Heute morgen musste ich mal eben bei Steve vorbei gucken, unserem englischen Nachbarn, dem vor einem Jahr die Frau weg gelaufen ist. Wir hatten einiges zu bereden, denn er ist der Präsident des "commité d'animation" , welchselbiges am Dienstag die "Fete de la musique" organisiert hat. Steve spricht kein Französisch, obwohl er schon seit 10 Jahren hier wohnt. Seine Frau spricht fließend Französisch, aber die ist nun wieder in England und Steve hält es immer noch nicht für nötig, die Sprache zu lernen. Der Brexit interessierte ihn auch nicht. Die haben halt so gewählt, that's it. Mehr wollte er darüber nicht wissen und reden. Andere englische Freunde wollen nun die französische Staatsbürgerschaft beantragen. Andere sind traurig und sorgen sich. Überall Hilflosigkeit.
Nun sind sie englische Emigranten
Geschrieben von
Novalis

Kommentare 16
Liebe Johanna,
ich meine, Steve im letzten Jahr kennengelernt zu haben. Schöne Grüsse an ihn. Er soll sich wegen seiner weggelaufenen Frau keine Sorgen machen. Diese hat sicher neue Herausforderungen im Kopf, hat ja auch das Recht dazu. Er muss sich dann eben auch auf die Socken machen. Trübsal blasen kann temporär gut sein. Dann ist aber Schluss und das Leben geht weiter. Auch eine Chance für ihn, noch einmal neue Erfahrungen zu sammeln.
Ich kann mir die Engländer im Dorf gut vorstellen, dass sie jetzt erst einmal ratlos sind, wo sie sich doch so schön eingerichtet hatten im "Gott in Freankreich"-Land.
Dir eine Umarmung aus dem Weserbergland. In 10 Tagen geht es wieder nach Panama, Hermann
ein schönes beispiel für die auswirkung der großwetterlage auf tausend inseln irgendwo. es hört sich beinahe so an, als wenn dein dorf ein britischer stützpunkt im land der franken wäre. kann es sein, dass da noch ein paar leutchen aus dem 100-jährigen krieg übriggeblieben sind? im westen bin ich nie so weit in den süden vorgedrungen. bei straßburg hört meine reiseerfahrung schon auf.
dass viele nordeuropäer mer oder minder in den südwesten bis spanien ihre winterdomizile haben, kommt mir bekannt vor. wenn die einsprenglinge dann sich aber abschotten und nicht mal die landessprache verstehen, wird es für mich doch arg bedenklich. es kann doch kein zufall sein, dass dort fast die hälfte des dorfs briten sind. bei so vielen entsteht leicht sowas wie ein ghetto. weil ja nug kontakte mit den "eigenen" leuten möglich sind. wenn dann nicht nur franzosen da wohnen, sondern noch andere europäer, gerät das französische in eine art minderheitenposition. ist das so? du schreibst: in andern dörfern sieht es ähnlich aus...
kenne die region überhaupt nur als heimat von montaigne. lg
Lieber Hermann, Steve schwieg zum Brexit. Er will mit alledem nichts zu tun haben. Er kommt mit seiner Situation besser zurecht als ich dachte. Es gibt aber auch etliche Engländer hier, die sehr traurig sind und sich als wirklich als Europäer fühlen. Und dieses Gemisch aus Franzosen, Engländern, Deutschen, Iren, Schotten, Holländern hier in "La France profonde", das hat WAS. Was machst Du noch in Panama? LG Johanna
Lieber Helder, oh Montaigne, je l'adore! Und wieder muss ich wie der alte Briest ( Fontane, Effi Briest) sagen: " Das ist ein weites Feld Luise ..." Die Engländer haben eine ganz besondere Beziehung zu dieser Region. Das war alles mal im Besitz von Eleonore von Aquitanien, die es dann an ihren Sohn, Richard Löwenherz, vererbt hat. Aber ob es nun diese Geschichte ist, die sie hier anzieht, weiß ich nicht. Wahrscheinlich sind die Gründe sehr viel nüchterner. Die, die hier siedeln, sind nicht die reichsten. Ein bisschen Knete ja, aber nicht im Überfluss. Ich kenne sie ja. Hier ist es so, wie man sich es in schönen Geschichten erträumt. Die hässlichen Seiten, die es hier auch gibt , werden verdrängt, weil ... für Briten sind die Domizile hier erschwinglich. Das Pfund steht noch gut. Die Franzosen sind bitterarm hier .... (ein weites Feld) .... . Ja, die Ghettobildung ist bereits entstanden, es ist die Sprache, die von den Briten insgesamt, mit Ausnahmen natürlich, vernachlässigt wird. Lg Johanna
Liebe Johanna, ich bin ja schon halb in D. Morgen werde ich meinen Projektvorschlag (Ausbildungszentrum für junge Flüchtlinge und junge Deutsche aus sozial benachteiligten Familien) mit dem Bürgermeister diskutieren und sehen, ob wir Knete von der EU bekommen. Sollte das klappen, werde ich mich dahinterklemmen. Ansonsten habe ich eine andere Option. Darüber per Mail.
LG, Hermann
kenne die region überhaupt nur als heimat von montaigne.
liebe hanna,
hermann hat mich daran erinnert (durch sein auftauchen hier), dass ich den südwesten frankreichs noch aus anderer quelle kenne. hermann hat hier in der fc seinen text über einen deutschen studenten und eine berber-arabische frau veröffentlicht. habe den text gern gelesen, der titel: Der ... Sommer der Anarchie, oder ähnlich.
die boys da in deinem dorf und drumherum können einem ja nun langsam leidtun. jetzt, nachdem die engländer von dem team der vulkanfußballer aus dem turnier gekickt wurden...
einziger trost für die nato-kämpfer, dass die russischen hooligans schon vor ihnen zuhause waren (hooligan soll ja sibirische wurzeln haben, etymologisch gesehen)...
i must go up to my birds again...
herzlich helder
Lieber Helder, das freut mich riesig, dass Du "den Sommer der Anarchie" von Hermann gerne gelesen hast, weil der Text in meinem französischen Dorf entstanden ist. Wir hatten eine tolle "Dichterwoche" hier. Vier Dichter, zwei Frauen, zwei Männer. Das alles ist immerhin durch die FC entstanden. Das Virtuelle wurde greifbar.
Ach, "boys" gibt es hier nicht mehr. Dieses Dorf lebt durch seine Zugezogenen, also durch seine Engländer und seine Deutschen (2), die nun weder girls noch boys sind.
Jetzt muss ich den Bogen zu den "Hooligans" schlagen. Du weißt, wie ich über die Berichterstattung über Russland denke.
Der letzte Satz "I must go ... " , was bedeutet das? LG Hanna
Das Virtuelle wurde greifbar.
liebe hanna,
nun dachte ich, mir sei etwas klar, aber nix, typischer fall von denkste.
hermanns buch ist in deinem französischen dorf entstanden, schreibst du. dass die handlung in der region spielt, war mir klar. aber was heißt, der text ist dort in deinem dorf entstanden? hat hermann ihn dort verfasst oder? und was hat das mit den vier schriftexperten zu tun, die dort beisammen waren? ich dachte, hermann habe das vor jahren geschrieben. vor wieviel jahren, weiß ich nicht.
aber das klingt phänomenal. das dichtertreffen im französischen nest an der gironde. eine volle woche lang. sehr verlockend. nicht massenbetrieb, nicht einsamkeit. genau das richtige maß. und wer hat mehr geredet, und wer hat mehr geschrieben? und wer hats mehr genossen. südwestfrankreich. du hast im kontext deines fotos die kleine buchaussstellung in royen erwähnt. aber die wintergäste aus dem kälteren europa hast du nicht erwähnt, die kraniche, störche, die man nicht mal übersehen kann. was ist überhaupt an winter zu vermelden in deinem dorf? oder fällt der ganz dem golfstrom und westwind zum opfer? bordeaux ist eine weinsorte, die selbst ich als name kenne. und der wein wird nicht soviel säure enthalten wie der von rhein und mosel...
die "boys" sind natürlich nicht wörtlich gemeint. und die hooligans ebenso wenig. ich unterstelle, dass du angemessen über die russlandhetze denkst...
