Schlag gegen die Pressefreiheit

Bosnien Fahnder durchwühlen die Redaktion eines kritischen, populären Internetportals. Bosnische Medien unter heftigem Druck.

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Schlag gegen die Pressefreiheit

Foto: -/AFP/Getty Images

Der Journalismus in Bosnien gleicht einem Vassallen-Journalismus, bei dem die Grenzen zwischen Journalismus und PR quasi nicht vorhanden sind. Beispielsweise gehört das Boulevard-Blatt „Avaz“ dem ehemaligen Verteidigungsminister und Gründer der aufstrebenden Partei SBB, Fahrudin Radoncic.

In Banja Luka, der Hauptstadt der Republika Srpska, stehen de facto alle Medien unter dem Zepter des noch immer allmächtigen und omnipräsenten Milorad Dodik. Sie unterscheiden sich kaum von Medien aus totalitären Staaten.

Manus manum lavat

Des weiteren gibt es eine Gruppe von vermeintlich unabhängigen Medien, die nach dem Motto „manus manum lavat“ mit der politischen Kaste zusammenarbeiten und sich so ihre Existenz sichern.

Doch es gibt auch eine kleine Gruppe von wachsamen, unbequemen und mutigen Medien und Journalisten, die seit Jahren von der politischen Elite Bosniens wie Verbrecher behandelt werden. Diese Erfahrungen musste nun auch das Nachrichtenportal „Klix.ba“ machen.

Festplatten, CDs, Handys beschlagnahmt

Der vergangene Montag war alles andere als ein normaler Tag für die Mitarbeiter des populärsten bosnischen Internetportals. Gegen neun Uhr morgens klopften Ermittler der Polizei der kleineren bosnischen Teilrepublik an der Tür der Redaktion. Was danach passierte ist bis dato einmalig in der Geschichte Bosniens und zugleich der massivste Angriff auf die Pressefreiheit. Über sieben Stunden durchwühlten die Ermittler der Republika Srpska (RS) die Redaktion, zerstörten eine Vielzahl von Computern, beschlagnahmten Festplatten, CDs, USB-Sticks und die Mobiltelefone der Chefredaktion.

Anlass der Razzia ist die Veröffentlichung eines Gesprächs der Regierungschefin der RS, Zeljka Cvijanovic, die offen über den Kauf von Parlamentariern spricht. Dass Pressefreiheit in Bosnien eine Frage der Interpretation ist und dass unbequeme Journalisten permanenten Anfeindungen und Drohungen ausgesetzt sind, ist nichts Neues. Diese Polizei-Aktion erreicht jedoch eine neue Dimension und ist weit mehr als eine blosse Razzia. Die Aufnahme des Gesprächs der Regierungschefin steht schon seit zwei Monaten im Netz, und seitdem wird massiv Druck auf die Redaktion des Internetportals ausgeübt. Die Ermittler interessiert dabei nur eine Frage: Wer ist die Quelle? Wer ist der Informant?

Die Hände der Könige reichen weit

Die Redaktion wehrt sich bis heute entschieden gegen Drohungen und verweist auf die per Verfassung garantierte Pressefreiheit, wonach Journalisten ihre Quellen nicht offen legen müssen. Dass Paragraphen in der bosnischen Verfassung schnell zu Makulatur werden können, sobald die Elite der bosnischen Oligarchie sich auf den Schlips getreten fühlt, zeigt diese Razzia auf beeindruckende Art und Weise.

"Weisst du denn nicht, dass die Hände der Könige weit reichen", fragte damals der römische Dichter Ovid vielsagend. Diese Frage hätte man den Mitarbeitern des Internetportals Klix.ba stellen können.Plötzlich sahen sie Beamte der Republika Srpska mitten in Sarajevo - ausgestattet mit einem Durchsuchungsbefehl des örtlichen Gerichts und unterstützt von lokalen Polizeibeamten des Kantons Sarajevo.

