Quellen des Judentums: Vertrauen

Religionskunde (1) Ob beim Exilspropheten Jesaja oder in der reichen Psalmenpoesie: Vertrauen ist im Judentum ein Schlüsselwort.

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Vertrauen ist eines der wichtigsten Worte des Judentums. Das zeigt sich exemplarisch in der Zeit des Exils. Etwa in den Schriftrollen des Jesaja (ab dem 8./7. Jahrhundert v. Chr.), wo das hebräische Wortfeld amn / 'mn אמן schon rein philologisch große Bedeutung hat. Auch in der zentralen Abrahams-Überlieferung ist Vertrauen ein Schlüsselwort. Ganz zu schweigen von der jüdischen Psalmenpoesie.

Das Wortfeld amn

amn meint im Hebräischen Vertrauen und Beständigkeit. Zur Wortwurzel und Wortfamilie mit ihren Ableitungen und Derivaten gehören noch weitere Facetten, wie der Blick in ein hebräisches Wörterbuch verrät. Neben Bestand und Beständigkeit kann es das Zuverlässige bedeuten. Auch das, was Sicherheit oder Gewissheit verleiht. Von schalom w'ämät handelt zum Beispiel Jeremia 33,6: Friede und Sicherheit. Die Psalmen reden von beständiger Zuverlässigkeit, etwa Ps 108,5; Ps 57,11.

amn ist also, neben anderen, eines der großen Leitworte im Judentum. Weitere sind Vergebung und Versöhnung, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, und etliche mehr (davon an anderer Stelle).

Jesaja

Ein gutes Beispiel für die Bedeutung von amn ist das Buch Jesaja. Die Texte stammen aus dem weiteren Umfeld des jüdischen babylonischen Exils (597/587 v. Chr.), in Schichten zum Teil wohl früher, zum Teil wohl während des Exils oder später verfasst. Es gibt gut erhaltene Schriftrollen von diesen Texten, die auf das 2. Jahrhundert v. Chr. datiert werden. Das Buch wird allgemein in drei Einheiten unterteilt, mit den Kapiteln 40 bis 55 in der Mitte, was uns hier aber nicht weiter beschäftigen muss.

Für unseren Zusammenhang wichtig zu sehen ist: Wie in dieser historischen, paradigmatischen Situation des drohenden und eingetretenen Exils in der also die Frage virulent ist, was denn Bestand hat und was Beständigkeit verleiht bei Jesaja eben diese Frage beantwortet wird? Die Antwort lässt sich in die kurze Formel bringen: Mit Vertrauen habt ihr Bestand“ (vgl. Jes 40,31; 30,15 u.ö., vgl. Jes 7,9, hier im Hebräischen ein bewusstes Wortspiel innerhalb des Wortfeldes amn). Ob nun mit Verwendung der Wortwurzel amn oder ob in sinngemäßer Verwendung: Vertrauen ist bei Jesaja sehr zentral, nicht zuletzt in den Kap. 40-55.

Abraham

Auch schon bei den Erzeltern-Erzählungen zum Stammvater Abraham spielt amn eine große Rolle. Als er mit den Seinen aus Ur und Haran zieht, ereilt ihn das Wort: Geh aus deinem Vaterland … in das Land, das ich dir zeigen will. Umstandslos hören wir direkt im Anschluss: Und Abraham ging… (Genesis 12,1-4). Er hatte also das Vertrauen. Nicht anders, als ihm verheißen wird, seine Nachkommen würden so zahlreich wie die Sterne am Himmelszelt (Gen 15,6), Abraham vertraute. Und ebenso an vielen anderen Stellen. So kann Abraham mit gutem Recht als Stammvater amn's, als Stammvater des Vertrauens gelten.

Poesie der Psalmen

Dass die Psalmen voller Vertrauen stecken, braucht kaum eigens erwähnt zu werden. Nicht nur in geradezu kindlichem Zutrauen (Ps 131) und Zuversicht wie in bekannten Vertrauenstexten wie Psalm 23 kommt das zum Ausdruck, sondern eigentlich durchgehend in der Grundhaltung, in der vertrauensvollen und zuversichtlichen Wendung des jüdischen Beters und Gebets zu seinem himmlischen Gegenüber. Im einfachen alltäglichen Dank, in der Bitte um dies und jenes (auch in der Bitte um eben jenes Vertrauen, um amn), im Lob für erfahrene Hilfe, in der Klage, wo etwas fehlt, im Besingen der kostbaren Schöpfung, und was an der reichen hebräischen Poesie noch mehr im Psalterbuch begegnet.

Hier kehren in der poetischen Form auch all die großen Themen wieder von Gerechtigkeit oder Barmherzigkeit, s.o., und von Vergebung (was im eigentlichen Sinn ja ein Neu werden meint). So dass man die Poesie der Psalmen auch als eine poetische Zusammenfassung des Judentums bezeichnen kann. Wartet nicht erst auf vielleicht ferne mirakulöse Wunder, „sondern rezitiert Psalmen“, heißt es in der rabbinischen Tradition.

amn im jüdisch-christlichenGespräch

Von der vielschichtigen Wurzel amn leitet sich nicht zuletzt das deutsche Wörtchen AMEN ab, das auch Christen am Ende eines Gebetes sprechen. Schon deshalb stellt amn, Vertrauen und Beständigkeit einen wichtigen Anknüpfungspunkt für das Gespräch zwischen Juden und Christen dar. AMEN meint bekräftigend: Ja, so sei es. Dies hat und habe Bestand.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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