Nachdenkliches

zur Kunst Ein Exerpt des Artikels "Zu Befehl" von Michael Scharang in der Zeitschrift "Konkret" 1/2013. Scharang schreibt dort bissig und provokativ über das Verständnis von Kunst.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Scharang nimmt sich speziell Nikolaus Stemann, einen deutschen Theaterregisseur, vor und beschreibt anhand dessen Inszenierungen den Niedergang der Kunst.

Immer wieder plage ich mich damit, zu verstehen, was denn nun Kunst ist. Nachdem ich diesen Artikel gelesen hatte wurde mir zumindest klarer, warum ich mich so plagen muss. Und weil ich weiß, dass ich mit dieser Plage nicht allein bin, möchte ich anderen diesen Artikel weitergeben.

"Die gegenwärtige Ökonomisierung von allem und jedem, die pathologische Züge annimmt und das Innerste der Menschen erfaßt, und der unaufhaltsame Siegeszug des Kapitals, haben eine Horde von Kunstgewerblern hervorgebracht, die sich dem Kapital andienen mit dem Versprechen, Kunst zu jenem beliebigen Dreck zu machen, mit dem die Wirtschaft, die sich als Sauwirtschaft herausstellt, die Welt überschwemmt." ...

"Das gelungene Kunstwerk folgt einer strengen innerkünstlerischen Ökonomie, deren Strenge dem Ziel geschuldet ist, für den Gebrauch da zu sein, den Menschen zur erkenntnisreichen Freude und zur freudigen Erkenntnis."

"..., sind die neuen Kunstgewerbler, die sich, von gesellschaftlicher Macht gestützt, an die Stelle der Künstler setzen, ..."

"Er (der Kunstgewerbler) nimmt eine simple Vorlage, die er technisch leicht vervielfältigen kann, eine Licht-, eine Ton-. eine Wortinstallation, und legt ihr einen Zettel bei, auf dem steht, was dieses Ereignis zu bedeuten hat."

"Das neue Kunstgewerbe wäre nichts ohne das neue Publikum, das ihm zuläuft. ... , um in der Freizeit die Dumpfheit des Arbeitslebens ohne Bruch fortzusetzen, ... ."

"Er ( Stemann) tut, als machte er im Theater, was er will, in Wahrheit macht er, was das neue Publikum will."

"Der Kapitalismus hat nicht nur die Arbeiterklasse aufgerieben, er hat auch das Bürgertum, diejenige Klasse, die ihn einst getragen hatte, abserviert und durch Rackets, organisiertes Gangstertum, ersetzt. Hören Rackets das Wort Gesellschaft oder gesellschaftliche interessen, brechen sie in Gelächter aus."

" Ein Teil des Bürgertums rutschte hinunter ins Kleinbürgertum, formierte sich als Lumpenbourgeoisie und sucht sein Heil ( ebenfalls ) bei den extremen Rechten. Dieses neue lumpenbourgeoise Kleinbürgertum bildet zusammen mit dem Kleinbürgertum der Arbeiter, das um sein Überleben zittert, jenes neue Publikum, das für Kunstgewerbler wie geschaffen ist. Die Angst der einen und die Hoffnungslosigkeit der anderen erzeugen die Erwartung, es dürfe keine Sphäre mehr mehr geben, die nicht von Angst und Hoffnungslosigkeit bestimmt ist."

" Verunstaltet er (Stemann) ein Theaterstück, fühlen die von der Gesellschaft Verunstalteten sich verstanden und gewürdigt."

" ... Die Höllenfahrt beginnt mit der Ächtung der Kunst, sie gewinnt an Geschwindigkeit mit dem willkürlichen Eingriff ins Kunstwerk und setzt sich fort mit dessen Einebnung zum Amüsement. Und ist die Kunst heruntergebracht zum Freizeiterlebnis, ist sie auch schon Propaganda."

" ... Kunst ist alles mögliche, nur nicht rein. Sie lebt von der Wechselwirkung von Form und Inhalt. Nimmt man ihr den Inhalt, verkommt die Form zur Dekoration. Nimmt man ihr die Form, bleibt als Inhalt eine Information, die man ohnehin aus der Zeitung kennt."

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Novalis

lebt halb in Frankreich, halb in Deutschland, suchte die Blaue Blume, fand sie und erkannte, dass Realität Illusion ist und Illusion Realität.

Novalis

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden