Sprecher der Christenheit

Beobachtungen Die Zukunft liegt in Afrika. Vielen ist das schon länger klar, aber das ist nicht das einzige Zwischenergebnis der katholischen Weltsynode.

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Fragten sich letztes Jahr manche, ob in Deutschland Weihnachten gefeiert würde (they did), so waren dieses Jahr manche gespannt, ob in der Weltkirche Ostern gefeiert würde. Denn mit dem Ostermorgen wird laut Kirchenverständnis ja „alles neu“. Aber tatsächlich (they did): Das „Fest des Lebens“ wurde fröhlich gefeiert. Auch in Deutschland waren viele Kirchen voll.

Volle Kirchen

Soweit scheint also alles „in bester Ordnung“. Eine Nagelprobe für die weltweite Kirche steht freilich noch aus: Nämlich, ob dieses Jahr weltweit in der Weltkirche auch das Pfingstfest begangen wird.

Bei Pfingsten ist denn eigentlich ja weniger an das große „Brausen“ zu denken, von dem berichtet wird, und an die erstaunliche Verständigung in vielen Sprachen. Als vielmehr an die fundamentalen Bestimmungen, die laut Kirchenverständnis damit verbunden sind, dass die Jüngerschar mit dem göttlichen Geist ausgestattet wird: „Kinder Gottes sind die, die sich von Gottes Geist leiten lassen“ (Röm 8,14) und „der eine Geist schenkt viele Gaben“ (1 Kor 12,1.4ff).

Weltsynode

Würde jemand als Unbeteiligter aber mit Sympathie für das weltkirchliche Geschehen einen Blick auf die katholische Weltsynode mit ihren verschiedenen Dokumenten werfen und diese überfliegen, fiele wohl als erstes auf: Wie viele biblische Begriffe dort verwendet werden (wie z.B. Geist, „Christus“, Priester). Viele davon sind treffend gesetzt. Viele sind allerdings unbestimmt und unklar. Sie sind inhaltlich unterbestimmt: ihre „Abkunft“ und ebenso, „worauf sie hinauslaufen“...

Einen schönen Rahmen der Überlegungen des Europäischen Dokuments zur Synode (im Folgenden: Europäisches Dokument) bietet indes das biblische Psalmwort Ps 85,11, Seite 38 und 64: „Love and truth will meet”. An drei Stellen bzw. Aussagen wird im Weiteren die biblische Grundierung des Texts besonders deutlich:

Gnade ist Wahrheit im Christentum

In der Person des „Christus“ sind Wahrheit und Gnade identisch (Joh 1,14.17). Das Dokument hält fest, dass Gnade und Wahrheit zusammenhängen.1 Nun – „Was ist Wahrheit?“ (Joh 18,38; vgl. 4,24; 16,13; 17,17) Man denke an die biblisch orientierte Definition: „Wahr ist etwas, wenn es hält, was es verspricht“. Hier spricht das Europäische Dokument mit dem engen Zusammenhang von göttlicher Gnade und Wahrheit („Truth and mercy“) also eine „große Wahrheit“ aus (wenn auch manche Präzisierungen noch einer genaueren Ausarbeitung harren).

Priestersein der Getauften

Bei den Beratungen in Prag war vor Ort eine biblische Grundaussage präsent: Im Alten Testament wird das gesamte Gottesvolk als priesterlich bezeichnet. Diese Aussage und Zuschreibung wird im Neuen Testament genauso wiederholt (1Petr 2,5.9; 2. Mose 19,6; vgl. Jes 61,6; Apk 1,6). In der Taufe wird diese Priesterqualifikation jede/m Getauften zugesprochen.

Kriterium der so qualifizierten Priester ist, dass diese [nun] „in Christus“ sind und umgekehrt „Christus in ihnen“2 (Gal 2,20a; Eph 3,17; Joh 17,23a):

Christologisch zentriert

Bemerkenswert ist des Weiteren diese klare christologische Zentrierung und Fundierung3, wie sie auch in anderen Dokumenten der Weltsynode zum Ausdruck kommt (z.B. Nordamerikanisches Dokument Nr. 23; Celam Dokument, Nr. 43). Was heißt „Christus“? In inhaltlicher Bestimmung wird man dabei sicherlich besonders an den Christus

- der Bergpredigt,

- der Reich-Gottes-Rede, und

- der Gleichniserzählungen denken.

