Nach langer Zeit mal wieder in einem heimatlichen Forum Bekanntschaftsanzeigen gelesen. Nach einer guten Handvoll hatte ich die Nase voll. Vielleicht, weil ich derzeit nicht dafür offen und disponiert bin, mir für mich selber eine Kontaktanbahnung darüber vorzustellen. Ganz bestimmt aber auch aus folgenden Fragen und Beobachtungen heraus:
Warum bloß lügen die Menschen sich derart selber die Hucke voll, sobald es darum geht, ein Bild von sich selber zu zeichnen sowie von einem Menschen, den sie sich als Ergänzung wünschen und von den Dingen, die man gerne mit ihm erleben und verwirklichen würde, aber alleine nicht oder nicht auf die gleiche Weise erleben kann oder möchte?
Das ist doch eigentlich die ganze Wissenschaft, zu der selbstverständlich dazugehört, dass man den anderen gerne ansehen und anfassen möchte und gerne von ihm angeschaut und angefasst werden möchte, oder?
Ja, das wäre vielleicht die ganze Wissenschaft, wenn es eben zumal um die Menschen als Personen ginge. Es geht aber nicht um die Menschen als Personen, es geht um die Menschen als Waren. Und der Warenmarkt folgt seit jeher einem bestimmenden Prinzip: Ich muss für einen möglichst geringen Wert, den ich anbiete, einen möglichst hohen Gegenwert eintauschen. Sonst gibt es keinen Gewinn.
Jedoch: welcher vernünftige Mensch gibt denn freiwillig etwas Wertvolles gegen etwas Wertloses her?
Das ist in der Tat ein Problem, und da die Marktgesetzlichkeit aber nun mal ist, wie sie ist, hilft nur eins: der schöne Schein, mit dem ich meinen Artikel, hier: MICH, aufputze, damit er wertvoller erscheint, als er ist. Für den übrigen Warenmarkt gilt auch noch: den angestrebten Artikel als wertlos heruntermachen, um den Preis zu drücken. Doch das ist hier ein Problem, denn der Verkäufer ist hier selber die Ware und möchte und sollte deshalb tunlichst gelobt werden. Das Heruntermachen kann dann in diesem Falle nach dem Erwerb geschehen.
Konzentrieren wir uns also auf das scheinhafte Verschönern der angebotenen Ware! Dafür gilt es, nach ganz bestimmten allgemein anerkannten Wertkriterien vorzugehen:
1. Es ist ohne weiteres jedem Menschen von einigem Verstand klar, dass ALLE Leute, die hier inserieren, einsam sind. Aber Einsamkeit ist eine defizitäre Eigenschaft, und deshalb kommen hier, so paradox das klingen mag, keine Einsamen vor, und schon gar nicht mit den entsprechenden depressiven Verstimmungen, die zumal sonntagsnachmittags auftreten, wo man sich nicht unter die glücklichen Paare und jungen Familien mischen möchte, die am Fluss oder im Park spazieren gehen. Die Menschen hier stehen alle mitten im Leben, haben sogenannte Freundeskreise, sind quietschlebendig, ausgefüllt mit vielerlei sportlichen und kulturellen Aktivitäten und auf dem ansonsten ganz und gar zufriedenstellenden Leben fehlt nur jemand als klitzekleines Sahnehäubchen, damit es zu einem ganz und gar glücklichen Leben werde.
2. Junge Menschen sind wertvoller als alte. Da sollte man denken, da gäbe es, außer den bekannten "dreißig Jahre und vierundvierzig Monate" , wie es als Bonmot einer Filmschauspielerin auf die bohrende Nachfrage eines Reporters in den Mund gelegt wurde, nicht viel zu verheimlichen, zu schönen und vorzutäuschen. Weit gefehlt: Hier sind alle Menschen jung, wirklich alte Menschen, die es schon im alltäglichen Sprachgebrauch nicht gibt, dort heißen sie "Senioren" oder allenfalls "ältere Menschen", sucht man hier vergebens. Peinlich und lächerlich, welche Blüten das hier treibt, dazu gehört nicht nur der "große Junge, 72" und nicht nur die über 60-Jährige, die "kein Oma-Typ" ist, obwohl sie locker Urgroßmutter sein könnte, vielleicht sogar ist, sondern:
a) Wer älter ist, als er sein möchte, und das sind hier fast alle, sieht wenigstens jünger aus. Sagen die Freunde zumindest.
b) Wer das realistischerweise, auch nach dem wohlwollendsten Urteil der Freunde, nicht von sich behaupten kann, "fühlt" sich zumindest jünger. In der Regel sogar erheblich, also: ein 60-Jähriger ist "gefühlte 48", usw..
