Sind Frauen romantischer als Männer?

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Gestern traf ich meine Bekannte Anne Hansen auf der Straße. Sie erzählte von ihrem neuen Buch, das im August erscheinen wird. In "Fräulein Jensen und die Liebe" macht sich eine Frau um die dreißig auf die Suche nach ihren Traummann. Sie trifft einige Männer, wie beispielsweise den Stabhochspringer Tim Lobinger, den Comedien Bernhard Hoecker oder den Ex-Punk Rocko Schamoni. Ihr Resümée: Frauen sind romantischer als Männer.

Ach, die alte Nummer, dachte ich, schon so oft gehört. Was soll denn das eigentlich heißen: Romantik?

"Frauen sind in das Gefühl verliebt, verliebt zu sein, sie malen sich genau aus, wie ER sein soll, sie haben Prinzessinnenträume...", holte sie aus. Männer seien da viel entspannter – und realistischer. Glauben sie etwa nicht an die große Liebe?

Kabarettist Bernhard Hoecker, der als verheirateter Familienvater in Bonn lebt, sagte meiner Bekannten: "Wenn ich damals in meinem Dorf geblieben wäre, hätte ich bestimmt auch jemanden gefunden, der zu mir gepasst hätte". Frauen scheint es, sind wählerischer.

Für eine Frau gibt es den Supermann und für Männer viele kleine Superfrauen?

Klingt seltsam ernüchternd. Wir möchten doch schließlich die Einzige sein, Prinzessin eben. Fragt sich nur, ob für immer und ewig: Im 19. Jahrhundert war sie ein Ideal, die absolute Liebe, der Verschmelzung von Mann und Frau, ihren Körpern und ihren Seelen. Zuvor aber musste man leiden und um seine liaison romantique kämpfen: Madame Bovary, Effi Briest, Karoline von Günderode: Das Romantische hatte auch damals etwas Widerständiges, Rebellisches. Noch heute kommt keine Hollywoodkomödie ohne die Hindernisse aus, die man für die große Liebe überwinden muss.

Ist es nun, in der Ära der unendlichen Freiheiten, etwa wieder romantisch, lebenslang nur einen Menschen zu lieben?

"Für mich kann es schon Abenteuer geben, ich will mir nichts kategorisch verbieten", erklärte der Hamburger Theaterregisseur Rocko Schamoni meiner Bekannten. Die meisten französischen Männer würden ihm zustimmen und süffisant lächeln. Affären gehören für sie zu den Dingen des Lebens.

Nur warum symbolisiert der französische Mann dann noch immer den Romantiker par excellence? Er kann beides, so galant wie brutal sein. Ein eiskalter Engel.

Oder sind das müde Klischees?

Laut Studien des Londoner University College und der University of Albany seien Männer viel eher bereit, ihre Karriere einer romantischen Liebe zu "opfern". Sie würden in Frauen eine wesentliche Stütze für ihre Lebenspläne sehen, auf die sie ungern verzichten wollen. Frauen dagegen könnten ganz gut ohne sie leben.

Wir standen nun schon eine Stunde auf der Straße, dann rief mein Freund an. "Er möchte bestimmt einfach mal Deine Stimme hören", sagte meine Bekannte erwartungsvoll. "Bin gerade im Supermarkt, hast Du schon Brot eingekauft?", fragte er sachlich.

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Geschrieben von

Maxi Leinkauf

Redakteurin „Kultur“

Maxi Leinkauf studierte Politikwissenschaften in Berlin und Paris. Sie absolvierte ein Volontariat beim Tagesspiegel. Anschließend schrieb sie als freie Autorin u.a. für Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel und Das Magazin. 2010 kam sie als Redakteurin zum Freitag und war dort im Gesellschaftsressort Alltag tätig. Sie hat dort regelmäßig Persönlichkeiten aus Kultur und Zeitgeschichte interviewt und porträtiert. Seit 2020 ist sie Redakteurin in der Kultur. Sie beschäftigt sich mit ostdeutschen Biografien sowie mit italienischer Kultur und Gesellschaft.

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