Warum so schüchtern?

Finanzsystem Die G20-Staaten haben einen Zeitplan zur Regulierung der Schattenbanken beschlossen. Sie hätten deutlich mehr tun können
Ausgabe 37/2013
Warum so schüchtern?

Foto: Martin Ruetschi/ dpa

Gerade so haben sich die G20-Staaten in St. Petersburg darauf geeinigt, bis 2015 das Reich der Schattenbanken unter Kontrolle zu bringen. Der Finance Stability Board (FSB) soll dazu ein Konzept entwerfen. Aber ob das je wirksam wird? Der größte Teil dieses grauen Finanzmarkts aus Hedgefonds, Wertpapierdepots und Versicherungen entfällt auf die USA und Großbritannien, die sich bekanntlich schwertun mit allem, was ihren lukrativen Finanzindustrien lästig wird.

Schattenbanken sind Finanzfirmen, die Bankgeschäfte betreiben, ohne offiziell Banken zu sein, ohne Banklizenz und -aufsicht. Sie machen alles, was reguläre Banken auch tun – von der Kreditvermittlung bis zur Risikoabsicherung. Nur brauchen sie sich um die Regeln der Branche nicht zu scheren, halten ein minimales Eigenkapital, operieren mit abenteuerlichen Kredithebeln und werfen sich mit Vorliebe auf hochriskante spekulative Geschäfte.

Wie im Kampf gegen "Steueroasen"

Sie haben freilich keinen Zugang zur jeweiligen Zentralbank, können dafür aber das Leben im Regulierungsschatten in vollen Zügen genießen. Von den Einlagen im Bankensystem entfallen rund drei Billionen Dollar auf Schattenbanken, woraus sich ersehen lässt, ohne deren Zusammenspiel mit regulären Geldhäusern gäbe es weltweit keine Schattenbankgeschäfte mit einem Volumen von 70 Billionen Dollar, wovon 31 Billionen auf die EU-Staaten entfallen. Nationale und europäische Regulierungen greifen nicht, da nur ein Bruchteil dieser Akteure überhaupt in Europa registriert ist. Die Mehrheit sitzt in Offshore-Finanzplätzen.

Wie man diesem Schattenreich ein Ende machen kann, ist bekannt. Schattenbanken brauchen Regulierungsoasen. Um die auszutrocknen, braucht es die gleichen Mittel wie im Kampf gegen Steueroasen. Die schärfste Waffe wäre freilich ein Entzug der Lizenz für alle Banken, die Filialen in Steueroasen betreiben. Auch könnte man Schattenbanken direkt regulieren, indem alle Finanzdienstleister, die De-facto-Bankgeschäften nachgehen, gezwungen werden, sich als Banken registrieren zu lassen. Die US-Börsenaufsicht SEC ist da schon vorgeprescht mit dem Vorschlag, Geldmarkt-fonds ebenso wie Hedge- und Private-Equity-Depots den gleichen Auflagen auszusetzen wie reguläre Geldinstitute.

Gemeint sind damit die Basel-III-Vorgaben – jenes Kompendium der Bankenregulierung, das der G20-Gipfel vom September 2010 in Südkorea verabschiedet hat. Es schreibt vor, das sogenannte harte Kernkapital der Banken um das Dreieinhalbfache zu erhöhen. Hinzu kommen neu eingeführte Kapitalpuffer, wonach Finanzinstitute verpflichtet werden, zusätzliches Kapital aufzubauen, um bei Krisen besser gewappnet zu sein. Warum sollte all das nicht auch für Schattenbanken gelten? Sie sind so etwas wie ein potenzieller Nährboden der nächsten Weltfinanzkrise. Die von 2008/2009 jährt sich gerade zum fünften Mal. Denn es war am 15. September 2008, als die US-Investmentbank Lehman Brothers gezwungen war, die Schalter zu schließen. Eine internationale Kettenreaktion hat diesen Crash gehörig potenziert.

Da sollte man doch verlangen, dass die G20 etwas mehr tun, als einen famosen Zeitplan zu beschließen. Der verschafft den Schattenbanken und ihren Lobbyisten nur einen erneuten Aufschub.

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