3. Schlanke sind wertvoller als Dicke.
Wer schon einmal mit hier inserierenden Frauen verabredet war, wundert sich teilweise doch sehr, wo in so manchen Köpfen die Grenze zwischen "schlank" und "etwas füllig" verläuft. Und die Fülligeren sind auch nicht füllig, sondern haben eine "Normalfigur". Wer das ehrlicherweise nicht mehr von sich behaupten kann, ist auch nicht dick, sondern strapaziert als Kunstkennerin den hier hundertfach in Anspruch genommenen armen Rubens.
4. Was ich noch nicht verstehe.
Wünschen die Inserentinnen (und vielleicht Inserenten, deren Texte ich seltener lese) eigentlich jemanden, mit dem zusammen sie dasselbe tun und erleben können wie bisher ohne ihn, oder wünschen sie jemanden, mit dem sie zusammen das Neue tun und erleben können, das der bisher ohne sie getan und erlebt hat? Wo doch alle so schon so ausgefüllt leben, wie wollen sie das ausgefüllte andere Leben noch mitleben?
Das Interessanteste in der Hinsicht ist der Wunsch nach einem "Mann, der weiß, was er will". Welche Frau will denn wirkich so jemanden? Ich dachte, die ehrliche Anzeige laute: "Suche Mann, der weiß und tut, was ICH will".
Ich beschreibe das alles zwar kritisch, würde mich jedoch keineswegs ausnehmen oder mich gar über die Inserierenden erheben wollen. Die entsprechenden gesellschaftlichen Muster sind so bestimmend und prägend, dass sich dem niemand wirklich entziehen kann.
Und die entsprechenden Lügen sind, um nur beim Alter zu bleiben, schon in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Denn in Wahrheit ist ein Mitte-60-Jähriger natürlich Mitte 70, und nicht Mitte 60. Oder ist ein Fünfjähriger etwa "Mitte 0" und nicht "Mitte 10"?
Klar, dass junge Menschen schöner sind als alte (oder unterliege ich hier auch bloß einem gesellschaftlichen Muster?) und schlanke schöner sind als dicke, Rubens zum Trotz, der m.E. mit seinem Bildern hauptsächlich den vollgefressenen Adeligen und Großbürgern schmeicheln wollte, deren Männer sich aber jedenfalls für ihre Lust gerne bei den Jungen und Schlanken der unteren Schichten "bedienten" - Aber warum gibt es keinen Diskurs über die Frage, an dem ich mich beim unentrinnlichen Älterwerden orientieren könnte, oder finde ich ihn bloß nicht?
Ich will nicht "in Würde" alt werden, ich will mit Lust und Vergnügen und Bereicherung alt werden, für Körper, Geist und Seele.
Tatsächlich würde wohl auch niemand "noch mal jung" sein mögen, der sich wirklich richtig erinnern kann. Wir wollen bloß noch ein wenig leben, und "ein wenig" heißt "ewig" (Tucholsky). Auf unseren alten Fotos sind die herausgehobenen und glücklichen Momente festgehalten. Das weit überwiegende Mühsame, Frustrierende, das Unglück und Leid verschwimmt uns in der Erinnerung.
Oder, mit Diether Krebs, der vom Hautarzt eine Salbe bekommt, mit dem Kommentar: "Wenn Sie die regelmäßig auftragen, bekommen Sie eine Haut wie ein 18-Jähriger", worauf der, entsetzt: "Akne?".
Kommentare 65
Lieber Oranier,
einfach zu sagen, schöner Text, und dann zu erklären, warum, erscheint mir völlig unpassend.
Deshalb nur ein Satz von Arthur Schnitzler:
Kein Gespenst überfällt uns in vielfältigeren Verkleidungen als die Einsamkeit, und eine ihrer undurchschaubarsten Masken heißt Liebe.
Auf Punkt vier wäre ich noch gespannt.
LG
Titta
Danke, liebe Titta!
Den ursprünglichen Punkt vier habe ich herausgenommen, er handelte vom ganz und gar merkwürdigen Umgang mit Sexualität in Bekanntschaftsanzeigen. Vielleicht mal gesondert. Danke für den Hinweis.
Dein Schnitzler-Zitat ist richtig was zum Nachdenken für den Rest meines Abends. Woher hast du sowas bloß alles? Danke dafür!
