zeigt, dass das biologische Geschlecht kein „Konstrukt“ ist, dürfte Abwehrreflexe erzeugen.
Ich beobachte die Entwicklung seit Monaten mit Sorge, denn es wird nicht entwickelt und gestaltet - sondern es soll komplett alles umgekehrt werden. Was eigentlich nicht funktionieren kann. (Vielleicht ist alles aber nur ein "Trend" bei dem es nicht um Inhalte geht sondern um Selbstdarstellung),
Es fällt mir nämlich auf, alles wird einseitig betrachtet, Mann ist eigentlich Frau und wandelt sich ... Doch was wäre (und darüber findet man kaum Aussagen), was ist wenn Frau sich in Mann wandeln möchte ? Was wäre/ ist wenn auch bei künstlicher Befruchtung "Buben" geboren werden ?
Jedenfalls ist der Ansatz den Female Choice aufbereitet interessant und wohlauch ein richtiger Schritt. Wobei wir vor der Zeit der "Influencenden" und "vordenkenden Bescheidwisser*innen" schon weiter waren ... Joan Baez als "klitzekleines Beispiel".
Da gibt‘s eine Gazellenart in Afrika, die pflanzt sich auf bemerkenswerte Art und Weise fort. Wie sie heisst, habe ich leider vergessen. Sie kennt nur zwei soziale Organisationsformen: Hier ein einzelner Bock mit vielen Weibchen. Und dort nur Böcke, die in kleineren Herden durch die Steppe ziehen. Wenn die Weibchen fruchtbar sind, nähern sich die wilden Böcke und schicken listig einen oder zwei Artgenossen vor, um den einen Bock von „seinen“ Weibchen wegzulocken. Das gelingt meistens. Sobald er weg ist, machen sie sich sofort auf den Weg zu den vielen Weibchen. Daraufhin geht’s schnell zur Sache, ohne Balz. Dann ziehen die wilden Böcke wieder ab. Der eine Bock wiederum kehrt nach einer Weile zurück im festen Glauben, er hätte seine Weibchen vor dem Schlimmsten bewahrt. Und die Herde der wilden Böcke geht weiter ihrer Wege. Beizeiten kommt eine fröhliche Schar von Jungtieren auf die Welt- sehr zum Stolz des einen Bocks natürlich. In Italien gibt‘s dafür ein Wort: Cornuto.
Die Rezension ist nicht zu beanstanden. Großes Unverständnis herrscht bei mir allerdings bezüglich dem Umfeld – also Buch, vertretene Positionen und schließlich die (netzfeministisch-queer-seitig?) vorgenommene Einsortierung der Autorin.
Zu 1: Der Biologismus (und mit ihm das sozialdarwinistische Auswahlprinzip), dem Meike Stoverock das Wort redet, erfährt meinen Dafürhalten nach zu Recht geharnischte Kritik. Darüber hinaus widerspricht die These, dass alle Männer unterhalb des Levels »Alpha« partnerinlos (und letztendlich, so jedenfalls Stoverock, »sexlos«) bleiben, jeder beobachtbaren Realität; ich bezweifele stark, dass das im Mittelalter, der Antike oder auch in der Steinzeit anders war.
Zu 2: Einerseits kann ich die Aufregung (und auch Etikette wie »Feminazi«) gut verstehen – wer derart das »survival of the fittest« propagiert, muß sich auch entsprechend etikettieren lassen. Nicht ganz nachvollziehen kann ich, wieso sich gerade das Milieu aufregt, dass sich eben aufregt. Sicher – einerseits sind die künstlichen Etiketten, die Queer & Co. etabliert haben, Lichtjahre weg von dem straighten Biologismus, den Stoverock in ihrem Buch vorträgt. Andererseits fällt sicher nicht nur mir das gemeinsame Angriffziel ins Auge: die im Interesse neoliberaler Verhältnisse vorgenommene Unterminierung der Geschlechterbeziehungen.
Fazit so – jedenfalls zu den obligatorischen Shitstürmen, die da anscheinend durchs Netz fegen: Kann es sein, dass nur die eine Hand nicht weiß, was die andere macht?
Wenn ich bloß wüsste, warum es so dringend ist, eine ganz eindimensionale oder eindeutige Erklärung für diese so komplexen und Jahrtausende andauernden Entwicklungen anzubieten.
