Frauen dürfen in der Schweiz zwar erst seit 1971 auf Bundesebene wählen. Aber seither wird Dampf gemacht. Und nun haben all die Interpreten, die im Nein des Schweizer Souveräns zum Bau von Minaretten nur das verquere Verhalten eines verunsicherten und verängstigten kleinen Volks sehen, ein echtes Problem - also auch ich. Wie Andreas Zumach heute in der taz schreibt, waren am Ausgang der Wahlen vor allem progressive Schuld:
"Ausschlaggebend für die landesweite Mehrheit war - ebenfalls ähnlich wie in den Niederlanden und Belgien - nach Überzeugung der beiden PolitologInnen Regula Stämpli und Michael Hermann die hohe Zustimmung von Frauen, die sich als Feministinnen und als links verstehen und zum Teil bei den Grünen oder der Sozialdemokratischen Partei aktiv sind. 'Diese Frauen wollten ein Zeichen setzen gegen eine Kultur, die sie als autoritär, machohaft und aggressiv empfinden', erklärt Hermann. Sie verbänden mit dem Islam vor allem Burka, Scharia, 'Ehrenmorde' und andere Formen der Unterdrückung von Frauen."
Ein Hammer, aber warum wurde das in den Prognosen nicht erkennbar?
"Ein Teil der VerbotsbefürworterInnen aus dem linken Lager legte am Abstimmungssonntag aus persönlichen oder taktischen Gründen ein 'Ja' in die Urne in der durch alle Umfragen genährten sicheren Erwartung, dass die Initiative landesweit keine Mehrheit erhalten werde. Und bei den Umfragen vor der Abstimmung, die zumeist nicht anonym, sondern telefonisch durchgeführt wurden, gaben sie an, mit 'Nein' stimmen zu wollen. Das ist einer der wesentlichen Gründe, warum der Schweizer Umfrageguru Claude Longchamps so weit danebenlag wie nie zuvor."
Wenn das stimmt, sollte man wirklich in sich gehen. Aus dem Abstimmungsresultat spricht dann gewiß auch, aber eben nicht nur der Kleingeist von Kantonen wie Appenzell Innerrhoden, in dem notabene das Frauenstimmrecht erst 1990 einführt wurde, und wo weit und breit kein Minarett zu sehen ist, sondern auch der Geist von aufgeklärten, weltläufigen Frauen, wo immer sie gerade wohnen.
Was tun? Die "offensichtliche Fremdenfeinlichkeit in der Schweiz trägt fundamentalistische Züge" schreibt Thomas Steinfeld heute in der "SZ" (S. 13), und sieht darin einen über die Schweiz herausreichenden "westlichen Fundamentalismus". Steinfeld meint das angstbesetzte Festhalten an der "nationalen Immobile im Zeichen globaler Bodenlosigkeit". Das Festhalten an den westlichen Werten der Aufklärung meint er nicht.
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