Und danke überhaupt für den ersten Kommentar zu meinem Blog! das passt ausnehmend gut, denn ursprünglich wollte ich viel dezidierter etwas über Altwerden, Liebe und Glück schreiben und es dir widmen, wegen deines so schönen "Frau über 40"-Beitrags.
Es kam aber erst einmal dies dabei heraus, weil mir der Mut zu einem vergleichbar persönlichen Beitrag vom Erlebnishorizont des alternden Mannes fehlte. Vielleicht später einmal.
Liebe Grüße
oranier
Ich hab auch schon überlegt, daß die beiden Beiträge thematisch gut zusammenpassen würden. Meinen hatte ich unter Frauen oder wie das heißt abgeheftet. Aber eigentlich müßte es nicht nur was zu Geschlechtern geben, sondern auch zu Generationen.
Die ganzen schönen Sachen finde ich immer mit strgF unter Aphorismen.doc. Du weißt, ich kann ja nicht in länger ;-) Ich kann dir die entsprechende Datei ja mal schicken.
LG
Titta
Ja, sehr gerne, und überhaupt!
LG
oranier
Lieber Oranier,
unter dem Link findest Du Postings in denen Friedhofsblondinen über z.B. Inrimrasuren reden.
www.platinnetz.de/
Irgendwann kommen wir alle an den Punkt, wo es beruhigend ist, die Lesebrille mit seinem Partner teilen zu können.
Älter werden bedeutet Abschied zu nehmen. Von den Menschen und den Tieren die man liebt. Und von Alten Gewohnheiten.
Und nein, ich suche keinen Partner. Wirklich nicht.
Liebe chrisamar,
danke für den Link. "das Portal für Junggebliebene" ist natürlich genau das Richtige für mich. Vor allem sehen die abgebildeten Menschen alle so aus, wie die auf den Hochglanzbroschüren meines Hörgeräte-Akustukers.
Die Postings der Friedhofsblondinen brauche ich gar nicht erst zu lesen, allein die Vorstellung von deren Intimrasuren beflügelt meine Fantasie derart, dass ich aufpassen muss, dass ich heute Nacht, nackt und bloß auf meinem Linnen unter der Daunendecke liegend, nicht auf alte Gewohnheiten zurückgreife, von denen ich längst glaubte Abschied genommen zu haben.
Schade, dass du meine heimlichen Intentionen bei die Veröffentlichung des Textes so durchschaut hast, dass ich mich dir nun nicht mehr als Partner andienen kann. Nicht mal für eine Nacht wie diese.
Mit gerontologisch aufgewühlten Gefühlen und, wenn schon nicht reinem Gewissen über rasiertes Intimleben, so wenigstens reinem Gebiss im Glas,
Fröhliche Grüße
oranier
Lieber Oranier,
dein Text greift mir ins Innerste und ich danke dir. Ich gehöre auch zu denen, die von Bekannten auf "48" geschätzt werden. Denen glaube ich zu gern und ich erzähl' es dann auch noch weiter. Nun bringst du mich dazu, das künftig doch lieber zu lassen. Eventuell.
Wir werden älter und fühlen uns viel jünger, als wir es wirklich nach Jahren sind. Wenn wir uns aber jünger fühlen, dann sind wir es doch, irgendwie. Andere, Gleichaltrige etwa, betrachten wir deutlich gnadenloser als uns selbst.
Nun werde ich noch ein bisschen grübeln. Und/oder ein paar Bier trinken gehen.
Liebe Grüße
weinsztein
Wie schade, Frau Christamar,
dass Sie so nachdrücklich keinen Partner suchen. Ich hätte Sie mir sehr gut an Oraniers Seite vorstellen können.
Lieb
Ihr weinsztein
Jetzt kommt die ältere Dame zum Kommentieren (Kein Oma-Typ:-))
So in der ersten Überlegung fällt mir ein, dass der Versuch, sich als besser, attraktiver, jünger oder so zu " verkaufen" auch in der DDR vorhanden war. War alles so ähnlich und da ging es eigentlich nicht um Waren, aber irgendwie eben doch. Als ich es in jungen Jahren mal versucht habe mit einer Annonce - hat mir ein Kollege geraten , ich sollte doch auch die hübsche Abkürzung einsetzen: "nicht unverm. (nicht unvermögend). Ich hatte auch ganz interessante Zuschriften, aber ergeben hat sich daraus nichts.
