Die Freude im Internet war groß an diesem Donnerstagvormittag. Mit knapper Mehrheit lehnte das Europaparlament den kontroversen Vorschlag zur Neufassung des europäischen Urheberrechts ab. Dieser war im Vorfeld von Internetexperten und NGOs scharf dafür kritisiert worden, Meinungs- und Kunstfreiheit im Internet zu gefährden.
Doch das Ergebnis stellt bestenfalls einen Etappensieg dar. Die Abgeordneten sprachen sich dafür aus, das Gesetz zu einer weiteren Lesung im Parlament zu behalten und damit die Debatte vorerst nicht zu schließen. Ob die viel kritisierten Upload-Filter also noch aus dem Entwurf gestrichen werden, wird sich erst bei der nächsten Zusammenkunft des Plenums im September zeigen.
Bis dahin wird die Lobby-Schlacht hinter den Kulissen weitergehen. Internetunternehmen, die Kreativwirtschaft und gemeinnützige Organisationen, wie Wikimedia, streiten um einen angemessenen Ausgleich ihrer Interessen. Das heutige Ergebnis ist somit nur der Startschuss für die legislative Wortklauberei um Nebensätze und Wörter. Selbst einzelne Kommata werden umkämpft, wenn sie die Interpretation der Paragraphen beeinflussen. Wer dabei den Blick auf das große Ganze nicht verlieren will, hat es schwer. Zu leicht verliert man sich in den Details des Urheberrechts.
Hoffen auf 2019
Zwei Themen dominieren den Streit: Upload-Filter sowie die Freiheiten der kreativen Internetnutzer. Auf der einen Seite möchten Musikindustrie und Verleger die Betreiber von Internetdiensten dazu zwingen, ihnen bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen behilflich zu sein. Wenn es nach ihnen geht, sollten sämtliche Beiträge von Privatpersonen künftig automatisch gefiltert und auf mögliche Verletzungen von Urheberrechten geprüft werden. Verbraucherschützer und Bürgerrechtler sehen darin einen gefährlichen Eingriff in die Online-Kommunikation.
Sie fordern stattdessen, dass der kreative Umgang mit Kunst und Kultur auch im Internetzeitalter möglich bleiben muss. Collagen, Remixe und sogar Zitate werden durch die immer strengeren Regeln des Urheberrechts bedroht. Wer schon einmal probiert hat, ein Video bei YouTube hochzuladen, auf dem im Hintergrund die Akkorde eines bekannten Songs zu hören sind, bekommt einen Vorgeschmack auf die vorgeschlagene Filtertechnologie: Das Video wird umgehend gelöscht.
Abhilfe könnten hier explizite Ausnahmen für digitale Remixe und Collagen schaffen, wie sie beispielsweise der Ökonomie-Professor Leonhard Dobusch seit langem fordert. Es bleibt jedoch fraglich, ob sich für solch progressive Ansätze im September Mehrheiten finden werden. Die konservative EVP-Fraktion stimmte heute fast ausnahmslos für ein schnelles Ende des Gesetzgebungsprozesses. Für weitere Reformen machten sich insbesondere Grüne und Linke (GUE-NGL) stark. Die Fraktionen der Sozialdemokraten (S&D), Liberalen (ALDE) und Rechten (ENF und EFDD) waren bis zuletzt tief gespalten und stimmten uneinheitlich ab. Wirkliche Fortschritte sind daher momentan eher unwahrscheinlich. Es bleibt zu hoffen, dass mit den Wahlen zum Europaparlament im Mai 2019 junge Abgeordnete frischen Wind in die festgefahrene Diskussion bringen.
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