der letzte satz auf englisch hat gar nichts mit brexit oder boys zu tun, er ploppte in mein bewusstsein. ist eine anspielung auf ein poem, das ich in der lehrerausbildung im lehrbuch fand und gut fand, so dass ich eine unterrichtsstunde darüber und damit machte. das original heißt: I must go down to the sea again...
der satz signalisiert, dass es zeit für mich war, mit dem rad den hügel hinaufzufahren. traf aber nicht den einzelnen krah, von dem ich schrieb, sondern zwei krahfamilien, deren nachwuchs mich sehr an meinen krah erinnerte in der frühphase. gerade eben flügge, aber noch sehr neu in der welt und abhängig vom elterlichen wegweiser.
herzlich
helder
Lieber Helder,
so, nun weiß ich es: Lehrer bist Du .... kicher, kicher .... wie ich. Reichen wir uns also die Hände. Schule .... oh, oh, oh, ich habe meinen Beruf herzilchst gehasst. Jedoch, er war einträglich. Nun aber genug davon.
Hermann war hier und hat den "Sommer der Anarchie" in unserem "Rittersaal" verfasst. Er war der fleißigste von uns vieren und hat als einziger seine Geschichte veröffentlicht. Ich zb habe in der Zeit an meinem neuen Roman gearbeitet, der eben noch nicht fertig ist. Meine Freundin Ulrike hat zwei wunderbare Kurzgeschichten geschrieben, will aber nicht damit an die Öffentlichkeit. Und Seifolah hat angefangen über seine Kindheitsgeschichte im Iran zu schreiben. Auch das ist noch nicht fertig. Wir hatten eine Traum-Dichter-Woche. Und meine drei Dichter haben begriffen, was diese Gegend bedeutet. Ich werde hier in meine Kindheit zurück-gebeamt. Das heißt " ich bin immer vollkommen drin in allem, was ich tue." Die Dinge, sei es diese weite Landschaft, der wilde Himmel, die alten, geduckten Kirchen, die verotteten Dörfer neben glänzenden Anwesen, die stehen gebliebene Zeit, die sichtbare Armut, all das inspiriert und die Dichter haben es verstanden. Wir sind weg vom Fernsehen, vom Radio, vom Smartphone. Dennoch schätze ich zb die Möglichkeit, hier in der FC mit Geistern wie Dir zu sprechen sehr, sehr! Ich wüsste ohne die FC nichts von Krah! Und Krah ist etwas ganz Wichtiges!
Den Winter verbringen wir in Deutschland. Ab November sind wir in Niedersachsen zu finden, ganz nahe bei Bremen. Dort warten Familie und Freunde. Ich springe von einem Leben ins andere und muss zwischen zwei völlig verschiedenen Welten jonglieren, denn Frankreich und Deutschland haben nur wenig gemein. Es ist, wie auf eisglatter Straße gehen, jede falsche Bewegung kann üble Folgen haben. Ich bin bis jetzt, immerhin seit 16 Jahren, sicher durch gekommen, selbst mit der deutschen Erblast.
Was hast Du unterrichtet, unterrichtest Du? Ich habe die Fächer Deutsch und ev. Religion unterrichtet. Bitte keine Schreckstarre, denn ich habe der Schule den Rücken gekehrt. Poem und Krah ... Ich bin gespannt auf Deine Fächer!
cordialement Johanna
so, nun weiß ich es: Lehrer bist Du .... kicher, kicher .... wie ich. Reichen wir uns also die Hände. Schule .... oh, oh, oh, ich habe meinen Beruf herzilchst gehasst. Jedoch, er war einträglich. Nun aber genug davon.
liebe hanna,
einmal lehrer immer lehrer... vor 14 jahren in die selbständigkeit entlassen. meine beiden töchter machen da weiter. beide sind unverständlicherweise lehrerinnen geworden.
habe zwei anläufe genommen - als schüler. nach dem ersten halbjahr schlossen alle schulen und das 1000-jährige reich. dann 1945 im mai erneut eingeschult, als papierprotestant in der größten katholischen schule am kleinstadtort. für 1 jahr. dann in die neu eingerichtete evang. volksschule - für 3 jahre.
es folgten 6 jahre progymnasium georgianum am ort: vreden.
