"Lügenpack!"

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Das Projekt 'Stuttgart 21' in seiner heutigen Form ist eine Ausgeburt neoliberalen Größenwahns aus einer Zeit, als man in diesen Kreisen noch vom „Ende der Geschichte“ phantasierte. Das scheint die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger Stuttgarts, unter ihnen viele Schwäbische Hausfrauen, erkannt zu haben; das Traum-Personal von einst jedoch, weitestgehend immer noch in Amt und Würden, indes nicht.

Die Gegner von 'Stuttgart 21' müssen sich aber auch über eins im Klaren sein: Die für 'Stuttgart 21' politisch Verantwortlichen stehen bereits derart mit dem Rücken zur Wand, dass eine Rücknahme ihrer Entscheidung inzwischen an politischen Selbstmord grenzt; zu tief sind sie verstrickt. Gleichwohl bedeutet für sie eine Fortsetzung des Projekts wahrscheinlich nichts anderes.

Eine entscheidende Frage dabei ist nun, wie die Politik gedenkt, sich aus dieser Zwickmühle zu befreien (in die sie sich zu offensichtlich durch Macht- und Raffgier, durch Arroganz selbst gebracht hat; es geht um das Wort von der „Schwaben-Mafia“).

Im März 2011 wird in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt. Stefan Mappus (44/CDU), dessen politisches Vorbild Franz Josef Strauß ist, Nachfolger des von Merkel nach Brüssel entsorgten Oettingers, muss sich zur Wahl stellen. Unschöne Bilder von gewaltsamen Räumungen besetzter Parkanlagen, von Polizeigewalt gegen couragiertes Bürgerengagement, zumal nicht aus Berlin-Kreuzberg, sondern aus dem beschaulichen Stuttgart, könnten den für Schwarz-Gelb ohnehin ungewissen Wahlausgang zu einem Desaster werden lassen. Das aber hätte auch weitreichende bundespolitische Konsequenzen. Jedoch auch die SPD, eigentlich in Stuttgart in der Opposition, darf sich schon mal warm anziehen, da sie -wen wundert's noch?- mitten in der neokonservativen Phalanx der 'Stuttgart 21'-Befürworter und Förderer zu finden ist.

In dieser Auseinandersetzung kommt den (regionalen) Medien eine entscheidende Rolle zu. Sie könnten das Zünglein an der Waage sein. Allerdings schreibt man dort u.a., mal subtil, mal brachial, eine Radikalisierung der Proteste herbei. Die sukzessive Diffamierung des bisher weitestgehend friedlichen Protests hilft vor allem den Befürwortern von S 21. Ob die Medien damit dem, was man (einen gewissen Euphemismus inzwischen vorausgesetzt) als 'Politikverdrossenheit' bezeichnet, beikommt, erscheint mehr als zweifelhaft.

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(im Bild links: gewaltbereiter,

autonomer Stuttgarter Chaot

bei Demo gegen S21)

„Lügenpack, Lügenpack!“ skandierten die etwa 6.000 Stuttgarter auf der letzten Montags-Demo, nachdem man nach der Veranstaltung am Bahnhof durch die Innenstadt zum DB-Sitz des „Bahnprojektes Stuttgart-Ulm“ gezogen war. Neuerdings und noch vereinzelt hörte man aber auch „Wir-sind-das-Volk!“-Rufe – ganz ungeniert und in breitestem Schwäbisch. Ob man im Ländle an entsprechender Stelle wohl versteht, was das bedeuten kann?

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