Wegen dieser Kolumne stehe ich unter enormen Druck, ich muss das kurz sagen, um ihn etwas rauszulassen. Es gab große Bedenken unter den Kollegen: Man dürfe RTL und seiner Inszenierung nicht auf den Leim kriechen, längst nicht alle schauten diese Sendung, und wer sie schaut, eventuell seit Jahren schon, der finde wenig Neues. Mehr noch, drei der wichtigsten Medienkritiker dieses Landes hatten abgelehnt, über das Dschungelcamp, offizieller Name Ich bin ein Star – holt mich hier raus, zu schreiben.
Ich gebe zu, so etwas macht mich heiß. Meine Rede ging ungefähr wie folgt: Kollegen, das ist eine wichtige Sendung. Hier werden gesellschaftliche Themen verhandelt, nehmt nur die Larissa, Model und Tochter eines FPÖ-Politikers aus Klagenfurt. Terrorisiert die anderen Kandidaten mit ihrer Spinnenphobie und Exaltiertheit, früher hätte man gesagt, eine Hysterikerin, aber dann erfährt man, dass sie Schauspielerei am Lee Strasberg Institute studiert hat, und nun kommt der Chef-Checker unter den Camp-Bewohnern, der Glatzeder (Winfried) und sagt, vielleicht schauspielt die nur, das wäre der Hammer!
Was ist echt und was gespielt, was normal und was verrückt? Michel Foucaults Fragen werden in diesem Camp gestellt, und das mit durchaus unklarem Ausgang. Aber es wird noch elementarer, die Sendung stellt die Grundfrage: Was ist der Mensch? Denn das ist es ja, was wir im australischen Urwald erkennen: Die Rückverwandlung einer medialen Rolle in ein menschliches Wesen, auch Larissa ist ja jetzt dabei, sich teilweise zurückzuverwandeln. Wo aber der Mensch ist, ist das Soziale. Und darum geht es doch im Dschungelcamp: Eine Ansammlung von Superegoisten entdeckt den Anderen, das Du, im Sinne des großen Philosophen Emmanuel Levinas.
Ja, das alles habe ich gesagt oder wollte es sagen, aber nun dieses: Der Wendler ist weg. Hat einfach aufgehört, und, wie er betonte, auf viel Geld verzichtet. Warum genau er am Montag hingeschmissen hat, ist ihm wohl selbst nicht ganz klar. Aber viele denken nun, dass der Wendler eben doch der Wendler geblieben ist, nicht zum „Michael“ wurde, wie er versprochen hatte. Glatzeder hat es ihm ins Gesicht gesagt: „Du hattest einen Plan, wolltest dich kurz wieder ins Gespräch bringen, um deine Platte zu promoten.“
So kennt man ihn doch, den Schlagerfuzzi, der sogar den Schlager auf ein unfassbar tiefes Niveau gebracht hat („Sie liebt den DJ“), die Ego-Maschine Wendler, die von sich selbst sagt, „ich wäre mein größter Fan“. Die Lügen-Maschine Wendler. Erst hieß es noch, „ich mache aber keine Prüfungen“, dann: „ich mache alle Prüfungen“, und als er dann doch nicht ran durfte, war er beleidigt. Ja was denn nun? Quo vadis Wende-Wendler?
Aber ich muss sagen, er hatte einen gewissen Eigensinn, und eloquent war er, konnte immer gut begründen, was ihm die anderen als Fehler ausgelegt haben. Ich kenne mindestens zwei Leute, die genau so ticken wie er. Würde nicht gerade sagen, dass er ein „Spiegel der Gesellschaft“ ist, aber ein Verstärker von Tendenzen, das auf jeden Fall. Superinteressant. Und jetzt, wo er weg ist, ist da eine tiefe Leere. Kann nicht gefüllt werden, nicht durch Larissa, nicht durch Glatzeder, nicht durch die Melanie Müller, am ehesten noch durch den Bendel, eine Figur wie der Mittler aus Goethes Wahlverwandtschaften, will alles und alle „verstehen“, aber von den dunklen Regionen versteht auch dieser Mittler nichts. Es ist vorbei, ich bin raus, schaue ab sofort nicht mehr. Vielleicht mal wieder Levinas lesen.
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