Ich beobachte das jetzt seit Jahrzehnten und kann die Theorien gar nicht mehr alle zählen. Und immer – je nach gerade vorherrschendem gesellschaftlichen Klima – wird mal die biologisch/biologistische Orgel gespielt und mal die soziale. Die Menschen sind nun mal beides. Biologische und soziale Wesen.
Im Moment sind die Naturwissenschaften vorn dran, während die Sozial- und Gesellschaftswissenschaften – einschließlich der Genderforschung – hinten dran stehen. Es kann ja auch sein, dass eine Wissenschaftlerin da die Gunst der Stunde nutzt. Ich schwöre, das ändert sich wieder, dann kommt die nächste Theorie. Aber, sie hat erstmal eine Debatte entzündet. Ist ja auch interessant.
Dass die Menschen mit dem Aufkommen der Landwirtschaft und der Sesshaftigkeit weniger zu tun hatten, weiß ich gar nicht.
Der entscheidende Punkt an der Theorie ist doch, dass es in der uns nahe stehenden Tierwelt ganz vom Weibchen abhängt, welches Männchen zum Zuge kommt weil weibliche Individuen in jeder Hinsicht mindestens genauso lebenstüchtig sind wie männliche. Wirtschaftliche Abhängigkeit dreht dieses Machtverhältnis um. In einer arbeitsteiligen Gesellschaft mit männlichem Eigentum an Produktionsmitteln, männlichen Erbfolgen und männlichem Besitz an Immobilien dreht sich unter vielem anderem auch die sexuelle Autonomie. Alleinerziehende Frauen ohne Kapital stehen ja nun mal für die totale Machtlosigkeit in reichen Gesellschaften. Es ist eine Binsenwahrheit, dass wirtschaftliche Unabhängigkeit Frauen Macht und die damit verbundene Autonomie verleihen kann. Ist halt schwierig unter diesen Umständen, aber klappt zuverlässiger als die Selbstbefreiung durch dümmliches Herumgendern.
Meine volle Zustimmung, lieber Richard!
"oder doch Vordenkerin?" Träum weiter, Marlen Hobrack! Wenn wir hier von Vordenkern reden, dann ist zumal Friedrich Engels zu würdigen. Der dachte die Entwicklung nämlich bereits 1884 vor, indem er eine umfangreiche Schrift veröffentlichte mit dem Titel "Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats".
Was er als "Vordenker" dem biologistischen Unsinn von Meike Stoverock seit weit über hundert Jahren voraus hat - wobei unklar ist, was von dem beschriebenen Unsinn hier ggf. dem unbeholfenen Schreibstil Marlen Hobracks geschuldet ist ("... während Frauen – und die meisten Männer – außen vor blieben.") - was also Engels diesem Unsinn voraus hat, ist die strenge Entwicklung der Menschheit als gesellschaftliche. M.a.W. die biologische Evolution wird abgelöst durch die Geschichte. Auch von Paläantologen werden Knochenfossilien nur als menschliche anerkannt, sofern eindeutig von Menschenhand gefertigte Werkzeuge dabeiliegen.
"Stoverock leitet Verhalten von der Biologie ab und zeigt, dass Verhaltensmuster eben nicht nur kulturell bedingt sind." Von der Biologie kann man insofern überhaupt kein menschliches Verhalten ableiten.
Dass das Patriarchat erst mit der Sesshaftwerdung sich herausbildet, weil die Nomaden keine Zeit dazu hatte, ist ja mehr als hanebüchen, kommt der Begriff doch von den alten Patriarchen aus der Bibel. Abraham, Isaak und Jakob waren viehzüchtende Nomaden, was denn sonst?
Insgesamt stellt sich also die Frage, weshalb so ein Mist im Freitag überhaupt der Veröffentlichung wür würdig befunden wird.
Ja, ja, und bei den Fröschen ist es noch anders, aber was hat das mit dem Patriarchat zu tun?
Zu 1.: Stoverock ist Biologin. Gemessen daran, was für ein Dummfug in der Regel aus der gender-/identitären Ecke zum Thema Geschlecht zu lesen ist, haben wir hier jemanden, der wenigstens begründet sagen kann, es gibt biologische Geschlechter und diese sind nicht konstruiert. Eigentlich müsste über dieses Wissen jeder mit vollendetem Biologie-Unterricht 8. Klasse verfügen, aber gut, kannst du heute nicht mehr erwarten. Also, gut, wenn auch mal jemand dabei ist, der weiß, wovon er redet.
Oben ist auch nicht die Rede davon, dass die Mehrzahl der Männer partnerinlos bliebe, sondern Hobrack referiert Stoverock so, dass die Mehrzahl der männlichen Wirbeltiere “nicht zum Zug“ komme; d.h., kein Weibchen zum Zeugen von Nachkommen abbekomme. Hier liegt ja gerade der Witz des Buches: Die Übergangs- und Bruchlinien zwischen Biologie und Kultur und gerade die Aufhebung des darwinistischen Auswahlprinzips im menschlichen Miteinander. Steht klar im Text. Dass Stoverock einem “Biologismus das Wort rede“ ja hingegen gerade nicht.
“Abraham, Isaak und Jakob waren viehzüchtende Nomaden, was denn sonst?“
Entscheidend ist hier, wann das aufgezeichnet wurde. Oder meinen Sie, wir haben mit dem AT die Tagebücher Abrahams? Wenn Sie auf Gemälden aus der Barockzeit biblische Szenen sehen, halten Sie die Gewandung und Gebäude auch für authentisch?
Der erste, der ein Schreibgerät an eines der Bücher setzte, gehörte mit Sicherheit längst zu einer sesshaften Kultur.
»Oben ist auch nicht die Rede davon, dass die Mehrzahl der Männer partnerinlos bliebe, sondern Hobrack referiert Stoverock so, dass die Mehrzahl der männlichen Wirbeltiere ›nicht zum Zug‹ komme (…)«
Leider – habe ich Recht; siehe auch Stoverock im O-Ton hier und hier.
Es ist aber auch nicht der Punkt, dass sie das nicht sagen dürfe. Bekanntlich ist der Buchmarkt für alles gut, was Kasse bringt, und steil genug für die nötige Aufmerksamkeit sind ihre Thesen ja auch.
Persönlicher Punkt bei mir ist schlicht, dass man sich mit dem Sich-Befassen mit derlei unweigerlich in Dimensionen ziemlich übler Laune beamt. Ich gehe hier noch soweit mit, als dass ich die Frage stelle: Was (an politisch Sinnvollem, Zukunft-Zugewandten) soll derlei bringen? Außer hyper-verschärften Neoliberalismus sehe ich da weit und breit nichts. Umgekehrt konstatiere ich allerdings, dass die Lady mit gerütteltem Unsinn (der – bitte die verbreiteten Relationen, und zwar ALLE, mal am Modell durchspielen – schon rein mathematisch nirgends hinkommen kann) den Markt abräumt und simple Fragen nach der Mathematik für die durchschnittliche Zielpublikumschaft (die derlei eben GLAUBEN will) offensichtlich zu hoch, zu unerwünscht oder beides sind.
Ich kann damit leben. Ich könnte es allenfalls dann nicht (oder jedenfalls: nur auf Kosten von guter Laune), wenn ich mich mit dem Unsinn näher beschäftigen würde. Immerhin habe ich so die zusätzliche Erkenntnis, dass der Neoliberalismus ALLES auf den Markt wirft, was die Leute nur genügend gegeneinander aufbringt. Dass das wirkt und bestens kompatibel ist mit der speziell in D stark ausgeprägten Autoritätshörigkeit, zeigt bereits die biologistische Terminologie, auf die in der Diskussion ja auch beflissen genug eingestiegen wird.
Auf das alles wird sich das Wirbeltier Zietz gleich mal eine Folge Daktari zu Gemüte führen.
»Dass das Patriarchat erst mit der Sesshaftwerdung sich herausbildet, weil die Nomaden keine Zeit dazu hatte, ist ja mehr als hanebüchen(…)«
Es steht auch wissenschaftlich diametral sämtlichen Erkenntnissen aus der Frühgeschichte entgegen. Denenzufolge die neolithische Revolution eben NICHT Arbeitserleichterungen oder mehr Freizeit zur Folge hatte. Ursächlicher Grund war vielmehr der Bevölkerungsanstieg – der unter anderem zur Folge hatte, dass die Nutzung der bisherigen Jagdreviere und die darauf gegründete Existenzform nicht mehr so lukrativ war.
