Na, wie war das Spiel?

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Public Viewing am Moritzplatz, ist doch weit weg von der Szene, dachten wir. Wenn gleich das neue Aufbau-Haus an der Ecke ja doch ziemlich schick...

Aber es war ein Flohmarkt angekündigt, und Grillen, das klang bodenständig.

Im Hof vor der Bar Prince Charles lagen also gebrauchte T-Shirts und Sonnenbrillen auf gebrauchten Tischen. Schon beim Reinkommen hört man Beats, und die Mädels gingen ab. Um sie herum - ja, das mussten wohl Männer sein. Sie trugen Bart. Lila Frottee-Hosen, oder durchlöcherte Pullis, aber die Frisuren, hey, also, lauter Gomez-Klone. Sie schwöre auf Gomez, flüsterte mir meine Begleiterin ein, aber es sollte lässig klingen, irgendwie gleichgültig.

Wir saßen dann schon Stunden vor Spielbeginn in einer abgedunkelten Halle, deren Mittelpunkt nicht die Leinwand, sondern die Bar bildete.

Bier und Aperol Spritz, ging weg wie nichts. Trinkt man so, mit Anfang 20.

Als das Spiel begann, finden sie an zu kreischen die Mädels. Gomez!

Sie rannten dann, direkt an uns vorbei, hochhackig alle paar Minuten aufs Klo, sich schminken, oder setzten sich vor uns auf den Boden und wedelten mit ihren blondgefärbten Haaren. "Foul", rief irgendwann eine, als Boateng nur sachte Ronaldo streifte.

"Ist das ätzend, mit Frauen Fußball schauen", rief meine Begleiterin. War das jetzt anti-feministisch?

Neben mir, stehend, ein Paar. Er: grauansetzender Bart, Lederjacke, Künstler. Sie: blond, Germanys maybe-next Topmodel. 'Setz dich doch zu ihr da auf die Ecke', raunt der Typ ihr zu - und zeigt auf meinen Platz. Ohne mich anzusehen.

Hackte es? Was für ein Prolet. 'Das tut sie nicht', sagte ich und lächelte.

Er sah mich jetzt an, vernichtend.

Hinterher, auf dem Klo. 'Und wie war das Spiel?', fragt man die Mädels.

Alle schweigen. "Ausbaufähig", analysiert dann eine.

Hm.

Dann schon lieber Public Viewing mit richtigen Proleten. Die wissen wenigstens, dass man sich 90 Minuten lang am besten nicht rührt.

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Geschrieben von

Maxi Leinkauf

Redakteurin „Kultur“

Maxi Leinkauf studierte Politikwissenschaften in Berlin und Paris. Sie absolvierte ein Volontariat beim Tagesspiegel. Anschließend schrieb sie als freie Autorin u.a. für Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel und Das Magazin. 2010 kam sie als Redakteurin zum Freitag und war dort im Gesellschaftsressort Alltag tätig. Sie hat dort regelmäßig Persönlichkeiten aus Kultur und Zeitgeschichte interviewt und porträtiert. Seit 2020 ist sie Redakteurin in der Kultur. Sie beschäftigt sich mit ostdeutschen Biografien sowie mit italienischer Kultur und Gesellschaft.

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