Getrennte, eigenständige Entitäten

Bosnien besteht aus zwei sogenannten Entitäten: der Föderation Bosnien und Herzegowina (früher auch bekannt als Bosniakisch-Kroatische Föderation) und der Republika Srpska.

In Bosnien besteht der rechtsstaatliche Grundsatz der Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative innerhalb der Entitäten. Jede Entität hat Ihre eigene Polizei, die innerhalb ihrer Entitätsgrenzen agiert. Jeder Versuch einer umfassenden Polizeireform scheitert seit Jahren kläglich. Daher ist es äusserst überraschend, dass in der Causa „Klix“ die Entitätsgrenzen überschritten wurden. Plötzlich scheint eine entitätsübergreifende Zusammenarbeit doch möglich. Es versteht sich, dass in den Bereichen Korruptionsbekämpfung, Geldwäsche und dem florierenden Drogenhandel keine Zusammenarbeit zustande kommt.

Machtdemonstrationen der Serben der Republika Srpska

Diese Razzia scheint nichts weiter, als eine Machtdemontration von Milorad Dodik und seiner immernoch mächtigen ultranationalistischen SNSD zu sein. Nach dem Motto: „Seht her ihr nervigen Journalisten, wenn ich will, krieg ich euch auch in Sarajevo“. Dass das örtliche Gericht in Sarajevo sich dem augenscheinlichen Druck aus Banja Luka fügt, hat in der bosnisch-kroatischen Föderation ein Sturm der Empörung ausgelöst. Das Gericht in Sarajevo hat nun eine „innere Revision“ angekündigt.

Was die politische Elite in Banja Luka umtreibt, ist nicht etwa die offensichtliche Korruption im Parlament der RS, nein, es ist vielmehr die Frage, wer der Whistleblower ist. Es herrscht Panik, dass der Präsidentenpalast in Banja Luka undicht geworden ist. Der fest verschlossene und vermummte Machtapparat wurde kurze Zeit durchsichtig. Die veröffentlichte Aufnahme ist ein Albtraum für die dortige korrupte Elite. Unlängst wurde dem kritisch-berichtenden TV Sender „BN“ aus Bjeljina der Zugang zum Regierungsgebäude verweigert und die Berichterstattung erschwert. Dodik hat seit jeher immer grossen Wert auf eine mediale Homogenität in der RS gelegt. Pressefreiheit – das bedeutet für ihn: Berichte, die grünes Licht aus der eigenen PR-Abteilung bekommen haben.

Was sind die Konsequenzen?

Auf der Aufnahme ist die Stimme von Zeljka Cvijanovic eindeutig zu erkennen, bei der sie ihrer Gesprächspartnerin nonchalant berichtet, wie zwei Parlamentarier gekauft worden sind und sie (die Gesprächspartnerin) sich deshalb keine Sorgen machen müsste.

Diese Aufnahme ist schon seit über zwei Monaten auf Youtube vorzufinden, und es gibt keinerlei Anzeichen, dass ihr jemals ein Prozess aufgrund offensichtlicher Korruption gemacht wird. Viele serbische Politiker verweisen darauf, dass jene Aufnahme nicht authentisch sei. Jedoch scheint sie authentisch genug zu sein, um Redaktionen zu verwüsten und Journalisten massiv zu bedrohen.

Hierbei gilt es anzumerken, dass Zeljka Cvijanovic als die Kronprinzessin von Milorad Dodik gilt und als „kongeniale“ Partnerin im arg nationalistischen Säbelräseln fungiert, welches nach wie vor ein probates Mittel zum Machterhalt in Bosnien ist. Auch wenn sie bei der vergangenen Wahl eine empfindliche Niederlage einstecken musste, bleibt sie Dodiks rechter Arm und enorm wichtig für die SNSD. Was für einige Banken während der Finanzkrise galt, die als systemrelevant eingestuft und als „too big to fail“ deklariert worden sind, gilt auch für Zeljka Cvijanovic. Sie ist systemrelevant für die nationalistische Politik von Milorad Dodik und ist deshalb: „Too big to jail“.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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