Aber zugegeben – einfache Ökonomie und Produktivkräfte wären etwas zu einfach. Mehr »Freizeit« passt halt gut ins Bild des patriarchalischen Mannes – respektive zu der Buch-Keule, mit der man als moderne Autorin auszieht, um Mammuts zu jagen ;-).
"Leider – habe ich Recht; siehe auch Stoverock im O-Ton hier und hier."
Wir haben ja beide das Buch (noch) nicht gelesen (oder?). Okay, die verlinkten Interviews fügen den Infos Hobracks noch einiges hinzu. Ich denke, Stoverock nutzt die "female choice" als eine Argumentationsfigur zur Überwindung des "patriarchalischen System". Offenbar nimmt sie aber keine kulturelle Differenzierung vor und unterstellt damit gewissermaßen auch für unsere Gesellschaft einen Zustand, der das Biedermeier oder vielleicht auch die 50er Jahre noch nicht überwunden hat. Dass sie mit der impliziten Forderung nach einem Zurück-zu-einem-natürlichen-Urzustand nah an eugenischen oder rein darwinistischen Vorstellungen schrammt, ist natürlich heikel und auch etwas platt. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass sie hier direkt so verstanden werden will. Die gezeichnete Geschichte der Entwicklung des Patriarchats halte ich jedoch für hochinteressant; für ein endgültiges Bild müsste man sie freilich lesen. Was die Ableitungen für die Gegenwart, zumal die unsere hier oder in der westlichen Welt, angeht, bin ich auch sehr skeptisch und denke eher, dass Stoverock hier längst geöffnete Türen einrennt. Dass viele Frauen unglücklich in ihrer Partnerschaft sind, sich bereits bei der Partnerwahl verrannt haben und auch keinen Neuanfang mehr wagen, hat wohl so ziemlich nichts mit einer fehlenden "female choice" zu tun.
Mich wundert, dass Stoverock behauptet, die Menschen hätten nach der Sesshaftwerdung mehr Freizeit gehabt als zur Nomadenzeit! Die neuere Erkenntnis ist doch, dass mit der Sesshaftwerdung der Stress schlimmer wurde, weil sich immer kompliziertere Arbeitsprozesse, Landwirschaft, Lagerhaltung, Hausbau etc. entwickelten.
Das war lediglich eine Anekdote. Diese ganzen Diskussionen um Macht, Vormacht und Ohnmacht, Männlein oben, Weiblein oben, beide oben oder nicht, wirken langsam nur noch bemühend. Das Patriarchat wurde hierzulande glücklicherweise fast ganz abgeschafft. Es wird fröhlich weiter kopuliert. Auch Beta-Männchen finden eine Partnerin. Gammas ebenfalls. Man blickt in den Alltag und stellt fest: Die Geschlechter haben immer noch Freude aneinander, wie eh und je. Und pflanzen sich fort, usw. Oder um es in andere Worte zu kleiden: Es ist egal, ob die Katze schwarz oder weiss ist, Hauptsache sie fängt Mäuse. Dieser ganze „alles Private ist politisch“-Scheiss verfängt bei der breiten Masse langsam nicht mehr. Wir werden uns als Spezies weiterhin fortpflanzen, da ändert keine Theorie der Welt etwas daran. Wenn Sie Engels mit ins Bett nehmen wollen, ok: Why not? Aber es gibt Menschen, die lieber ein geiles Sextoy mitnehmen.
Stimmt, weil Abraham aus Ur (Irak) stammt und als Wiege der Kultur gilt. Die Schrift, der Pflug und das Rad wurde dort erfunden. Sowie die Massenfertigung wie auch Umweltzerstörung sind bereits in der Literatur (Keilschrift Tontafeln) erwähnt.
Seinerzeit vor ungefähr 4500 Jahren gab es eine Stadtgöttin (Inanna) und es herrschte noch Matriarchat. Aber hier sind bereits erste Städte mit 50 000 Einwohner entstanden und bald darauf (Gilgamesh Epos) sind patriarchale Strukturen entstanden.
Alle 2000 Jahre soll es ja eine Zeitenwende geben, unsere (seit den Römern) geht ja zu Ende. Wenn mehr Frauen das Sagen haben, kann das nur gut sein.
