Eine andauernde Katastrophe

Libanon Während der Wintereinbruch im Süden Deutschlands große Aufmerksamkeit erfährt, findet weiter südlich eine andauernde Katastrophe statt, die kaum Beachtung erhält

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In den letzten Tagen haben schwere Regenfälle im Libanon zahlreiche Geflüchtete obdachlos gemacht. Ein fünf Tage wütender Sturm setzte Zelte unter Wasser und zerstörte viele von ihnen dauerhaft. Insgesamt sind nach Angaben der Vereinten Nationen 151 Orte in dem kleinen Land betroffen, in denen etwa 11.000 aus dem Bürgerkriegsland Syrien geflüchtete Menschen lebten.

Der Libanon hat - gemessen an der Einwohnerzahl - mehr Flüchtlinge aufgenommen als jedes andere Land der Welt, so befinden sich nach UN-Schätzungen zwischen 1,2 und 1,3 Millionen Flüchtlinge aus Syrien im Libanon. Zudem haben während der Auseinandersetzungen der letzten Jahrzehnte viele Palästinenser*innen und Iraker*innen dort Zuflucht gefunden, die bis heute in dem Land leben. Während der Libanon selbst mit einer schweren Wirtschaftskrise zu kämpfen hat leben heute mehr als zwei Drittel der in den Libanon geflüchteten Menschen aus Syrien in Armut.

So auch viele der rund 60.000 syrischen Geflüchtete, die in dem libanesischen Grenzort Arsal Zuflucht gefunden haben und bis heute nicht zurück in ihre Heimat können. Auch vor dem Wintereinbruch wurde diesen Menschen bereits täglich vor Augen geführt, wie unerwünscht sie sind - vom libanesischen Staat und auch vom Großteil der libanesischen Bevölkerung. Nun sind die einmal mehr auf sich alleine gestellt, wenn es darum geht in ihren primitiven Zeltbauten, die kaum Schutz bieten können, den beginnenden Winter zu überstehen.

Wurde in den vergangenen Jahren beispielsweise noch Brennstoff für die kleinen Dieselöfen verteilt, die in vielen Zelte dazu dienen sollen die auch im Inneren herrschende klirrende Kälte zu dämpfen, bleibt derartige Hilfe in diesem Jahr komplett auf. So droht die Situation für die etwa 60.000 syrischen Geflüchteten ein humanitäres Desaster zu werden. Schon jetzt, wo der Winter noch nicht einmal richtig begonnen hat, sinken die Temperaturen nachts teilweise unter den Gefrierpunkt. Und das Schlimmste steht ihnen noch bevor: Der Schnee und die Stürme, die in den vergangenen Jahren jeweils dutzende Zelte zum Einsturz brachten.

Während sich die Stimmung bei den meisten Libanes*innen gedreht hat und diese die Syrer*innen nur noch loswerden wollen und es immer wieder zu willkürlichen Übergriffen durch das libanesische Militär kommt, sehen sich diese schutzlosen Menschen zunehmend mit einer Wahl zwischen Pest und Colera konfrontiert: In Arsal fehlt es ihnen an Allem, nicht nur an wintertauglichen Unterkünften, medizinischer Versorgung und Schulplätzen, auch und besonders an Anerkennung, Sicherheit und Hoffnung. Gleichwohl gibt es für sie keine wirkliche Möglichkeit der Rückkehr in ihre Heimat, denn diese könnte für viele eine akute Gefahr für Leib und Leben bedeuten.

Immer wieder hat der syrische Diktator Assad verlauten lassen, dass eben diese Geflüchteten in seinen Augen Terroristen seien, die durch ihre Flucht ihre Illoyalität gegenüber seinem Regime bewiesen hätten. Deshalb wagen sich trotz des massiven Drucks durch die libanesischen Behörden und die aufwendig betriebenen Rückkehrprogramme nur wenige Menschen zurück nach Syrien. Die Stabilisierung der Macht des Assad-Regimes nimmt den Menschen die Hoffnung. Eben hier liegt die politische Dimension dieser humanitären Katastrophe und damit auch die Verantwortung des Westens für die Menschen, der dem Schlachten Assads bis heute nur zuschaut und nicht in der Lage ist, eine politische Lösung für den Syrien-Konflikt anzubieten, die auch die Opfer berücksichtigt.

Durch direkte Solidarität mit den Menschen vor Ort und eine entsprechend handfeste Hilfe versucht u.a. der Kölner Grünhelme e.V., der sich bereits seit mehreren Jahren in Arsal und anderen Gebieten im Libanon engagiert, den Menschen Hoffnung zu geben. Doch solange es in Syrien keinen Frieden und eine Nachkriegsordnung gibt, die die Opfer der Krieges beteiligt, können die Menschen, die nichts lieber als das würden, nicht zurück. Hierauf sollte die deutsche Politik ihr Augenmerk legen, anstatt fortwährend Scheindebatten über Grenzschließungen, die Abschaffung des Asylrechts oder forcierte Abschiebungen/Rückführungen zu führen.

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Mehr zur rein spendenfinanzierten Arbeit der Grünhelme im Libanon:

Grünhelme-Projekte im Libanon

Hintergrund:

tagesschau.de: Wintereinbruch im Nahen Osten - Flüchtlingslager im Libanon überflutet

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Max Jansen

Max Jansen hat Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaften studiert. Derzeit lebt und arbeitet er in Frankfurt am Main.

Max Jansen

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