nicht verden. schließlich nach einem abstecher während der osterferien ins größte chemiewerk weit und breit glücklich wieder in der schule: werner von siemens gymnasium gronau, mathematisch-naturwissenschaftlich. sowas gibts heutzutage nicht mehr.
kein wehrdienst. wohl musterung mit kommando nach bremen als panzergrenadier. glück gehabt. die gesetze waren in den 50er jahren noch nicht auf alle fälle vorbereitet.
was studieren? philosophie und psychologie waren klar. aber für den schuldienst brauchte ich noch was handfesteres, also nahm ich englisch dazu. das fach hatte mir nie probleme gemacht. dann traf ich in münster im ersten semester den baas unserer schule in vreden. er war längst entlassen und hatte augen, die mich schon jenseitig ansahen. fragte nach meinen fächern und sagte: nein, das sind keine richtigen schulfächer. (obwohl ich philosophie am blechgymnasium als fach kennen gelernt hatte) du musst richtige normale schulfächer haben.
der mann hatte insofern recht, als es an normalen schulen das fach philosophie nicht gab. damals. nu, ich suchte herum an den instituten und landete bei dem normalen fach geographie.
weil meine kriegsrente (vater gefallen im krieg fürs vaterland) zeitlich befristet war, schaffte ich nur das realschulexamen.
nach wenigen jahren kehrte ich trotz schule und familie an die uni zurück und studierte niederländisch. damals ein fach, das die mode der linguistik mittrug. staatsexamen und bewerbung. aber nur angebote aus aachen und vreden. kinder waren in der schule. also blieb ich, wo ich war.
über eine versetzung an die erste realschule für niederländisch in gronau, unmittelbar an der grenze, wo ich nur 6 jahre war, an die gesamtschule im aufbau in rheine, nutzte mir das zweite studium. denn dort gab es auch niederländisch bis in die sek 2, also wurde ich in den letzten schuljahren noch befördert zum oberstudienrat.
dass mir der schulbetrieb nicht genügen konnte, ist daran ablesbar, dass ich in den ersten jahren gedichte veröffentlichte, dann in den 70er jahren mit einem mitstreiter eine zeitschrift herausgab mit dem exqisiten namen aqua regia. und beginn der 80er jahre 2 hörspiele verkaufen konnte. publikationen im rundfunk seit mitte der 70er jahre. www.funktexte.net
ahaber - das ist keine vertippung - der unterricht niederländisch in gronau war der gipfel meiner schulzeit. praktisch durch den schulversuch bilingual, theoretisch durch begleitende aufsätze zum nachbarsprachenunterricht und veranstaltungen. meine praktische stütze war die kollegin an der schule, die englisch und französisch unterrichtete, zusätzlich aber niederländisch von klein auf gesprochen hatte (native speaker). die andern kollegen, die auch nl unterrichten durften, brachten nur halbe voraussetzungen mit. z.b. verheiratet mit einer holländerin und darum mündlich ok, schriftlich aber gar nicht. schulleiter erst mit allem einverstanden, dann besorgt um seine position...
daher der wechsel nach rheine für die letzten 9 jahre.
so, jetzt bist du im bilde, frau kollegin.
herzlich helder
und ja, liebe hanna, krah ist womöglich was wichtiges. dazu fiel mir ein, du hattest nach dem text im internet gefragt. wenn du mehr bzw. alles über krah lesen möchtest, könntest du mir deine mailadresse nennen, nicht hier, sondern an meine mailadresse (im kasten) und ich könnte dir den text per mail schicken.
ich sehe, wenn aus dem fenster blicke, über dem dach des nachbarn ein bild des westfalen/niedersachsenpferdes winken. es ist die spitze eines urtümlichen baums (ohne blätter), dessen wipfel über dem dachfirst nur kopf, hals und vorderbeine des pferdes zeigt. das pferd steht also wohl wie im zirkus auf den hinterbeinen aufrecht. sein kopf trägt statt der federn einen zweigschmuck, der so groß ist wie kopf und vorderbeine zusammen. die hufe sind nicht zu sehen. der zweig der vorderen extremitäten ist verkürzt und ziemlich dünn, etwas fransig. die gäule haben ja manchmal so zottelige poten..