Biblische Begriffe und ihre Übersetzung

Die Weltsynode und deren Dokumente, die in der Kontinentaletappe ja nur Zwischenergebnisse darstellen, haben insoweit schon jetzt einen vielfältigen Nutzen... Das Dokument lenkt mit seiner biblischen Rahmung den Blick aber noch auf eine weitere wichtige Thematik. Denn die kühne Übersetzung „Love and Truth“ (s. auch in der italienischen Übersetzung: „Amore e verità“) ist zumindest fraglich. Würde man sich an die lateinische – lange Zeit die einzig zugelassene – Übersetzung halten, wäre sie: falsch. Denn in der lateinischen Vulgata heißt es: „misericordia et veritas ocurrerunt“. Andererseits steht im hebräischen Original „chäsäd we'ämät" ...

Das lenkt Aufmerksamkeit auf die Frage, welcheund inwieweit wirklich zutreffendeÜbersetzung in den jeweiligen Landessprachen genutzt werden! Denn wer z.B. seinen lateinisch-sprechenden Mitbruder unter Angabe einer Vulgata-Bibelstelle auf etwas hinweist, ruft bei diesem unter Umständen einen anderen Wortlaut auf, als er vielleicht selbst in seiner slowenischen, portugiesischen oder auch brasilianischen Übersetzung vorliegen hat… Das gilt besonders bei einzelnen Begriffen, sowie bei ganzen Themenfeldern.

Die Stimme Afrikas

In den letzten Jahren hat mit der gegenseitigen Anerkennung der Taufe zwischen den verschiedenen Denominationen die weltweite Christenheit eine große Inspiration erfahren!

Nicht zuletzt in dieser Hinsicht hat jetzt insbesondere – und völlig zurecht – Afrika seine Stimme erhoben. Unter Berufung auf Eph 2 wird eingefordert4: „Africans have equal responsibility for the doctrines and teachings of the Church in collaboration with other local Churches (Eph. 2:19).“ Wer wollte hier widersprechen. Die Zukunft liegt in Afrika.

Sprecheramt der Christenheit

Der unvergessene Johannes Paul II. hat während seiner Amtszeit ein offenes Gesprächsangebot an die Christenheit gerichtet, in welcher Weise die Amtsführung des primatialen Vatikan wohl am besten sei. Damals hat das teilweise ein verhaltenes Echo gefunden. Diskutiert wurde dann im Weiteren, ob der Vatikan ein Sprecheramt für die Christenheit ausüben könne.

Vielleicht ist nun in unseren Zeiten – in denen im Vatikan ein echtes Bemühen besteht, sich weiter („semper purificanda“) am Haupt und Ursprung des Evangeliums zu orientieren (Kurienreform u.a.), durch die konsiliaren Gesprächsformen der Weltsynode und die biblisch grundierten Zwischenergebnisse ein Kairos entstanden, und es könnte in der Weltchristenheit möglicherweise die Frage entstehen (freilich wäre dazu noch manches zu klären), ob die Weltkirche der Kurie in Zukunft das Sprecheramt zugestehen und überlassen kann.

1 „the fundamental truth of Jesus Christ is a moment of grace and mercy because mercy leads to truth“ (English language online working group), Europäisches Dokument, S. 57.

2 „In baptism we are grafted into Christ“ (Slovenia), S. 47. “We must recognise and reaffirm our common baptismal dignity as the basis for renewal of life and ministries in the Church. Every baptised person must become more aware of their identity, dignity and vocation in Christ. …“ (Scotland), S. 47. „The intuition that emerged strongly in this synodal journey was the rediscovery of the baptismal dignity and the common responsibility derived from it for the edification and mission of the Church“ (Italy), S. 47.

3 „Conversion, understood as interior and exterior conformation to Christ the servant, should be the first and last criterion of the synodal journey, which shapes the style of the Church of the future“ (Turkey), Europäisches Dokument, S. 45; „only on this Christological basis“ (Bosnia and Herzegovina), S. 45/46. – Auch wenn betont wird: „all specific authority in the Church proceeds from Christ, and is guided by the Holy Spirit“ (S. 61), und „the Holy Spirit as the main protagonist“ (S. 46) beschrieben wird, bleibt dabei durchgehend die trinitarische Grundlegung gewahrt.

4 „2. African voices and values should be taken into consideration when elaborating the doctrines and teachings of the church, values such as family, solidarity, communitarian life, reverential dialogue, hospitality and co-responsibility.

Africans have equal responsibility for the doctrines and teachings of the Church in collaboration with other local Churches (Eph. 2:19). Accordingly, it is paramount that their experiences and ever-evolving cultural values be taken into consideration and their problems be always equally considered. This will help them to own the teachings and to be committed to living them out.“ Afrikanisches Dokument, S. 11.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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