deutsches Tagebuch 4

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Nebel steigt frostig aus den Wiesen und Büschen, die neben mir entlanggleiten und frisch gefrorene Blätter fallen leise zu Boden. Klick, Klick, Klick. Heidelinde zeigt sich und ich bin irritiert, denn sie entspricht gar nicht meinen Vorstellungen. Sie macht sich selbstständig, tritt sehr bestimmt auf, so will ich sie nicht. Sie ist plötzlich groß, kräftig mit dicken, krausen rotblonden Haaren und einem Gesicht, das braun von Sommersprossen ist. Ich wollte sie zierlich, eher klein mit dunklen glatten Haaren haben. So eine, der man Angst besser abnimmt.

Heidelinde hatte sich in eine Häusernische zurückgezogen, um Maximilian in ihren Plan, dieses Häuschen zu kaufen, einzuweihen. Sie ließ ihre Mandanten gehen und verschob die Verabschiedung auf später. Maximilian war überrascht und stimmte sofort zu. Ja, Ja, endlich etwas Neues, warum nicht mal die tiefste Provinz? Die großen Städte dieser Welt sahen sich so ähnlich, die geleiteten Urlaube unterschieden sich nicht wesentlich und auch Maximilian hatte Hunger auf etwas anderes. Ländliches Südfrankreich, Rosmarin, Thymian und Oleander, Ziegenkäse und Rotwein, er kam ins Schwärmen und dann war die Mittagspause vorüber und er musste das Gespräch beenden. Heidelinde kaufte das Haus unbesehen, der Preis war erstaunlich gering. Die Dame am anderen Ende der Leitung spach ein charmantes Deutsch und versicherte, das Haus sei vollkommen in Ordnung, einzugsbereit. Ihre Stimme hatte einen sanften Klang, der sich mehr nach Engel anhörte als nach Betrügerin und Heidelinde konnte aufgrund ihrer langen Berufspraxis sehr wohl betrügerische Klänge erkennen. Und so fragte sie nicht weiter nach, es gab einfach keinen Grund.

Und nun hatten Heidelinde und Maximilian seit langen Jahren wieder ein Ziel und waren glücklich. Sie meldeten sich, jeweils an ihren Wohnorten, zu Französischkursen an, denn das Schulfranzösisch lag unter vielen Jahren begraben. Das war im Herbst. Im Frühsommer, so hatte Heidelinde es mit der Dame verabredet, wollte sie den Kaufvertrag beim dortigen Notar unterschreiben. Heidelinde und Maximilian hatten sich für Anfang Juni drei Wochen Urlaub genommen. Aber als der ersehnte Termin heranrückte, bekam Maximilian einen so attraktiven Auftrag, dass er beschloss später nach zu kommen. Heidelinde konnte ihren Urlaub nicht verschieben fühlte sich aber stark genug, die Reise allein anzutreten.

Als sie losfuhr, es war noch früher Morgen und ein kalter Wind pfiff durch die Stadt, schepperten in ihrem dunkelblauen BMW Töpfe, Pfannen und Haushaltsutensilien jeglicher Art, die sie wenig kunstvoll über-und untereinander gestapelt hatte. Sie war aufgeregt. Zu recht.

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Geschrieben von

Novalis

lebt halb in Frankreich, halb in Deutschland, suchte die Blaue Blume, fand sie und erkannte, dass Realität Illusion ist und Illusion Realität.

Novalis

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