nicht unerheblicher nachtrag zu meinen fächern: habe ganze zehn jahre chemie unterrichtet und zwar freiwillig und gern.
liebe grüße aus dem südlichen emsland
helder
Lieber Helder,
da haben wir beide also in Münster studiert. Ich war dort von 74 -78, dann Refendarzeit in Greven, Seminar Rheine , dann Emsdetten, dann wieder Greven, dann Nienburg an der Weser. Evangelische Religion war absolut gesucht, so dass ich an mehren Schulen unterrichten musste. Allerdings kam ich aus der "ROTZEG" (rote Zelle Germanistik) und hatte mit jenem Fach keinen guten Stand bei den Genossen. Meine Intuition gab mir jedoch recht: wenn überhaupt, habe ich durch dieses Fach etwas bewegt. Gehasst habe ich die Schule, weil ich keine meiner Ideen verwirklichen konnte und immer abgebremst wurde. Stattdessen musste ich dümmliche Methodenspielchen machen, dank derer auch die schönste Literatur zerstört wird.
Du hast freiwillig Chemie unterrichtet. Chemie ist irgendwie magisch und ich interessiere mich sehr dafür. Und Du sprichst Holländisch. Das ist toll. An meiner Schule, einem Gymnasium in Nienburg, ist der bilinguale Unterricht Fake. Wie so Vieles in der Schule Fake ist. Danke, lieber Kollege, für die kleine Biografie. GlG johanna
PS bei meiner Antwort zu Deinem Kommentar zu dem kleinen Brexit-Witz, hatte ich die lieben Grüße vergessen und wollte sie nachholen und landete versehentlich bei jemand anders. Also die gelten Dir!
da haben wir beide also in Münster studiert
ja, liebe hanna, und ein jahr lang sogar zur gleichen zeit. '75 hab ich das staatsexamen nl absolviert.
Chemie ist irgendwie magisch
na, zumindest für mich war die sache das eine zeitlang. es gab am progymnasium nur 1 jahr chemie. aber als der unterricht anfing, hatte ich das chemiebuch schon gefressen. und noch so einiges darüber hinaus. on fire. im krassesten gegensatz zu meinen mitschülern. selbst der lehrer musste bald bekennen, dass er das fach nicht studiert hatte, sondern physik und mathe. ich war der king. und wollte damit nicht aufhören. weshalb ich mich nach dem progymnasium, das nur bis klasse 10 reichte, in einem chemischen betrieb bewarb. chw: chemische werke hüls. das werk war größer als die kleinstadt, aus der ich kam. hielt es nur 14 tage, die osterferien, durch. dann war ich froh, mehr als froh, dass ich fahrschüler sein durfte...
Gehasst habe ich die Schule, weil ich keine meiner Ideen verwirklichen konnte.
tja, die enttäuschung kenne ich auch. als ich von gelsenkirchen ins kaff burgsteinfurt auf eigenen antrag kam, dachte ich, da könnte ich was bewegen. es kam dann aber nur zu einer patt-situation zwischen schulleitung und oppositionellen kollegen. in the roaring seventies. der schulleiter holte sich die dezernenten aus münster zu hilfe ins haus. so tote verhältnisse wie jetzt in der ganzen brd.
das gegenteil erlebte ich danach in gronau, wo ein neuer schulleiter antrat, der erst mal alles absegnete und laut sagte, dass er alle philologen bewunderte(, weil er nur plattdeutsch beherrschte). nach widerstand konnte ich sogar das europäische lehrerklassensystem durchsetzen. es ist im kleinen wie im großen kontext immer das gleiche: irrationalität hoch sieben.
Evangelische Religion
habe ich im schwarzen münsterland kennen gelernt. diaspora. aus der jugend und schulzeit habe ich als freund schätzen gelernt den ältesten sohn des pastors. er besaß schon als schüler (nach dem vorbild seines vaters) die größte bücherei am ort, größer als die leihbücherei. er ist bibliothekar in bremen geworden. aber als schüler las er bereits die buchkritiken des buchhandels, las unentwegt und gab mir tipps.
das ist die eine bekanntschaft mit der evangelischen religion. die andere war noch früher. an der grundschule. unterricht bei einem diakon. und der kerl verpasste mir auf dem zeugnis mit lauter zweien und einsen eine fünf in reli. mit dem zeugnis sollte ich mich am gymnasium vorstellen. der kerl muss mich aus unterirdischen gründen gehasst haben. zum glück hatte ich den vorbildlichen schulleiter, der die note zu recht nicht gelten ließ.
das dritte mal begegnete mir evangelisch in gestalt der kollegin, die im selben jahr in burgsteinfurt anfing wie ich. wir hatten uns viel zu erzählen. ich verliebte mich in sie. meine erste verliebtheit in der ehe.
du siehst, mir ist nichts erspart geblieben. aber meine frau ist münsteranerin. katholisch habe ich auch von innen und außen bestens kennen gelernt. daher ist meine wertschätzung der französischen aufklärung nur zu verständlich...
davon ist hierzulande leider nur ein schwaches echo im deutschen wald angekommen.
herzlich helder
ps: danke für die mail. werde gleich reagieren.
Lieber Helder,
die Orte nähern sich, fast bin ich in meiner alten Vergangenheit. Steinfurt kenne ich gut, ich habe lange Zeit in Altenberge gelebt auf einem großen Hof in Hansell, wo ich meine Wollschweine züchtete und in arger Konkurrenz zum Münsteraner Zoo stand, denn meine Schweine gediehen besser und die Schulklassen kamen zu meinen Schweinen, weil die Münsteraner Zoo -Schweine nicht glücklich waren, meine dagegen sehr. Da bin ich heute noch stolz drauf. Meine Kontakte in Altenberge leben noch in alter Frische.
Wir sind uns ja damals vielleicht begegnet, im Töddenhoek oder in der Lila Eule? Es war jedenfalls alles ein bisschen wilder als heute, bunter, freier. Nun, zur Religion habe ich trotz meiner theologischen Ausbildung und der jahrelangen Unterrichtserfahrung ein gesundes distanziertes Verhältnis, wie eine Mutter zu den Märchen, die sie ihren Kindern vorliest, dabei um das Wesen der Märchen weiß, um ihre Tiefe und Reife.
"Tote Verhältnisse ..." , Du sprichst mir aus der Seele. Ich habe die Schule vorzeitig verlassen, Urlaub ohne Bezüge und hatte das Gefühl: die Ratten verlassen das sinkende Schiff.
Wie hast Du das "Katholische" kennen gelernt? Was sagt dir das?
Auch ich kam auf eigenen Antrag nach Niedersachsen .... und das war der Kulturschock schlechthin. Ich muss ehrlich gestehen, das neue Kollegium, in das ich nun kam, war eine Ansammlung von häßlichen Menschen. Und dumm dazu. Klingt arrogant. Ist aber so.
Aber das ist passé. Jetzt ist ein neues Leben in Frankreich angesagt und das ist so, wie ich es mir immer gewünscht habe. Ich studiere das französische Alltagsleben, das sich sehr vom deutschen Alltag unterscheidet. Bref: es ist féerique( feenhaft).
Den Winter verbringe ich in Deutschland und habe so einen guten Vergleich.
"Meine erste Verliebtheit in der Ehe ...." , gab es eine zweite? Nun sollte "Briest" sprechen, dh "La belle Epoche". You know what I mean?
cordialement
Hanna
ich habe lange Zeit in Altenberge gelebt auf einem großen Hof in Hansell, wo ich meine Wollschweine züchtete und in arger Konkurrenz zum Münsteraner Zoo stand, denn meine Schweine gediehen besser und die Schulklassen kamen zu meinen Schweinen, weil die Münsteraner Zoo -Schweine nicht glücklich waren, meine dagegen sehr.
liebe hanna,
die wollpigs kommen wieder mal zum vorschein. ich habe den kontext, in dem du den märchenhaften schweinehirten gabst, noch nicht klar. wie kommt eine angehende lehrerin in sachen deutsch und reli dazu, wie in der oper zu singen: mein idealer lebenszweck ist borstenvieh, ist schweinespeck...?
Wir sind uns ja damals vielleicht begegnet, im Töddenhoek oder in der Lila Eule?
alles möglich, wenn begegnet heißt, wir seien womöglich ins gesichtsfeld getreten, ahnungslos. die namen kenn ich wohl, allein sie bedeuten mir nichts.
Wie hast Du das "Katholische" kennen gelernt? Was sagt dir das?
bevor ich das katholische kennen lernte, lebte ich zwar auch in katholischer umgebung in einer bauernschaft, aber ohne eine einzige erinnerung an katholisches. wenn die bauern beteten, war ich nicht zugegen. ich weiß nichts von kirchgängen und glockenläuten. das war alles draußen. ich war während der kriegsjahre von 39 bis 45 sozusagen im niemandsland, zu dem die ganze gegend nach kriegsende von den briten erklärt wurde.
drei kindheitserlebnisse in den 6 jahren mögen demonstrieren, was für ein heidnisches verhältnis ich von kleinauf hatte.
osterspaziergang mit der ganzen familie und nachbarn. muss in den frühen jahren gewesen sein, denn mein vater, der mir stets fremd blieb, war auch noch mit dabei. ich sollte/durfte bunte eier suchen draußen während des spaziergangs. nachdem ich alle ostereier eingesammelt hatte, forderte ich meine eltern auf, nun ihrerseits zu suchen. ich wollte nun die eier verstecken.
mit anderen worten, ich hatte beobachtet, wie die eltern erst vorgegangen waren. in der zweiten runde wollte ich das spiel mit rollentausch fortsetzen. der osterhase kam in dem spiel gar nicht vor.
in der unmittelbaren nachbarschaft (auf der zollstation) zu den niederlanden war sinter klaas (nikolaus) ein überall gefeiertes ritual. im krieg aber waren nikoläuse/männer mangelware. also sprangen frauen oder mädchen ein. bei uns erschien nikolaus in der üblichen aufmachung, aber ohne knecht ruprecht(zwarte piet). die rute trug er selbst. zwei dinge verrieten mir, dass die verkleidete person meine älteste cousine war: ihre stimme und ihre schuhe, die unter dem umhang am boden hervorlugten. während meine kleine schwester sich erwartungsgemäß vor der erscheinung ängstigte, sagte ich: das ist ja inge.
im frühjahr 45 bombardierten die alliierten, was das zeug hielt. auch die kleinstädte in der nähe der grenze wurden gründlichst heimgesucht. so konnte ich eines tages mit bloßen augen sehen, wie der kirchturm in der etliche kilometer entfernten stadt stadtlohn brannte. brannte, bis er einstürzte. das war in der region natürlich der turm einer katholischen kirche. das wusste ich nicht. denn ich kannte gar nicht die unterscheidung von katholisch und evangelisch. ich war neutral...
als ich danach per räumungsbefehl vom land in die stadt kam, lernte ich bald das dröhnende geläute und das brauchtum der katholen kennen. vor allem mein erstes grundschuljahr in der katholischen schule brachte mich in berührung mit dem beten und brabbeln. zu beginn des unterrichts und am ende. ich kam mir vor wie das kind eines kolonialen europäers in afrika. die eingeborenen blieben mir fremd, sehr fremd.
so wie du über den kulturschock an deiner ersten anstalt in niedersachsen berichtest, so blieb ich auf distanz und wurde darin durch weitere erlebnisse bestärkt. im progymnasium, das pünktlich um acht uhr morgens begann, durfte ich mit ansehen, wie eine mitschülerin durch klassenlehrer und schulleiter so lange verhört und unter druck gesetzt wurde - vor ihrer klasse, bis sie weinte. ihr verbrechen, der grund des verhörs: sie war bei der frühmesse als nicht anwesend registriert worden. die anwesenheit aller schüler/innen wurde streng überwacht und notfalls drastisch geahndet. zwangsteilnahme. mittelalterlich.
über privatissima wie die grobe anzahl und art meiner verliebtheiten schreibe ich hier im öffentlichen medium lieber nicht, wenn ich auch nicht vorhabe, mich irgendwo um einen job zu bewerben...
herzlich helder
..."Steve spricht kein Französisch, obwohl er schon seit 10 Jahren hier wohnt"...
Unfassbar, und da habe ich gar kein Verstaendnis...