Warum sind fast alle deutschen Filme scheiße?

Deutsches Kino Die regnerischen Februarwochenenden nutze ich, um im Abo-Fernsehen miese deutsche Filme zu sehen, für die ich im Kino keinen Pfennig ausgeben würde. Eine Zusammenfassung.

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Am Morgen des Eröffnungstages der Berlinale 2016 erzählt die Moderatorin ein bischen und berichtet, dass nur ein deutscher Film im Wettbewerb ist. Und das findet sie schade und hinterfragt es. Warum wundert das alle? Die meisten deutschen Kinofilme sind absolut schlecht und manche davon sind trotzdem Publikumserfolge - warum auch immer.

Selbst gute bis sehr gute Ideen sind fast nie umsetzbar, weil sie von Gremien der Filmförderung bereits vor Drehbeginn ruiniert werden und die Fernsehsender als Co-Produzenten ihre eigenen Interessen einfließen lassen. Als Ergebnis ist Deutschland ein filmisches Entwicklungsland, dessen wenige richtigen und wichtigen Filmschaffende nach den ersten Achtungserfolgen nach Hollywood wechseln.
Einige Beispiele werden kurz zusammen gefasst. Auch gelungene Werke sollen Erwähnung finden.

KRIEGERIN von David Wnendt

Die Innenansicht der ostdeutschen Neonazi-Szene ist die einzige wirklich positive Ausnahme. David Wnendt inszeniert ein packend erzähltes Drama, bevor er sich dadurch einen Namen machte, dass er schwer verfilmbare Romanvorlagen wie FEUCHTGEBIETE und ER IST WIEDER DA zu bebilderten Hörspielen machte. Gut und ohne Mätzchen fotografiert und mit naturidentischen Dialogen versehen überzeugen alle Darsteller/innen; eine 15jährige Einsteigerin wird sehr gut von Jella Haase gespielt, die später als doofe Teenie-Schlampe in den FACK-JU-GÖTHE-Filmen bekannt wird. Nur auf einige wenige eingesprochenen Monologe für Kinozuschauer, die ohne so etwas manchmal die Handlung nicht begreifen, hätte verzichtet werden können.

WIR SIND DIE NEUEN

Ein Trio von alternden Spät-68ern, die zu Studendenzeiten als Wohngemeinschaft zusammen hausten, zieht aus finanziellen Gründen wieder zusammen. Dabei bekommen sie Streit mit den benachbarten drei Yuppi-Studenten, die ihre Ruhe haben wollen. Der bekannte und schon oft erzählte Generationenkonflikt ist mit umgekehrten Rollenverhältnissen eine drollige Idee, krankt aber an uninspirierter Bildgestaltung und affektierten, zickigen Dialogen auf Seiten des Jung-Trios, die sehr nervig sind.
Auch Profis wie Heiner Lauterbach, die langjährige Gerhard-Polt-Partnerin Gisela Schneeberger und der dritte Darsteller, dessen Name mir entfiel, können bei dem lieblos entwickelten Drehbuch nicht viel retten.
Die Co-Produktion des Bayerischen Rundfunks scheint eher als Publikumsberieselung für den Fernsehschirm konzipiert zu sein als für die Leinwand. Selbst die originellsten Einfälle gehen unter.
Eine fast geniale Idee ist z.B. ein Stapel von Schuhkartons im Eingangsbereich der Jung-WG; auf die Schuhkartons sind Fotos der Schuhe aufgeklebt, damit die Bewohner wissen, welche Schuhe in welchem Karton sind. Aber es ist fast nichts zu erkennen. Die Figuren werden abgefilmt, die Kamera steht einfach im Raum und unten in der Ecke sind irgendwelche weißen Kartons zu sehen. Anstatt darüber zu schwenken, die Besucher bei einem Erkundungsrundgang zu begleiten, Blicke austauschen zu lassen - so etwas verrät ohne Aufwand viel über alle Charaktere. Nein, die Kartons, für die sich ein Dekorateur wirklich viel Mühe gab, sind kaum zu sehen und danach gibt es einen zweiminütigen Dialog über die Schuhkartons mit den Fotos. Nur ein Beispiel. Das ist so schade, das ist so uninspiriert, das ist so unfähig. Aber Co-Produzent ist der BR und ein zu berieselndes Fernsehpublikum um 20:15, das sowieso nichts rafft, ist wichtiger als ein zu unterhaltendes Kinopublikum.

