Biblische Poesie

Meinung- Literaturwissenschaft Das Judentum und das Christentum verbindet weit mehr, als sie voneinander trennt.

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Poeten sind oft Menschen voller Geist, heißt es. Sie wissen Worte weise zu setzen. Sie erfreuen oder erschrecken, ermuntern und belehren. Mit Witz und Erzählung, Inspirationen und Pointen. Sie reden von Ängsten, Sorgen, Freude und Hoffnung.

Indem Menschen immer wieder der Poesie nachhören, können sie an deren Geist partizipieren.

Vom jüdischen Tanach lernen

Im einem Museum in Jerusalem ruht ein besonderer Schatz: Eine annähernd vollständig erhaltene Schriftrolle des Buches Jesaja. Ein klassisches Beispiel voll biblischer Poesie.

Dort (wie ebenso an vielen anderen Stellen des biblischen Tanach) lässt sich ein durch und durch positives Bild des Judentums gewinnen. Fern ab von allen marktschreierischen Verleumdungen. Im Jesaja-Buch werden kühne Visionen entworfen von einer Zeit, in der alle Völker in Frieden miteinander leben (sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen). Die heilige Stadt wird ein Haus für alle Völker sein (mein Haus wird ein Haus für alle Völker sein). Und die poetischen Worte werden lebendig in Geist und Sinn der Menschen (die Worte werden in ihnen sein).

Wodurch ist das erreicht? Durch die kontinuierliche Erziehung und Bildung im Wort. Durch die Wirkung ihrer Poesie und ihre Gestaltungskraft: Auf Herz und Sinn, auf die jeweiligen Gottesvorstellungen und die individuelle Lebensführung. (Davon ließe sich viel lernen.)

Im biblischen Tanach wird Gott als ein Gott der Barmherzigkeit vorgestellt. So dass mit gutem Recht die jüdische Religion nicht nur als Religion der Schrift, sondern auch als Religion der Barmherzigkeit bezeichnet wurde. So kennt die Wissenschaft den als Gnadenformel identifizierten Satz: „Barmherzig, gnädig und von großer Geduld“ ist der Gott (z.B. Ps 145,8). Eine Formel, die durchgängig durch den gesamten Tanach in vielen Kontexten und in verschiedenen Varianten zu finden ist.

Der biblische Tanach ist ja das Grundbuch der jüdischen Religion, nicht nur mit den poetischen Prophetenbüchern, mit den Psalmen und seiner Weisheitsliteratur, sondern auch mit den weiteren Geschichtsbüchern, der Thora, und den großen ethischen Grundlagentexten wie den 10 Geboten (Das Zehn-Wort).

In die Schrift! begeben

„Die Bibel ist ein Fluss, in dem der Elefant schwimmen und das Schaf zu Fuß gehen kann" (Gregor der Große)

In diesen Strom hat sich auch Jesus von Nazareth gestellt, etwa in der Auslegung der zehn Gebote, in der Auslegung von Gesetz und Prophetie.

Darum begeben sich auch dessen (nicht nur literarische) Nachfolger folgerichtig und konstitutiv in die Schrift und ihre Auslegung: Die Biblische Poesie gibt (literatur-wissenschaftlich und literaturpragmatisch) Grund und Beispiel, Argumente und Berechtigung, um den Weg eines jeden (ihrer) Nachfolger zu gestalten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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