Auf alles vorbereitet?

GroKo Die CDU verfügt kaum noch über intakte konservative Kernpositionen. Das ist für Linke kein Anlass zur Freude
Ausgabe 23/2019
CDU? Ah geh!
CDU? Ah geh!

Foto: John MacDougall/Getty Images

Nur immer schön auf Sicht fahren, das ist die politische Strategie der CDU – frei nach Edmund Burke, dem Übervater des Konservatismus. Bei diesem Kurs gerät gern mal aus dem Blick, was über eine Legislaturperiode hinausreicht, der Klimawandel etwa.

Besser die Kids von Fridays for Future paternalistisch für ihr Engagement loben oder mit dem Verweis auf die Schulpflicht abspeisen, als Gelbwesten-Proteste wie in Frankreich zu riskieren, lautete die Devise der CDU. Die Europawahl hat gezeigt: Diese Rechnung geht immer weniger auf. Frankreich ist das Menetekel für die Krise des Konservatismus, auf nur 8,5 Prozent kamen die einst stolzen Republikaner dort. Hierzulande wird das historisch schlechte Ergebnis der Union nur noch vom Niedergang der SPD überschattet. Die passende Orchestrierung für das Drama der Volksparteien liefern zwei Rücktritte: in Berlin SPD-Chefin Andrea Nahles, in Paris der Parteivorsitzende der Republikaner, Laurent Wauquiez.

„Ärmel hochkrempeln“, die Durchhalteparole, für die eigentlich Nahles ein Abonnement zu haben schien, wird jetzt von CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer ausgegeben. Das konterkariert die Selbstinszenierung als Hort der Stabilität, auf die die CDU gerade setzt. Für alles, was komme, sei die CDU vorbereitet, lässt Kramp-Karrenbauer zum Thema Neuwahlen wissen. Vorbereitet? Bisher ist noch nicht einmal ausgemacht, wer Kanzlerkandidatin oder -kandidat werden könnte. Personell, programmatisch und strategisch ausgebrannt, so lautet der Befund für die SPD. Im Vergleich sieht es bei der Union nur sehr unwesentlich besser aus. Spontan fällt einem kein Umwelt- oder Mobilitätsexperte ein, der die Großkonzepte erarbeiten könnte, die die Partei angekündigt hat. Strategisch steht zumindest fest, was nicht geht: Die CDU kann entweder versuchen, die zu den Grünen oder die zur AfD abgewanderten Wähler zurückzugewinnen. Ein Spagat zwischen diesen Polen ist nicht machbar. Die Grünen sind zweitstärkste Kraft, auch dank über einer Million Wähler aus dem CDU-Milieu. Da ist klar, welche Richtungsentscheidung die CDU treffen dürfte, schon aus Gründen der Anschlussfähigkeit. Der symbolpolitische Rechtskurs, den Kramp-Karrenbauer zwischenzeitlich anschlug, hat sich nicht rentiert, zur AfD wechselten 260.000 Unionswähler.

Und programmatisch? Seit dem Rezo-Youtube-Debakel verspricht die Partei eine bessere Kommunikation. Dafür müsste sie allerdings wissen, was sie kommunizieren will. CO₂-Steuer? Nein, befand die Parteichefin. Keine „Denkverbote“, forderte wiederum Fraktionschef Ralph Brinkhaus. Einfach mal schauen, wie es die Schweiz macht, schlug NRW-Ministerpräsident Armin Laschet vor. Von der innerparteilichen Geschlossenheit, die immer der größte Trumpf der CDU war, ist derzeit wenig zu sehen.

Als letzte intakte konservative CDU-Kernposition macht der Politologe Thomas Biebricher das Bekenntnis zur „Schwarzen Null“ aus – und das in einer Zeit, in der der potenzielle Partner, die Grünen, immer lauter über ein Ende der Schuldenbremse nachdenkt, um die für eine sozialökologische Transformation nötigen Investitionen zu stemmen. Bei der Austeritätspolitik ließ sich beobachten, wie der konservative Dreh funktioniert: Wer Sparen als Tugend stilisiert, überformt das Ökonomische moralisch. Die Beschwörung immaterieller Werte taugt aber allenfalls für Sonntagsreden.

Dass die CDU sich gerade um ihr Fortbestehen als Volkspartei sorgt, könnte Linke freuen. Doch das Problem ist: Von der Krise des Konservatismus profitiert fast immer der Autoritarismus.

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