»Wir haben (…)«
Ich brauche nicht jeden inhumanen Text bis zum Ende durchzulesen – zumal Frau Hobrack, der Buch-Klappentext und auch der bei amazon üppig konsultierbare Inhalt keinen Zweifel bezüglich der verbreiteten Theorien lassen. Bereits die basalen Ausgangsvoraussetzungen sind, wie einige hier bereits geschrieben haben, nachweislich falsch. Zudem entbehrt der zentrale Klippschuh-Schluss – bis etwa Jungsteinzeit: Femal Choice, Jungsteinzeit bis jetzt: Unterdrückung derselben; ab jetzt: dank dem Feminismus wieder Female Choice – jeder empirischen Grundlage. Woher will die Autorin WISSEN, was sich vor der Ackerbau-Revolution unter den Bärenfell-Decken abgespielt hat? Kurzum: Ich halte die ganze Chose für einen Bluff – vorgetragen unter dem Schutz des Doktortitels. Zumal ja auch das Werk weitgehend ohne Belege auskommt und zwischen den Erdzeitaltern frei flottiert, wie es der Autorin und ihren steilen Thesen gerade in den Kram passt.
Das durchweg auf Grundschul-Niveau befindliche biologistische Werk enthält jedoch EINEN WEITEREN grundlegenden Denkfehler: bei FRAUEN hat das Fehlen von Alpha-Eigenschaften angeblich weder negative Auswirkungen noch auch nur Auswahl-Beschränkungen. Logisch durchdacht müsste jedoch auch hier die von ihr konstatierte 80/20-Regel zum Tragen kommen – womit wir bei der wenig spektakulären Einsicht angelangt wären, dass vermutlich bereits in ferner Vor-Vergangenheit am Ende halt eben DOCH (fast) jeder Topf den passenden Deckel gefunden hat. Dasselbe gälte dann eben auch für die Gegenwart sowie das von ihr entworfene Zukunfts-Szenario. Was, wenn es denn so käme, in der Praxis hieße: Von den 80/20-Wahlmöglichkeiten würden keineswegs ALLE Frauen profitieren, sondern vor allem jene, deren Eigenschaften/Gene sie als »Alpha-Frauen« ausweisen.
Unabhängig von dem kruden Sozialdarwinismus, den Stoverock als leuchtenden feministischen Pfad hinpinselt, wäre die Menschheit (zumindest partnerwahltechnisch) exakt an dem Punkt, an dem sie heute bereits steht – Deckel und Topf. Über die im verlinkten YT-Interview (und sicher auch im Buch) propagierten »Auswege« für den genetisch überflüssigen Teil der Männerwelt will ich mich an der Stelle nicht weiter äußern. Bezeichnend hier finde ich allenfalls, dass derart krasser Biologismus auch im linksliberalen Milieu problemlos zu goutiert werden scheint – während umgekehrt alle Welt sich über jemand wie Lisa Eckhardt aufregt. Schizophren? Meines Erachtens – ja.
Ach, Sie haben ja so recht!
Danke. Die Theorien über Männlein und Weiblein lassen sich ja langsam kreuzstapeln. Zudem wohnt diesen Debatten zunehmend ein neurotischer Geist inne. Es drängt sich einem der Verdacht der Sublimierung auf...
"Von den 80/20-Wahlmöglichkeiten würden keineswegs ALLE Frauen profitieren, sondern vor allem jene, deren Eigenschaften/Gene sie als »Alpha-Frauen« ausweisen."
Naja, man braucht ja auch noch unterprivilegierte Frauen, die bereit sind, sich zu prostituieren, um die nicht zum Zuge gekommenen 80% der Männer ruhig zu halten. Das wäre dann wohl die den »Beta-Frauen« (oder zumindest Teilen davon) zugedachte gesellschaftliche Funktion.
Für mich ist die intensive Diskussion dieses Werks gerade in linken Medien der Beweis dafür, dass die herrschende Mode der (sprachlichen) Überkorrektheit und permanenten moralischen Empörung völlig wertlos ist. Zutiefst biologistische/sozialdarwinistische Werke scheinen völlig in Ordnung zu sein, solange sie unter den "richtigen" Vorzeichen geschrieben werden.
Schreiben und kaufen kann man so was natürlich, warum auch nicht. Es herrscht Meinungsfreiheit. Allerdings sollten Menschen, die so was gut finden, konsequenterweise ihr Gefühl moralischer Überlegenheit aufgeben.
“NEVER ARGUE WITH STUPID PEOPLE. THEY WILL DRAG YOU DOWN TO THEIR LEVEL" (Mark Twain)