Ich denke: Briefpartner kann man von fern suchen ,Freundschaften lassen sich pflegen - in der Liebe geht es im weitesten Sinne eben noch um mehr: Man muss sich auch körperlich mögen und das ist aus meiner Sicht eine schwierige Kiste. Und die wird - so sagen viele - in den ersten paar Minuten entschieden.
Überhaupt wäre mir das Zweckgerichtete mit Jemandem zusammentreffen zutiefst unangenehm. Wäre es ein Zufall, dann o.k., aber mit dem Gefühl, dass man sich jetzt kennenlernen soll, käme bei mir überhaupt nichts zustande.
"Wünschen die Inserentinnen (und vielleicht Inserenten, deren Texte ich seltener lese) eigentlich jemanden, mit dem zusammen sie dasselbe tun und erleben können wie bisher ohne ihn, oder wünschen sie jemanden, mit dem sie zusammen das Neue tun und erleben können, das der bisher ohne sie getan und erlebt hat?"
Das ist aber eine Frage, die schon von eigenen Wünschen bestimmt ist. Ich würde mir eine Mischung wünschen. Einen der einen nicht völlig aus dem eigenen Kosmos reißt und doch etwas neues Leben vielleicht.
Und Deine Anmerkungen über einen Mann ,"der weiß, was er will", amüsiere ich mich auch .
Noch heute wäre ich froh, wenn meiner manchmal wüsste, was er...seufz..
Bis es hier wachsende Artikel gibt, machen wir es eben so:
www.freitag.de/community/blogs/titta/du-als-ueber-40-jaehrige---ein-resuemee-aus-der-sommerzeit-des-lebens
weinsztein!
Bei der Alternative: grübeln oder Bier trinken: auf jeden Fall Bier trinken!
Wenn du tatsächlich aussiehst wie 48, dann ist das doch eine Gnade, für die du dankbar sein und über die du dich freuen kannst. Das darfst du dann natürlich auch heimlich weiter erzählen. Das "Eventuell" ist natürlich eine hübsche Einschränkung, du Schelm!
Nur, wenn du heute Bier trinken gehst und morgen die Sache nüchtern zuende denkst, statt zu grübeln, kommst du vielleicht auf den Dreh, dass auch wenn du aussiehst wie 48, du nicht wirklich aussehen kannst wie 48. Denn die 48-Jährigen sehen ja aus wie 35, aber auch nicht wirklich, weil aussehen wie 35 bedeutet: aussehen wie 22, und so weiter ad absurdum, und wenn wir das Spiel konsequent zuende spielen, treffen wir uns alle im Sandkasten wieder und streiten uns um Eimerchen und Schüppchen, statt um philosophische Lebensfragen.
Zudem: Was heißt genau, sich jünger fühlen, als wir es nach Jahren sind? Vielleicht abgesehen von gebrechlichen Zuständen, mit denen ich, dies ebenfalls eine Gnade Gottes oder des Schicksals, bisher keinerlei Erfahrung habe, kann man, meine ich, kein Alter fühlen. Ich fühle mich und fühlte mich seit jeher mal froh und mal traurig, mal müde und antriebslos und mal vital und voller Tatendrang, mal krank und mal gesund. Ich erinnere mich aber beim besten Willen nicht an das Gefühl 48 oder 55.
Mit dem Gefühl, z.B. Gleichaltrige gnadenloser zu betrachten als uns selber, sprichst du einen neuralgischen Punkt an. Das kenne ich auch, und da gerade würde der von mir gewünschte Diskurs ansetzen: nicht lernen, sich selber auch gnadenlos anzusehen, sondern mit sich UND den anderen gnädig umzugehen, verstehen und akzeptieren lernen, wo man steht, verstehen und akzeptieren lernen, dass andere woanders stehen, und das Ziel und den Weg verfolgen, wohin man geht, mbewusst und aktiv, aber ohne Zwang und ohne dem Jugendlichkeitswahn zu verfallen. Welche Legitimation haben wir eigentlich, uns über die Diskriminierung von Alten durch die Jungen zu beschweren, wenn die Alten nicht ALS SOLCHE ein Selbstbewusstsein anstreben und an den Tag legen, statt zu versuchen, jene von ihrem Platz, den sie selbst früher eingenommen, per Definition zu verdrängen.
