Die Seuche als Startrampe für Sozialkürzungen

Covid19 / Corona Während wir uns über einen Schnulzensänger und eine Promi-Koch mit Verfolgungswahn aufregen, wird die teilweise Abschaffung des Sozialstaates vorbereitet.

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Der ehemalige Spitzenpolitiker und Konzernlobbyist und heutige Privatmann Friedrich Merz sagt einer Zeitung gefragt oder ungefragt:

"Wir sollten nach der akuten Krise alle staatlichen Leistungen von Bund, Ländern und Gemeinden auf den Prüfstand stellen." Das gelte für Subventionen ebenso wie für soziale Transferleistungen.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände fordert in einem „CORONA-Spezial“:

  • Neue sozialpolitische Initiativen überprüfen: Angesichts der enormen Herausforderungen durch die Corona-Krise sind neue belastende Regulierungen zur Sozialpolitik nicht vermittelbar. … Es muss sichergestellt sein, dass die wirtschaftliche Erholung … durch nichts beeinträchtigt werden darf.

  • Umsetzungsfrist der Entsenderichtlinie verlängern: Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Bundesregierung sich im Rahmen ihrer Ratspräsidentschaft dafür einsetzt, die Frist für die Umsetzung der revidierten Entsenderichtlinie in das nationale Recht um mindestens ein Jahr zu verlängern. Die von der EU beschlossene Verschärfung der Entsenderichtlinie ist eine hohe protektionistische Hürde, die die Entfaltung des europäischen Arbeitsmarkts hemmt.

  • Rechtliche Schritte unerlässlich: … Mit der am 10. April in Kraft getretenen Arbeitszeitverordnung für bestimmte Tätigkeiten in unterschiedlichen Branchen wurden befristete Abweichungen von der täglichen Höchstarbeitszeit, der Ruhezeit und der Sonn- und Feiertagsruhe ermöglicht. Dafür hatte sich die BDA eingesetzt. So kann die tägliche Höchstarbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden, die Wochenarbeitszeit im Ausnahmefall über 60 Stunden hinaus verlängert werden. Die Ruhezeit kann mit entsprechendem Ausgleich von elf auf neun Stunden abgesenkt werden. Ferner wurden ebenfalls befristet die Grundlagen für eine Virtualisierung der Arbeit und Beschlussfassung des Betriebsrats geschaffen.

  • Kein rechtlicher Anspruch auf Homeoffice: Einem rechtlichen Anspruch auf Homeoffice erteilt die BDA eine klare Absage. Nötig ist ein Belastungsmoratorium statt weiterer Vorgaben, die Flexibilität und Wachstum beschränken. Eine Vielzahl weiterer Maßnahmen sind zur Krisenbewältigung notwendig. Zusammengefasst lauten die Vorschläge der BDA: Im Urlaubsrecht muss die Anordnung von Betriebsurlaub erleichtert werden, mobile Arbeit muss vereinfacht werden und Arbeit auf Abruf muss in größerem Rahmen zulässig sein. Befristete Beschäftigung darf nicht beschränkt werden.

  • Rückkehr zu mehr tarifpolitischer „Bodenständigkeit“: Nach den gewerkschaftlichen Höhenflügen der letzten Jahre ist eine Rückkehr zu mehr tarifpolitischer „Bodenständigkeit“ jetzt der richtige Weg.

  • Restart braucht gute Rahmenbedingungen: Dabei ist vor allem ein umfassendes Belastungsmoratorium unerlässlich, mit dem in den kommenden Monaten nach Beendigung des Shutdowns auf zusätzliche Belastungen durch höhere Kosten, mehr Bürokratie und zusätzliche Regulierung und damit auf Einschränkungen von Handlungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit der Unternehmen verzichtet wird. Nur so kann der erforderliche Spielraum für Investitionen sowie unternehmerische Entscheidungsfreiheit sichergestellt werden. Dabei ist unerlässlich, dass ein solches Belastungsmoratorium verschiedene Bereiche umfasst. Zu denken ist beispielsweise an einen Verzicht auf Einschnitte bei der sachgrundlosen Befristung. Vielmehr sollte das Arbeitszeitgesetz auf Grundlage der EU-Arbeitszeitrichtlinie angegangen werden. Weiterhin drohen die Sozialversicherungsbeiträge zu steigen und damit den Faktor Arbeit zu verteuern. Daher sind Reformen erforderlich, um die Sozialversicherungsbeiträge dauerhaft unter 40 % zu halten.

  • Steuererhöhungen ausschließen: In jedem Fall müssen Steuererhöhungen ausgeschlossen werden, da sie den erforderlichen Prozess der wirtschaftlichen Erholung gefährden. Verfehlt wäre auch die Einführung neuer Abgaben und Steuern, wie beispielsweise einer Vermögensabgabe oder einer Finanztransaktionssteuer. Diese würden die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland verschlechtern und den erforderlichen Restart beeinträchtigen. Bei einer Finanztransaktionssteuer – vor allem, wenn sie rein national eingeführt wird – droht zudem die betriebliche Altersvorsorge beschädigt zu werden.

Das sollten wir durchaus als Drohungen auffassen. Die Corona-Krise ist eine willkommene Gelegenheit, soziale Sicherungssysteme und alle möglichen Arbeitskosten wie Sozialversicherungsbeiträge, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsanspruch zu kürzen und zu streichen, die Arbeitsbedingungen, gesetzliche Arbeitszeitregelungen zu lockern und Schutzrechte für Arbeitende zu verschlechtern. Wir müssen aufpassen und uns wehren.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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