DOKTORSPIELE

Mädchen kommt zu Besuch. Junge freut sich auf sie, die er zehn Jahre zuvor zuletzt sah. Pubertät, erster Sex, Penisneid, Besäufnis mit Kotzen und Pinkeln, Peinlichkeiten zum Fremdschämen für alle über zwölf.
Drei Szenen fasse ich zusammen, um das Grauen deutlich zu machen. Die Rollennamen weiß ich nicht mehr und möchte den Film nicht noch mal sehen, um sie heraus zu finden.
Junge onaniert und steigt dazu - warum auch immer - auf den Rand der Badewanne. Er wird gestört und aufgefordert, die abgeschlossene Tür zu öffnen. Dabei stürzt er ab und reißt den Toilettenschrank von der Wand.
Mädchen zu Besuch will sich einen Pickel am Hintern ausdrücken und steigt dazu - warum auch immer - ebenfalls auf den Rand der Badewanne. Junge überrascht sie, die abstürzt und Schrank # 2 von der Wand reißt.
Der zweite Junge - der Darsteller, dessen Name sich nicht zu merken lohnt, spielt auch in FACK YU GÖTHE einen der Prolo-Trampel im Schüleralter; dazu gleich mehr - bekommt seine neue Freundin endlich so weit, dass sie ihn oral befriedigt. Der Film ist übrigens von der FSK für 12jährige frei gegeben. Er macht es natürlich so, wie er es aus seinen Pornofilmen kennt und kleckert ihr das Gesicht voll. Sie rennt schreiend mit den Händen vor dem und künstlichem Sperma im Gesicht - Tortenguss, oder keine Ahnung, was sie dafür nehmen - ins Badezimmer, um sich zu waschen.
Ein besonders gut aussehender und von den Mädchen begehrter Junge stellt sich als schwul heraus; damit wäre auch noch ein Schwulenklischee abgehakt.
Die Namen der jugendlichen Darsteller lohnt es sich nicht zu nennen oder zu merken. Die Eltern des Jungen werden von einer hysterisch-affektierten Christiane Paul kurz vor der Wechseljahre-Depression und dem auf kiffende Hänger abonierten Oliver Korittke gespielt. Beide sind eigentlich gute Schauspieler - wenn man sie lässt.
Gedreht wurde in meiner Heimatstadt Frankfurt am Main. Drehort war übrigens ein Freibad, in dem ich mir bereits in manchem Jahr einen Sonnenbrand holte.
Ach ja. Der Rollenname des wichsenden und musizierenden Jungen lautet Merlin - ganz einfach so, wie so ziemlich jeder deutsche Jugendliche in Wirklichkeit heißt.

HONIG IM KOPF von Til Schweiger

mit Dieter Hallervorden, Emma Tiger Schweiger, Til Schweiger
Die Handlung muss ich sicher nicht zusammen fassen. HONIG IM KOPF ist einer der erfolgreichsten Kinofilme der vergangenen Jahre.
Dabei sind ist die Handlung realitätsfern und äußerst schlampig entwickelt und erzählt und mit Ausnahme von Dieter Hallervorden unfähig bis nachlässig gespielt.
Opa heißt im Film Amandus. Bei Til Schweiger heiße die Leute immer Nick oder Mike oder Gerome oder hier Amandus. Wem fällt so etwas ein. Deutsche Rentner heißen Wilhelm, Karl Heinz, Gustav oder Adolf, aber nicht Amandus; so hieß vielleicht ein Senator bei Julius Cesar. Auch der Gedächtnisverlust und der Krankheitsverlauf werden eher schwach erzählt. Ein demenzkranker Mann wird sicher vergessen, wo er wohnt, was er vor einer Minute noch in der Küche machen wollte - auch das wird erzählt. Und ein demenzkranker Mann im fortgeschrittenen Stadium wird die eigenen Verwandten nicht erkennen. Aber ein demenzkranker Mann wird NIE den Namen seiner verstorbenen Ehefrau vergessen.
Zwei Neuwagen der Luxusklasse werden auf Kosten der Deutschen Filmförderung verschrottet. Die Szene, in der Opa Amandus in einen Kühlschrank pinkelt, ist einfach nur entwürdigend.
Lücken in der Handlung werden mit Reiseszenen aufgefüllt, dabei hätte eine halbe Stunde weniger dem Film nicht geschadet.
Besonders störend ist die sehr aufdringliche Berieselung mit der immer gleichen englischsprachigen Schmusepop-Kakophonie, mit der fast jeder deutsche Kinofilm zugemüllt wird. Eine Filmmusik gibt es zwar laut Vorspann, aber jede Szene , in der nicht geredet wird, ist mit der üblichen Gesangssoße zugeschüttet.
Til Schweiger´s Tochter Emma war mit sechs Jahren noch süß und agierte natürlich in ihrer ersten Hauptrolle in einem Film ihres Vaters. In anderen Filmen spielte sie nie, immer nur unter der Regie von Til Schweiger, und nahm wahrscheinlich nirgendwo Schauspielunterricht. So wurde sie schauspielerisch nur in den Filmen ihres untalentierten Vaters sozialisiert und konnte sich nie entwickeln. Sie spielt wie eine Schaufensterpuppe und trägt ihre Dialogszenen vor, dass es wie vorgelesen klingt. Aber das kann man ihr nicht zum Vorwurf machen.
Natürlich sind tiefere Charakterentwicklungen und Handlungselemente bei solchen Mängeln durch optische Mittel nicht zu erzählen und werden bei diversen Gelegenheiten als eingesprochene Monologe vorgetragen. Der Fernsehzuschauer von SAT.1 wird sich dann nächstes Jahr auch außerhalb der Werbepausen Bier und Nüsschen holen können, ohne etwas von der Handlung zu verpassen.
Die Oma mütterlicherseits spielt Anja Jaenicke, die in jungen Jahren in der Blechtrommel den jungen Oskar verführte und die dringend Geld für die Miete zu brauchen scheint.