Die Sprache ist, hier wie überhaupt, der Schlüssel zum richtigen oder falschen Bewusstsein. "Eine Anzeige, wie: Frau, 73, jugendlicher Typ" wird doch von uns nicht einmal als anstößig wahrgenommen. Dabei möchte ich sie fragen: "Was treibst du denn so in deiner Freizeit? Schlenderst du mit deinen Freundinnen Lollylutschend im bauchfreien Top durch die Innenstadt und kicherst über die Jungs, die euch begegnen?".
"Vielleicht abgesehen von gebrechlichen Zuständen, mit denen ich, dies ebenfalls eine Gnade Gottes oder des Schicksals, bisher keinerlei Erfahrung habe, kann man, meine ich, kein Alter fühlen."
Als Frau kannst Du es fühlen. Frauen werden - wenn sie älter werden - unsichtbar in der Öffentlichkeit. Man sieht durch sie durch. Darüber klagen vor allem solche Frauen, die sich sehr über ihr Äußeres, über ihre Attraktivität definiert und verstanden haben.
Aber auch allgemein kriegt man das schon zu fühlen. Ich zum Beispiel bin körperlich manchmal fitter als früher, weil ich mehr für mich tue. Aber, dass ich über 60 bin, das spüre ich schon.
Magda,
mit dir sprech' ich doch gar nicht, Treulose! Erst verlobste dich mit mir, und jetzt verunzierst du meine schöne Schreiber-Leser-Symmetrie als einige Bloß-Schreiberin.
Sonst würde ich dir was anderes erzählen. Aber zunächst soviel: Dass du kein Oma-Typ bist, sieht doch jeder an deinem Foto.
Spaß beiseite, Kommentar später nach dem Nachdenken!
Grüße
oranier
Liebe Magda,
verzeih mir bitte die Korrektur: Das Allgemeine, nämlich Gesellschaftliche, beschreibst du in den ersten beiden Absätzen, im dritten aber das Individuelle.
Was ersteres betrifft: Die Frauen spüren doch nicht ihr Alter, wenn man durch sie hindurchsieht, sondern sie rezipieren die spezifische Wahrnehmung ihrer Person in der Öffentlichkeit, ist das nicht etwas anderes, und hängt das nicht zentral mit dem gesellschaftlichen Bewusstsein der Wertigkeit von Jugend und Alter zusammen, von dem ich schreibe und an dem die Alten fröhlich oder unbewusst mitstricken?
Ich kann die entsprechenden Frauen aber trösten: Mir pfeifen die Mädels auch nicht mehr hinterher. die Frauen, denen ich in der Stadt offenen Sinns und offenen Blicks begegne , schauen allerdings nicht durch mich hindurch, sondern sind schon, wovor viele Zeitgenossen warnen, islamisiert, sie schlagen die Augen nieder, wenn ich Mann daherkomme.
Wenn du fitter bist als früher, wozu ich dir gratuliere, woran spürst du dann, dass du über 60 bist?
Du hast ja auch schon zum Thema geschrieben, Magda. Ist mir auch gleich wieder eingefallen, als ich oraniers Beitrag gelesen hab.
In meiner Jugend war es mal Mode, Annoncen für sog. (Brief-)Freundschaften in Jugendzeitschriften aufzugeben. Mein Bruder hat das eine Zeit lang als Hobby betrieben und diverse junge Damen getroffen und zu einigen auch länger Kontakt gehabt. Einmal gab er mir ein paar Adressen ab. Ich schrieb einige Briefe, bekam einige, die mir sogar gefielen und die Absenderin hab ich dann besucht. Sie war 18, hatte eine eigene kleine Plattenbauwohnung in Rostock-Lüttenklein, einen Trabbi, beides von ihrem früh verstorbenen Scheidungsvater geerbt, und war Tippse oder sowas. Ich war Zerspanungsfacharbeiter, also Dreher, Fräser, Schleifer. Sie war hübsch und etwas mollig, ich schlanker als heute und auch nicht ganz hässlich. Mein Mitbringsel hielt ich für eine Antiquität, sie für alten Schrott, sie machte schnippische Bemerkungen über meinen Tramper-Rucksack, mir war unbehaglich. So zog ich meiner Wege, weitere Briefe wechselten nicht mehr zwischen uns. Wenn sie mich zufällig mit ihrem Trabbi als Anhalter an der Straße aufgegabelt hätte, wäre mit einiger Wahrscheinlichkeit was anderes passiert. Seit dem kann ich mir diese Art der Kontaktaufnahme überhaupt nicht mehr vorstellen.
