Das 49-Euro-Deutschlandticket – ein Bürokratiemonster

Bahn, Verkehr, €49-Ticket Umständlicher und komplizierter geht es nicht. Die Idee, dieses Verkehrsinstrument so unattraktiv zu machen, ist nicht abwegig.

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Der große Vorteil des 9-Euro-Tickets im Sommer 2022 war nicht nur der sehr niedrige Preis sondern auch die einfache, unkomplizierte Beschafftung. An jedem Fahrkartenautomaten der Republik konnte ich eine bundesweit gültige Monatskarte für den Nahverkehr zum Preis von € 9,00 kaufen und bekam sie sofort ausgedruckt.

Das war den Spezialisten*innen im FDP-Verkehrsministerium wahrscheinlich zu einfach. Es wurde ein Verfahren entwickelt, das nicht umständlicher und komplizierter gemacht werden konnte.

In keinem Fernseh- oder Radiobericht und in keiner „Deutschlandticket“-Werbung wird erwähnt, dass für das Deutschlandticket ein Abonement bestellt werden muss. In Broschüren steht im Sehr-Kleingedruckten, dass die Bestellung bis zum 10. des Vormonats erfolgen muss.

Am 22. April bin ich in einer Frankfurter Verkaufstelle des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) und möchte ein Deutschlandticket für Mai kaufen. Nein, das ist zu spät. Die Bestellung muss digital bis zum 10. des Vormonats erfolgen. Bevorzugt soll die Bestellung über eine entsprechende App erfolgen, damit die Angestellten der Verkaufsstellen möglichst wenig Arbeit damit haben und ihre Stellen eher eingespart werden können. Ich bekomme ein Antragsformular in die Hand gedrückt.

Ja, was machen Leute, die kein mobiles Internet mit Apps haben, die damit nicht umgehen können oder die das aus Kostengründen nicht wollen?

Die haben Pech.

Das Verfahren scheint ja absichtlich so umständlich und kompliziert zu sein, dass möglichst viele potentielle Kunden*innen davon abgeschreckt werden sollen.

Ja, das hören wir oft. Aber diese mögliche Absicht können wir weder bestätigen noch dementieren.

Am 29. April

gebe ich rechtzeitig das Antragsformular in der RMV-Verkaufsstelle ab und erhalte nach einer Diskussion von mehreren Minuten eine Eingangsbestätigung.
Die Bestellung wird an das Unternehmen TRANSDEV Service GmbH im Mecklenburg-Vorpommerschen Neubrandenburg weitergeleitet.
Ältere Menschen, technisch weniger affine Menschen, Menschen mit Behinderung werden hier benachteiligt. Menschen, die für wenige Wochen oder Monate zu Besuch nach Deutschland kommen, werden ausgeschlossen und benachteiligt.

Zwischenzeitlich befrage ich den Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) über Abgeordnetenwatch.de, wer hauptverantwortlich für dieses Verfahren ist und warum. Der Herr Verkehrsminister hat eine Antwortquote von mageren 30% und auch meine Frage bleibt unbeantwortet.

3. Mai: meine erste Fahrt während der Gültigkeit des Deutschlandtickets

An drei Tagen in der Woche arbeite ich zu Hause und an zwei Tagen muss ich in den Betrieb. Die Monatskarte zum Preis von fast € 200,00 lohnt sich überhaupt nicht und die Tageskarte koste € 19,00. Danke, Verkehrsministerium, so habe ich noch einen Monat lang erhebliche Mehrkosten. Die Fahrkartenkontrolle am Morgen ist spannend. Entweder funktioniert das WLAN im Zug nicht oder die APP funktioniert nicht. Die Deutschlandtickets auf den Mobiltelefonen können nicht gelesen werden. Glückwunsch. Ein Teil der Fahrgäste hat Kunden*innen-Karten und auch diese sind teilweise nicht lesbar. Die Kontrolleurin ist überfragt und weiß nicht, was sie machen soll. Es ist nichts geregelt. Also nimmt sie in gutem Glauben an, dass die Fahrkarten ordnungsgemäß sind.
Bundesweit werden Probleme bei digitalen Deutschlandtickets in der Depp-APP und bei Kunden*innen-Karten gemeldet.

Probleme: Zu wenig Chipkarten

Es gibt einen Mangel an Chipkarten. Um den Bedarf zu decken müssen erst neue Chipkarten hergestellt werden.

9. Mai

Ich erhalte eine E-Mail – vermutlich von einem Chat-Roboter:

„Sehr geehrter Herr Betzwieser, mit dem Kauf Ihrer Fahrkarte (Deutschlandticket) (Mandatsreferenz TRI TRA TULLALLA) haben Sie sich für die Bezahlung per SEPA-Lastschriftverfahren entschieden. Mit Ihrer SEPA-Mandatserteilung sind wir verpflichtet, Ihnen die Beträge, welche von Ihrem Bankkonto abgebucht werden sollen, im Vorfeld anzukündigen.“

Nein, das ist nicht korrekt. Ich entschied mich nicht für die Bezahlung per SEPA-Lastschriftverfahren. Ich wurde mangels Option dazu gezwungen. Eine unkompliziertere, einfachere und schnellere Möglichkeit der Bezahlung an einem Fahrkartenautomaten oder in einer Verkaufsstelle wäre mir lieber gewesen.
Im Büro mache ich mir mehrere Ausdrucke meines Bestellformulars und dieser E-Mail für den Fall, dass die Deutschlandticket-Karte nicht rechtzeitig da ist.

22. Mai: Das Deutschlandticket ist tatsächlich da.

Den Begleitbrief werde ich vorsichtshalber ebenfalls dabei haben, falls es Leseprobleme gibt oder bei den Kontrollgeräten der Deutschen Bahn oder der Odenwaldbahn die Lochkarten in die falschen Ritzen rutschen sollten.

Fazit: Das Deutschlandticket umständlich, kompliziert und vermutlich unnötig teuer. Die Partei der angeblichen Freiheit und des beabsichtigten Bürokratieabbaus FDP schuf hier ein echtes Bürokratiemonster.

Bildquelle: eigene Aufnahme 2022, S-Bahn-Station Frankfurt-Griesheim

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Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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