Sympathy For The Devil - Großes Theater

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Ganz Großes Theater heute in Berlin: Richard III. - Das Musical!

Nachdem er bereits den Dottore nicht mehr spielen wollte, schmeißt der frei-herrliche Darsteller des Karl-Theodor zu Guttenberg bei seinem finalen Auftritt auch noch als Verteidigungsminister hin. Aber mit welcher Grandezza! Mit wieviel Herzblut! Und dass nicht nur mit dem eigenen! Auch mit dem der jüngst Gefallenen in Afghanistan!

Er entwickelt in passagenweise fast Shakespearsch' anmutender Eloquenz auch menschliches Verständnis für die eigene Person und ihr hartes, aber faires Schicksal. (Was bei so herzlich gespaltenen Persönlichkeiten, wie auch die Königin Mutti ein paar Tage zuvor bereits erkannte, nicht weiter verwundert.) Freilich nicht ganz so poetisch wie der Meister aus Stratford; weshalb es ja auch Das Musical! ist, welches hier zur Aufführung gebracht wurde -ein echter Shakespeare wäre zu widersprüchlich: da könnte das Publikum, außer gerührt zu sein, sich womöglich beginnen zu rühren.

Aber zurück zu diesem begnadeten Staats-Schauspieler: Shakespeares Gloucester sagt von sich und im Zwiegespräch mit dem Publikum, dass er ein Lump ist, ein „ganzer Wort- und Menschverdreher“. Er kündigt sein Morden an mit wilder Lust. Und er hält seine Ankündigungen auch ein -er hält Wort! Die Perfidie des Verbrechers wird nicht als Exempel vorgeführt und dem Urteil des Publikums ausgeliefert, nein, dass Publikum wird vorab Mitwisser, ist dann Zeuge. Und das Wichtigste: Es ist durch die exponierte Stellung des teuflischen Helden in diesem Drama als Sympathisant von vorn herein mit eingeplant -es muss mitspielen! Gerät der Held nun in die unausweichlichen Schwierigkeiten, beklagt das eigene, harte Schicksal und -sich dabei selbst treu bleibend, also nach allen Regeln der Demagogie- konnotiert die eigenen Lieben, Kleinen, ist man, so 'vorbereitet', hin- und hergerissen: Sympathy For The Devil in Cinemascope. Taschentücher frei. (Die Grenze zwischen Personalisierung und Öffentlichem, zwischen Realität und Fiktion, die hier 'verschwommen werden soll', wird markiert durch die Grenze, welche zwischen Dramaturgie und Demagogie verläuft. Und die ist messerscharf.)

Dieses Stück funktioniert also auch in der etwas prekären Variante als Musical. Es ist ja auch ein starkes Stück. Mit einem Ausnahme-Schurken. Dessen durfte man heute in Berlin angesichts der Rücktrittserklärung im Verteidigungsministerium Zeuge werden.

Leider war die Premiere dieser Schlussarie auch schon die Derniere. Allerdings sei allen hoffnungslos verführbaren Romantikern und Kitschjulen zum Trost gesagt, dass wir im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit von Kunstwerken leben; mit Sicherheit wird uns diese grandiose darstellerische Meisterleistung noch lange via TV und Internet verfolgen.

Warum ist dieser Mann vergangenes Wochenende bei der Oscarverleihung leer ausgegangen? Ein Skandal! Man darf hoffen, dass er wenigstens beim Eurovision Song Contest Deutschland ins Feld führen wird, denn auch dort wird unsere Freiheit verteidigt. Und auch dort wird er unschlagbar sein. Das macht sein heutiger Auftritt wohl auch dem letzten Zweifler klar.

Mach's gut, Gutti. Vorhang.

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