Liebe Magda,
danke für deinen bedenkenswerten Kommentar, das Ernstnehmen durch genaues Lesen und die entsprechende kritische Intervention. Nur so lässt sich produktiv diskutieren.
Deine und anderer Berichte über: "So war es in der DDR" nehme ich immer wieder mit großem Interesse auf. Würde das überall so gepflegt, wie bei uns in der Community (!) wäre schon längst zusammengewachsen, was doch zusammengehört.
Jedoch spricht dein Bericht nicht gegen den Warencharakter. die DDR war keine kommunistische, sondern eine, wenn auch halbherzige und ideologisch mit Unwillen betriebene warenproduzierende und -tauschende Gesellschaft, oder sehe ich das falsch, Magda, Meisterfalk und andere?
Außerdem bestand sie nur über kaum zwei Generationen, von denen die jüngere natürlich von der älteren und die durch die Jahrhundertealten Wertmuster der Bürgerlichen Gesellschaft geprägt war.
Deine sicht über die körperlich-sexuelle Anziehung teile ich vollkommen, und die ist das entscheidende Bindemittel und zugleich das entscheidende Hindernis für jemanden, der nicht nur jemanden mit "Hirn und Herz" sucht, wie in vielen Anzeigen inseriert, sondern jemanden mit Kopf, Herz und Po. Handwerkliches Geschick nicht ausgeschlossen.
Das zweckgerichtete Zusammentreffen ist nicht nur unangenehm, sondern scheiße. Die Gründe hast du benannt.
Eigener Kosmos und das Neue: Ja natürlich. Da beziehe ich mich ironisch auf eine Fülle von Anzeigen, wo die Interessen, Neigungen, Reisearten usw. so detailliert aufgeführt werden, dass ich eben denke: Wo ist da noch Platz für den anderen?
Dein letzter Satz ist fast der interessanteste. Leider kneifst du an der entscheidenden Stelle.
Schöne Grüße
oranier
Verstehe ich dich richtig, meisterfalk, dass du die missratene Kontaktanbahnung auf zu hohe oder falsche Vorab-Erwartungen zurückführst? Dann kann ich dir aus meinen Erfahrungen nur zustimmen.
Was sagst du zur "warenproduzierenden Gesellschaft", würde mich interessieren.
Grüße
oranier
P.S. Siehe auch oben: "Community"!
"Wenn du fitter bist als früher, wozu ich dir gratuliere, woran spürst du dann, dass du über 60 bist?"
Vergesslichkeiten, Zerstreutheuten ,Gelangweiltheiten, weil sich immer alles wiederholt, Euphorie-Defizite. Endlichkeitsgefühle. Ängste.
Kein Tag, an dem ich nicht irgendwie mit Endlichkeit beschäftigt bin.
Ja, leuchtet mir ein, diese Seiten habe ich vernachlässigt.
Nein, wir waren beide einfach in der falschen Situation. - Was die Partnersuche als Warentausch angeht, gebe ich Dir Recht, dass Warenästhetik eine gute Metapher ist für die Praxis, sich eine Gestalt zu geben, die einen Kaufreiz, sprich Kontaktwunsch erzeugt. Was man auch nennen könnte, ein Gebrauchswert-, sprich Beziehungsversprechen abzugeben. Aber wir wissen alle, dass das Hauptproblem bei Beziehungen die Erwartungen an den Partner, etwas bei einem zu kompensieren, ist. Manch einer kommt dem noch mit einer illusionären Selbstdarstellung ('Warenstyling'?) entgegen, ja. Die Unfähigkeit, mit sich selbst zufrieden zu sein, und den Partner so zu nehmen und sein zu lassen, wie er wirklich ist, hat schon was mit gesellschaftlichen Defiziten zu tun, H.-J. Maaz beschreibt das ganz gut. Die Warenproduktion als Muster für die Produktion von Selbstdarstellung ist vielleicht etwas, hmm, vordergründig? Eher ist es so, dass die Warenästhetik die selben bei den Menschen vorhandenen Kompensationsbedürfnisse anspricht, die sich auch in den Partnerschaften (oder bei der Partnersuche) auswirken.
@Magda
Schon eigenartig. Ich wäre von Herzen gerne später mal Oma, weil es so schmerzt, daß ich nie eine werde sein können. (FuturII, war das nun richtig so, oranier ;-)
Darauf habe ich Lust, mit Nachfragen und Bedenken einzugehen, allein: ich brüte noch über anderen Schreibaufgaben, die mir ein Herzensanliegen und eine Herzensangelegenheit sind und die ich gerne heute noch adressieren möchte. Deshalb: bis morgen!