Das Matthias-Schweighöfer-Horror-Doppelprogramm für Extrem-Masochisten.

Matthias Schweighöfer inszeniert als Regisseur sich selbst als Hauptdarsteller und die Ergebnisse sind nicht auszuhalten.

VATERFREUDEN: Der Typ ist überzeugter Ehe- und Vaterschaftsverweiger und mag ungezwungenen Sex mit wechselnden Partnerinnen. Sein herunter gekommener Bruder zieht vorüber gehend bei ihm ein und hat ein dressiertes Frettchen oder Wiesel oder Iltis dabei. Die Sexualpartner werden bei Fesselspielchen durch ein Telefonat unterbrochen und der Typ wird durch einen Biss des Nagetiers in die Genitalien zeugungsunfähig gemacht. Typ hatte vorher Sperma an die Samenbank verkauft und möchte davon zurück haben, weil er sich spontan doch dazu entschließt, Vater werden zu wollen. Dabei verliebt er sich in die mutmaßliche Empfängerin seines Spermas. Gastauftritt als Leiter der Samenbank: Detlev Buck.
Ein immer auf die gleiche abgehackt redender Matthias Schweighöfer und sämtliche Personen vor der Kamera werden schauspielerisch von einem dressierten Frettchen überholt. Optisch ist der einzige bleibende Eindruck die Dachbodenwohnung des Typs, die voller Quer- und Stützbalken ist und in der man keine zwei Meter gehen kann, ohne einem Balken auszuweichen.

DER NANNY: Bauinvestor Schweighöfer will ein altes Wohngebiet an einem Hafen abreißen lassen, um eine Luxussiedlung bauen zu lassen. Einer der dortigen Bewohner will einen Sprengstoffanschlag auf ihn und dessen Riesenschloss machen und wird dabei als Kinderbetreuer für die beiden gestörten Kinder eingestellt. Zum Schluss wird alles gut. Alle werden Freunde und mehr gibt es nicht zu berichten. Die beste schauspielerische Leistung bietet der schauspielerische Laie Joko Winterscheid (Joko & Klaas) und als Kinderfrau Nummer eins sehen wir kurz die schreiende Veronika Ferres untalentiert wie immer.
Zwei Luxussportwagen werden in Schrott verwandelt und das wichtige Thema Gentrifizierung wird als Schmiermittel für eine missglückte Komödie missbraucht.
Für optische und erzählerische Rafinesse hält man es heute schon, ein paar Totalen und Vogelperspektiven mit einer Kameradrohne zu drehen und das Ganze mit einer englisch gesungenen Kuschelpop-Soße zu verkleben.
Unzumutbar. Mehr als eine halbe Stunde am Stück konnte ich nie durch halten.

FACK YU GÖTHE

Film und Handlung dürften bekannt sein und ich kann mir die Zusammenfassung im Wesentlichen sparen. Entlassener Knacki will seine Beute vom Bankraub ausrauben, aber dort steht der Erweiterunsbau einer Schule. Knacke muss Job als ungelernter Aushilfslehrer annehmen, um sich zur Beute durch zu graben. Dabei schließen er und seine prolligen Schüler sich gegenseitig ins Herz und er verliebt sich in seine Kollegin.
Da haben wir den Einäugigen unter den Blinden. Trotz heftiger Fehler und Mängel in Geschichte und Erzählung ist es irgendwie ganz amüsant. Später wurde eine fast identische Fortsetzung gedreht, für die ich natürlich kein Eintrittsgeld ausgab und bei der alle Beteiligten in Traumschiff-Manier ihre Dialoge in Thailand aufsagen durften.

Fazit:

Die meisten deutschen Kinofilme sind scheiße. Verzeihung für das derbe Wort.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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