Am Limit

Sexismus Von der Leyen als Playboy-Bunny – geht's noch, „FAS“?
Ausgabe 28/2019
... und zwar eine heilbare
... und zwar eine heilbare

Foto: Scott Barbour/Getty Images

Erinnern Sie sich noch an die Diskussion über die Beine von Jan Böhmermann in dieser engen Glitzerhose, die er bei der „Ehrenfeld ist überall“-Tour trug? Wissen Sie eigentlich, dass der Sohn von Iris Berben neben seinem Sohn-Status auch Filme produziert? Wie hieß er noch mal? Ach, und sind Ihnen die Berichte über Christian Sewing aufgefallen, über dessen fast schon kokett jungenhaftes Äußeres – dieses Näschen, diese vollen Lippen? Und dabei ist der auch noch Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank. Wie seine Kinder das wohl verkraften, dass ihm die Karriere wichtig ist? Die Karikatur von Manfred Weber im Chippendale-Dress war letztens übrigens auch sehr amüsant.

Klingelt nix? Vermutlich, weil es diese Berichte nicht gab. Wäre ja auch lächerlich und an den Haaren herbeigezogen angesichts dessen, wofür diese Herren sonst so stehen, oder? Was Menschen mit einem X- und einem Y-Chromosomen angeht, ist solch eine Berichterstattung eine absurde Vorstellung. Was die andere Hälfte der Menschheit angeht, nun ja.

Bei Frauen scheinen einige Redaktionen in Deutschland noch immer an massiver Fantasielosigkeit zu kranken und in sexismusversifften Schubladen zu denken. Lässt man einige Ereignisse der vergangenen Wochen Revue passieren, fällt auf: Trotz eines gefühlten halben Jahrhunderts mit einer Kanzlerin gibt es immer noch Probleme mit der Berichterstattung über Frauen in Machtpositionen. Das lässt sich vor allem beim Altherren-Qualitätsblatt Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung erschreckend gut beobachten.

Da wäre zum einen die Berichterstattung über Laura Karaseks neue ZDFneo-Talkshow Zart am Limit. Um die 37-Jährige irgendwie greifbar zu machen, mussten Referenzpunkte her: Tochter von …, Mutter von …, Vertretung von … Peter Lückemeier kommt in der FAS nicht ganz klar auf diese Frau, die „viele Gegensätze in sich zu vereinigen“ scheint, wie er in der Ausgabe vom 30. Juni schrieb. Dabei hat er für die ehemalige Anwältin doch so viel watteweiches Wohlwollen übrig:

„Hoffentlich hat diese arglose, kommunikative, wahrscheinlich ziemlich verletzliche Frau Glück mit dieser Sendung. Hoffentlich stellt sie gute Fragen. Und redet nicht fortwährend“, schrieb Lückemeier. Arglos? Die Frau hat in einer großen Frankfurter Wirtschaftskanzlei gearbeitet – und zwar nicht als Kopierhilfe. Anwältin ist sie wohl nicht einfach mit Glück und Unbedarftheit geworden, nein, auch nicht bei diesem Aussehen (mit ihrem „Näschen“, „gepflegten Mund“ und „regelmäßigen Zügen“ hätte sie „beinahe etwas Puppenhaftes“). Dass Intelligenz, beruflicher Erfolg, Make-up und Mutterschaft sich nicht gegenseitig ausschließen, scheint auch 2019 zu überraschen.

Um noch mal richtig tief in die Sexismus-Kloake zu greifen, ist der FAS auch am 7. Juli etwas eingefallen: eine zum sexy Häschen stilisierte Ursula von der Leyen. Die Verteidigungsministerin und Kandidatin für das Amt der EU-Kommissionspräsidentin war auf Seite zwei der Sonntagszeitung in einer Illustration im knappen Kleid mit Playboy-Bunny-Schwänzchen, Plüschohren und Pin-up-Girl-Pose auf einem Zylinder sitzend abgebildet. Es ging in dem Artikel darum, wie Macron sie „aus dem Hut“ gezaubert habe. Eine comichafte, lustige Anmutung wäre wohl überfordernd gewesen, also her mit dem sexistischen Sujet.

Dabei geht es nicht darum, dass keine Witze mehr gemacht und keine Referenzen mehr gezogen werden dürften. Wer aber auch 2019 noch auf die ollste aller Schubladen zurückgreift und Frauen konsequent sexualisiert, verniedlicht oder auf ihren Tochter- oder Mutterstatus reduziert, wertet damit die Hälfte der Menschheit ab. Das ist – sorry, not sorry – sexistische Kackscheiße. Und die scheint leider nach wie vor kein Limit zu kennen.

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