Wahlk(r)ampf.

Visionslosigkeit Im Entspurt hat schon mancher gewonnen. Noch kann die Kanzlerin auf Abruf abgewählt werden!

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Haben Sie sich mal die vielen Seiten der Wahlprogramme der einzelnen Parteien durchgelesen oder gar durchgearbeitet? Nein. Das kann ich verstehen. Viel Wortgeklingel, viel sollten wir, müssten wir, eine Agenda für die nächste Regierung. Nichts, was einen aufhorchen lässt, nichts, was eine Vision für Deutschland und Europa erkennen lässt. Viel Mimikry und viel Täuschung und wegschwurbeln von Notwendigkeiten. (Ausgenommen vielleicht die Linke und leider auch die AFD.) Dabei ist die Frage, ob die Parteien am sogenannten Rand es sich mit konkreten Aussagen nicht leichter tun. Die Linke steht und das ist den beiden Damen Wagenknecht und Kipping zu verdanken.

Eine Republik, die nach zwölf Jahren Merkel, in politischem Tiefschlaf versunken ist, die gesellschaftliche Visionslosigkeit hinnimmt, wie auch die gesellschaftliche Deklassierung vieler, braucht einen Ruck und einen Neuanfang. Zwölf Jahre im Dämmerzustand sind genug.

Der Wahlkampf hat auch einen weiteren sehr nachdenkenswerten Aspekt. Der Journalismus (mit wenigen Ausnahmen wie „Freitag“ und "Süddeutsche" und einige andere) hat versagt. Er hat sich auf die Mitfahrt im Schlafwagenabteil eingestellt und scheint diese Bequemlichkeit richtig zu mögen. Viele Journalisten sind zu reinen Stichwortgebern verkommen und nehmen ihre journalistische Aufgabe nicht mehr wahr. Sie haben viel zu viel Nähe zu den Politikern. Kontroversen befeuern, kritisch begleiten, Hintergründe darzustellen, viel zu viel Aufwand und die Angst vor Unbequemlichkeit. Die Angst anzuecken ist bei Fernsehjournalisten sehr groß. (Mir ist das Schlussbild Frey, Merkel, Schausten vor Augen.) Ja, mit Merkel lässt man sich gerne fotografieren. Die Nähe zur Macht ist auch für Journalisten sexy.

Auch die Bürger versagen. Sie versagen in ihrer Sehnsucht nach Ruhe in erschreckendem Maße. Die Turbulenzen in der Welt, Merkels Beliebigkeit lassen sie hoffen, dass alles nicht so schlimm wird und sie verharren in ihrer Starrheit. Der Erfolg der Rechten kommt da wenig überraschend. Prekarisierung, Leiharbeit, Befristungen, die Gängelei bei Hartz IV, die ungleiche Behandlung im Steuersystem, das marode Bildungssystem, das ebenso marode Gesundheitssystem mit seiner Zweiklassengesellschaft, das nicht zukunftsfähige Rentensystem mit der eingebauten Altersarmut, das Gefühl, dass die da Oben doch eh nicht auf die Bürger hören, befördern den Zulauf nach Rechts.

Die Schere zwischen Arm und Reich wird sich weiter vergrößern und die Bürger hoffen, dass sie vielleicht unter Merkel doch noch ein Stückchen von den Wohltaten erhalten werden. Das wird nicht so sein. Sollte die FDP mit in die Regierung kommen, wird das ein Signal, dass der Neoliberalismus mit seinem Motto „Privat vor Staat“ die Oberhand gewinnt. Mit Sicherheit wird sich am Rentensystem, dem durch liberalisierten Arbeitsmarkt und dem Gesundheitssystem nichts ändern, es wird mit großer Wahrscheinlichkeit in Deutschland noch ungleicher werden und die Türen für den Lobbyismus werden noch weiter geöffnet werden.

Das Erwachen wird kommen und die heute schlafenden und auf Ruhe hoffenden Bürger hart treffen. Die Bürger müssen aufstehen und für ein sozialeres Deutschland kämpfen. Sie haben die Chance, bei der Gestaltung einer sozialeren Zukunft mitzuhelfen. Nach dem Wahltag jammern und klagen hilft nicht. Jetzt können sie etwas tun. Sie müssen nur (mit Verlaub) ihren Hintern heben.

Bei dieser Bundestagswahl besteht die Chance, die Weichen für eine sozialere Zukunft, für ein Deutschland in dem man gerne lebt, zu stellen. Die Zweitstimme für die Linken würde da ein Meilenstein bedeuten. Mit der Zweitstimme für die Linken tun sie auch was gegen Rechts, gegen Rassismus und Ausgrenzung, gegen dumpfes argumentationsfreies Geschrei.

Ein sozialeres Deutschland wird nur mit der Linken erreicht werden. Alle anderen werden weiter wursteln wie bisher und damit die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft verspielen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

niclas quinten

Schreiben, schreiben und nochmals schreiben. Völlig egal, ob es veröffentlicht wird oder irgendeiner es liest. Status: Schreiber und Leser

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