Schlaf auch noch was! Gute Nacht!
hallo oranier, hübsche sachen hast du hier ausgebreitet. ich muss dir aber nichts abkaufen davon, wenngleich du es wirklich lebensnah präsentierst - das jugendliche älterwerden.
mir ist so ab etwa 40 aufgefallen, dass ich rechnen musste, wieviel jahre ich schon zusammenbrachte. das war vorher nicht so.
in den 40ern traf ich einen etwa 10 jahre älteren mann, der nicht oft genug von den gekennzeichneten reden und klagen konnte, dass ich auch einer der gekennzeichneten sei, stellte er fest. erst verstand ich nicht, was er redete. dann stellte sich heraus, dass er so etwas wie das todesurteil meinte, das er den leuten an der stirn oder was weiß ich wo ansah. mit trauern und bedauern.
ich verstands nicht. wenn ich auch wie gesagt etwas mühsam mich an mein je aktuelles alter nach jahren erinnern konnte. ich fühlte mich in hochform.
unsere urteile samt jugendlichkeitswahn sind bestimmt durch biologische maßstäbe. davon bin ich überzeugt.
liebe, ästhetik, attraktivität, vorlieben, moden etc. sind auf biologie gebaut. nicht sehr menschlich, wohl aber allzu menschlich. es ist doch viel ökonomischer, sich von unbewussten trieben treiben zu lassen, als sein gegenüber personal wahrzunehmen. die physischen signale schalten das denkende sehen und hören ab oder um. auf biobetrieb.
hier im netz sind wir ziemlich frei davon. ein großer vorteil der virtuellen kommunikation. meine ich.
oranier, ich lese deine sätze gern und mit vergnügen.
@ h.yuren
Das kann man auch kürzer sagen, wenn ich dich richtig verstehe. Hatte den Text auch in leicht abgewandelter Form erst in meinem heimatlichen lokalen Forum zur Diskussion gestellt. Dort antwortet jemand:
Text: ....drauf geschissen, die Natur, nicht die Gesellschaft sagt an.....Entlein läßt sich auch dort lieber vom bunten Erpel vögeln.....demnach, ab ins Sportstudio, danach schick einkleiden, beruflich erfolgreich sein und viel ficken ;-)
Nix da, erst Konjunktiv, dann Futur!
Meine Quizfrage hast du ja samt deinem ganzen Blog klammheimlich verschwinden lassen, kleiner Feigling.
Oh Oranier,
verstehst du denn alles falsch? Ich sagte nicht, dass ich aussähe wie "48". Menschen, die mir schmeicheln wollen, sagen so etwas und ich glaube es ihnen zu gerne.
Ja, gnädiger zu sich selbst zu zu anderen sein, das hast du verstanden, immerhin.
Aber mal was ganz anderes. Du bist also mit Magda verlobt - was suchst du dann in Kontakt(anzeigen)höfen und lässt dich gar von Frau Christamar auf Seiten leiten, auf denen du intimfrisierte Friedhofsblondinen zu finden hoffst. Nach deinem Intimstyling möchte ich lieber nicht fragen. (Ich ahne, dass es in Richtung Pinocchio geht.) Das alles ziemt sich nicht für einen klassenbewussten Arbeiterjungen, als den dein dich Profil ausweist.
Magda, was sagst du dazu? Ich finde, dass sollte
hier offen ausgetragen werden.
Echauffiert:
weinsztein
weinsztein, mein Guter,
ich nehme alles zurück, was ich an Differenzierungen in der Frage versucht habe: Du BIST erst höchstens 48!
na endlich
Lieber Oranier,
danke für Deine Antwort. ;)
Viele herzliche Grüße sende ich Dir.
War wohl nix mit pennen?
Wunderschönen guten Morgen allerseits! Aber wahrscheinlich hört Ihr das jetzt nicht, weil Ihr schnarcht...
:))
Mein lieber Weinsztein,
natürlich wäre der Oranier bei Bedarf meine erste Wahl. Und es schmeichelt mir, dass Sie sich Sorgen um eine junge Witwe machen. Nun, für eine Dame schickt es sich aber nicht, öffentlich einen Herren wie z.B. "Oranier" zu umwerben.
Abgesehen davon, welcher Herr würde sein Bett mit einem Hund teilen?
