Hinterm Rubikon gehts weiter

Carla Bruni Auf ihrem neuen Album kehrt Carla Bruni zu ihren Kernkompetenzen zurück: Sie besingt das Bohème-Dasein, ihren Mann, die Verführung und nennt François Hollande "Pinguin"
Ausgabe 14/2013
Hinterm Rubikon gehts weiter

Foto: milestone media/ imago

Raymond ist „Dynamit“, ein „Pirat“, eine „Atombombe“. Und er ist, mais oui, ihr Mann. Carla Bruni ist älter geworden. Wenn sie heute in „Mon Raymond“ von ihrem amoureux singt, der mal Präsident war, plaudert sie nicht über teuflischen Sex, wie einst im Song „Raphaël“ (über Enthoven, den schönen Philosophen und Vater ihres Sohnes). Sie redet lieber davon, wie „komplex, sentimental, aber taktisch“ ihr Mann ist. Und vor allem: „Wenn er den Rubikon überschreitet, gibt es keinen Zweifel mehr…“ Monsieur Wulff, – das ist ein Kompliment! Eine Stärke.

Aus Nicolas wird also Raymond, aus Diskretion heißt es. Aber jeder weiß, wem sie da schmeichelt. Hatte Sarkozy da selbst seine Finger im Spiel? Wenn Raphaël eine Hommage bekommen hat, verdiene ich auch eine. Bruni, das möchte sie uns mit den Liedern weismachen, hat längst mit dem Kapitel „Première Dame“ abgeschlossen. So heißt es in dem Lied „Pas une dame“: „Ich bin keine Dame, ich bin nur ein Mädchen ... Bitte nenn mich nicht Madame. Nenn mich meine Katze, meine Süße, meine Sirene.“

Noch mit 100 die wilde Tour

Sie hat lange genug Hütchen probiert, jetzt will sie wieder Jeans tragen und ein Bier in der Hand. Keith Richards statt Jackie Kennedy. Im Chanson „Chez Keith et Anita“ träumt sie von einem Hippiesommer mit dem Stones-Gitarristen und dem Ex-Model. Es ist ein jazziges Lied, mit E-Gitarre unterlegt. Und es spielt mit dem Klischee vom ewigen Bohème-Dasein, dem Immer-noch-nicht-erwachsen-werden-wollen. Das hat Tradition: Auf Comme si de rien n’était von 2008 säuselt sie vom Amüsieren und Verführen, als seien wir in der Liebe alle Klandestine. Und nun, nach Model-Karriere und Elysée träumt sie davon, noch im Alter die wilde Tour zu machen: „Wenn ich mal 100 sein werde, lebe ich ohne Programm, ich tanze bis in den Morgen. Wenn ich 100 Jahre alt sein werde, lebe ich von meinem Charme.“ Die Hintergrund-Band spielt dazu ein bisschen Countryfolk.

Beim Chanson „Dolce Francia“ wechselt Carla Bruni ins Italienische, ihre Muttersprache. In ihrer Version des Charles-Trenet-Klassikers „Douce France“ beschwört Bruni den Postkarten-Charme einer verschwundenen Welt, der Ära von Brassens, Barbara, Aznavour, Gainsbourg oder Johnny Hallyday („Johnny“). Sie klammern sich ja gerne an Denkmäler, die Franzosen. Und Carla Bruni möchte die Welt nicht neu erfinden, weder musikalisch noch inhaltlich. Ihre Little French Songs sollen ein guter Trost sein, wenn der „Kummer mal wieder länger anhält“, sagt sie selbst.

Für die Dauer eines Abwaschs

Carla Bruni hat nach dem Debüt Quelqu’un ma dit (2002) englische Gedichte vertont und auf Comme si de rien n’était von der „Möglichkeit einer Insel“ geträumt. Doch Chansons, die berühren, und die länger bleiben als für die Dauer eines Abwaschs – auf ihrem ersten Album finden sich mehrere –, sind ihr seither nicht eingefallen. Ihrer erste Platte als Ex-Première-Dame wird auch nach politischen Andeutungen durchfahndet: „Er ist nicht schön, der Pinguin. Er ist nicht groß, nicht klein, (...) nicht ja, nicht nein, weder alles noch nichts, nein, er ist nichts, rein gar nichts“, singt sie in „Le Pinguin“, es ist das letzte Lied. „Er setzt seine Herrschermiene auf, aber ich kenne ihn, den Pinguin, er hat nicht die Manieren eines Schlossherrn.“ Moment. Soll der Pinguin etwa François Hollande sein? Ist es eine Abrechnung? Bruni bestreitet jeden politischen Hintergedanken. Sie möchte einfach nur singen. Schwamm drüber.

Little French Songs Carla Bruni Barclay (Universal)

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Verändern Sie mit guten Argumenten die Welt. Testen Sie den Freitag in Ihrem bevorzugten Format — kostenlos.

Print

Die wichtigsten Seiten zum Weltgeschehen auf Papier: Holen Sie sich den Freitag jede Woche nach Hause.

Jetzt kostenlos testen

Digital

Ohne Limits auf dem Gerät Ihrer Wahl: Entdecken Sie Freitag+ auf unserer Website und lesen Sie jede Ausgabe als E-Paper.

Jetzt kostenlos testen

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden