Mely Kiyaks Deutschunterricht

Auschwitz-Gedenken Gauck hat eine Rede zu Auschwitz gehalten, über die Mely Kiyak uns kritisch belehrt.

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http://www.zeit.de/kultur/2015-01/auschwitz-identitaet-deutschland-kiyak-deutschstunde

AUSCHWITZ-GEDENKEN

Fühlen in Imperativen, Zeit online 28.01.

Was Kiyak hier schreibt, ist insgesamt wenig ausgegoren. Aber immerhin schreibt sie nicht mehr eine Kolumne wie weiland in der FR, in der sie mit Vorliebe Menschen quasi rassistisch verunglimpfte. Ob sie aber mit ihrer schriftsprachlichen Kompetenz wirklich dazu berufen ist, Deutschstunden zu erteilen, sei hier dahingestellt.

„Natürlich wurde nicht Auschwitz befreit, sondern die inhaftierten Überlebenden

Dieser Satz ist bloße Beckmesserei. Er bedürfte aber, wenn schon, näherer Erörterung. Denn Auschwitz wird auch in tausend Jahren nicht von seinem Ruch befreit sein. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Erinnerung daran bis dahin nicht verblasst. Das zu verhindern, daran gemahnen uns die Überlebenden und gemahnt uns auch Gauck. Sein zentraler Gedanke:

Aus dem Erinnern ergebe sich ein Auftrag.

"Er sagt uns:Schützt und bewahrt die Mitmenschlichkeit. Schützt und bewahrt die Rechte eines jeden Menschen."

In Kiyaks Text erscheinen dagegen Gaucks Gedanken verfälscht und als bloßes Vehikel für ihre eigenen Interpretationen. Von „Verordnen“ von Gefühlen ist bei Gauck jedenfalls nicht die Rede. Wobei ein angemessenes Erinnern gleichwohl nicht nur das Wissen über das Geschehen, sondern auch das Nachempfinden des Leidens beinhaltet (die Motive der Täter, die viel zum Verständnis beitragen könnten, sind leider tabu).

Um Kiyaks Verordnungs-Verdikt zu untermauern, übernimmt sich die Interpretin der deutschen Sprache in einer Weise, die einer Deutschlehrerin durchaus ungemäß ist.

„Auch wenn es die deutsche Sprache in Bezug auf Gedenksteine durch den Gebrauch von Imperativen suggeriert – Denkmal! Mahnmal!“

Das soll wohl klug und gewitzt erscheinen, hier wird aber übersehen, dass es sich bei dem Wort „Mal“ um ein Homonym handelt: dieselbe Wortgestalt für zwei verschiedene Beduetungen. Wobei hier noch Umgangssprache benützt wird, um einen Imperativ, eine „Verordnung“ zu suggerieren. Denn auch die Bedeutung von „mal“, auf die Kiyak rekurriert, ist keineswegs per se imperativisch. „Mach einmal!“ ist zwar ein Imperativ, keinesfalls jedoch „ein mal eins ist eins“ oder „das eine ums andere mal“. Abgesehen davon fordert das Mahnmal nicht dazu auf, "mal zu mahnen", sondern ist seinerseits das Subjekt der Mahnung ans Publikum. „Mal“ erscheint hier in der Bedeutung von Zeichen und hängt ursprünglich mit „malen“ zusammen. Kein Imperativ weit und breit also.

„Nun wissen wir, dass nichts die Deutschen so sehr in Aufruhr bringt, wie nationale Identitätszuschreibungen“

Das zweite Komma wäre an anderen Stellen besser platziert, wo es zum Teil fehlt. Im übrigen gilt: „die Deutschen“ sind wie andere Menschen auch, nämlich unterschiedlich, und der behauptete Aufruhr ist mir leider gänzlich entgangen. Jedoch:

„Dabei kann man schon fragen, wie es möglich ist, dass so schamlos und selbstverständlich eine gemeinsame christlich-jüdische Kultur- und Wertegemeinschaft heraufbeschworen wird“.

Das frage ich mich allerdings auch seit je, aber es ist ja ein beliebter Brauch, eine Kultur erst zu zerstören und ihre Träger zu vernichten, um die Kultur dann als Folklore wieder auferstehen zu lassen, wie die zeitweilig in Mode gekommene Klezmer-Musik, zu der die hier lebenden Juden allerdings kaum einen Bezug hatten.

Die Rede von der christlich jüdischen Kultur soll wohl eine Art nationale Gewissensentlastung von den Gräueltaten darstellen, die im Namen des Herrn, des Volkes und der Rasse in den letzten tausend Jahren von Christen an Juden verübt worden sind.

Die Gemeinsamkeiten sind in Wirklichkeit kontradiktorische Gegensätze. Die sind eindrücklich symbolisch erfasst in dem Gedicht „Todesfuge“ von Paul Celan: „dein goldenes Haar Margarethe, dein aschenes Haar Sulamith.“

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