Wirklich #moderndenken

Dessau In Zeiten, in denen sich die Wohnungsfrage wieder als drängendes soziales Problem stellt, stünde es dem Bauhaus gut, die politische Indifferenz abzulegen
Ausgabe 43/2018
Wie wäre es, das Bauhaus-Erbe für soziale Modernität zu nutzen?
Wie wäre es, das Bauhaus-Erbe für soziale Modernität zu nutzen?

Foto: Jens Schlüter/Getty Images

Es bleibt dabei: die Stiftung Bauhaus Dessau untersagt den Auftritt der von manchen als linksradikal bezeichneten Band Feine Sahne Fischfilet in ihrem Haus. Die Presseerklärung von Montag klingt allerdings reuevoll: „Wir bedauern es sehr, mit unserer Absage des Konzertes (...) die Öffentlichkeit enttäuscht und (...) das Bauhaus als unpolitisch dargestellt zu haben.“ Man befindet sich mitten in den Vorbereitungen für das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum 2019. Dessau sieht dabei im Vergleich zu Weimar und Berlin nicht so gut aus.

Mit dem Slogan „Hier macht das Bauhaus Schule“, Hashtag #moderndenken, startete die Regierung in Magdeburg daher den Versuch, das Ansehen des ein wenig abgeschlagen im Ranking der Bundesländer stehenden Sachsen-Anhalt aufzuwerten. Man hat an Modernität durchaus einiges vorzuweisen. Zum Beispiel ein im Bundesvergleich progressives Landesmediengesetz, das etwa den freien Radiosender „Corax“ ermöglichte, den man als verlässliche Stimme gegen die nationalistischen Tendenzen bezeichnen kann.

Im Kulturkampf um die rechten Zeichen nationaler Leitkultur verbünden sich aber wieder einmal Teile der regierenden CDU mit der AfD, die auf Imagegewinn beim national orientierten Publikum schielt. Das funktioniert verlässlich, seit mit dem Terminus „entartet“ Massen gegen die „Schmierereien“ moderner Kunst aufgebracht werden konnten. Diesmal geht es gegen „Zecken-Punk“. Das nächste Ziel wird der Kosmopolitismus einer Gestaltungsauffassung sein, die den einen als modern, den anderen als entartet gilt. Schon 1926 erklärte ein „Bürger-Verein“: „... diese Bestrebungen haben mit deutschem Wesen nichts zu tun.“

Es geht vor allem um die Hoheit über die Zeichen. Das Bauhaus wird als eine Art linksliberale Institution angesehen. Die unübersehbare Scheu vor einer Stellungnahme für eine gesellschaftspolitische Ausrichtung hat aber Tradition. Gründer Walter Gropius empfahl 1928 den Sozialisten Hannes Meyer als Nachfolger. Meyer versuchte unter dem Motto „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ der Kunstschule ihren „elitären Snobismus“ auszutreiben. Er sah die politische Dimension einer massenbedarfsorientierten „neuen Lebensgestaltung“. Gropius behauptete später, Meyer habe mit „politischem Materialismus“ die Bauhaus-Idee zersetzt. Es gab Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Gruppierungen innerhalb der Studentenschaft. Gropius verweist darauf, dass Mies van der Rohe bei Dienstantritt als Meyers Nachfolger die Disziplin mithilfe der Polizei erst wieder habe herstellen müssen. Mies war es auch, der noch 1933 in Berlin in einer Audienz bei Alfred Rosenberg versuchte, mit dem Verweis auf den gänzlich unpolitischen Charakter des Bauhauses das Institut den neuen Machthabern anzudienen.

Politisierung oder politische Indifferenz, das ist eine Richtungsentscheidung, die über den aktuellen Fall hinausgeht. In Zeiten, in denen sich etwa die Wohnungsfrage wieder als drängendes soziales Problem stellt, feiert sich die Stiftung Bauhaus mit der skulpturalen Neuinterpretation des kriegszerstörten Moholy-Nagy-Meisterhauses als elitäres Megazeichen. Die Stiftung hat begonnen, Schadensbegrenzung zu betreiben. Nötiger wäre es, im Jubiläumsjahr neu darüber nachzudenken, wie das Erbe nicht nur für die ästhetische, sondern auch für die soziale Modernität der gebauten Umwelt nutzbar gemacht werden kann. Unpolitisch ist etwas anderes.

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