Viele Grüße sendet Ihnen Ihre
Frau Chrisamar
2Schon eigenartig. Ich wäre von Herzen gerne später mal Oma,"
Ja, aber deshalb musste doch nicht Oma-Typ sein. Das ist doch die von der Kudident-Front, die Gipswellen hat und im Schaukelstuhl sitzt. Nee, das willen wir nicht.
@ weinsztein -
Ich finde auch, dass man das klären sollte. Ich habe woanders mal was darüber geschrieben, dass ich promisk bin. Netzpromisk nämlich.
Mein erster Verlobter ist outnumber und irgendwann kam dann auch oranier dazu, weil er auch mit dem Buchstaben "o" beginnt. Das ist meine erste beste Erklärung.
Allerdings- mit outnumber hatte ich in letzter Zeit auch nicht soviel Kontakt. Ich glaube aber nicht, dass er mir grollt, sondern einfach was anderes zu tun hat.
Das gibt es ja manchmal im Leben.
@ Titta
Na schön, wenn du dich der Konjunktiv-Korrektur verschließen möchtest, hier die Antwort auf deine Frage: Die Form ist nicht nur korrekt, sondern auch sehr schön situiert. Ebenfalls korrekt, aber weniger elegant, wäre "... dass ich nie eine sein können werde".
Das ist jedoch das ganz normale Futur I.
Das Futur II lautete entsprechend: "... weil es so schmerzt, dass ich nie eine werde gewesen sein können"
Das ist natürlich in zweierlei Hinsicht ein unmöglicher Satz. Erstens wäre das Futur II eine vollendete Zukunft, und es wird dich kaum im Himmel, wo ganz zweifellos dein endgültiger Aufenthaltsort sein wird, noch schmerzen - solches würde auch überhaupt dem Charakter des Ortes, bzw. des ortlosen Zustandes, widersprechen -, dass du zuvor keine Großmutter sein konntest.
Zweitens stößt die Grammatik mit solchen abstrusen Formen an die Grenzen ihrer Bestimmung, nämlich die Sprache sinnhaft und logisch zu strukturieren, um der Verständlichkeit willen, versteht sich.
Es gibt - oder gab jedenfalls - einen Streit unter Grammatikern, ob es in der deutschen Sprache das Futur II überhaupt gebe. Die deutsche Grammatik leidet ja unter dem Geburtsfehler, dass bis in hohe Mittelalter nur in Klöstern, und nur Latein geschrieben wurde. Nur ganz wenige Kleriker bemühten sich vor Luther darum, in der Sprache des Volkes zu schreiben, dazu zählen zumal im hohen Mittelalter die Predigten Meister Eckhards und, eine Generation vor Luther, "Die Nachfolge Christi" des Thomas von Kempen, das seinerzeit nach der Bibel meistgelesene Buch überhaupt.
Beide waren übrigens Mystiker, die Bedeutungserklärung holt man sich besser nicht in der platten Form von Augstein, der kürzlich - völlig überflüssig und fragwürdig - die Mystik und Spinoza bemühte, um die Kanzlerin zu verunglimpfen.
Die Konsequenz dieser Schriftlosigkeit der deutschen Sprache - die Minnesänger, die wohl schreiben und lesen konnten - man hat kleine Pferde-Satteltaschenbücher von ihnen gefunden - verheimlichten diese Fertigkeit und trugen ihre Lieder scheinbar aus dem Stegreif vor, um bei den Rittern nicht den Eindruck der von ihnen verachteten "Literati" zu hinterlassen - die Konsequenz war also, dass man bei der Verschriftlichung der deutschen Sprache dieser einfach die lateinische Grammatik übergestülpt hat, die jedoch entwickelt war, um eine ganz anderen Sprache zu beschreiben und zu normieren.
Es bietet sich also an, statt solcher Formenungetüme schlicht das Perfekt zu benützen, das aus dem Kontext leicht statt als vollendete Gegenwart als vollendete Zukunft erkennbar ist, also statt "dass ich nie eine werde gewesen sein können": "dass ich nie eine gewesen sein kann".
Soweit jedenfalls meine Sicht hierauf, aber wer es besser weiß, möge mich gerne entsprechend belehren.
Magda,
du sprichst vom "Oma-Typ", als gäbe es den. Ich denke jedoch, dass der "Oma-Typ" eine Erfindung von Frauen im Oma-Alter ist, um sich selber jugendlich davon abzugrenzen. Und wenn überhaupt, ist der Oma-Typ eine Frau, die im langen Schwarzen und mit grauer Strickjacke angetan, mit grauhaariger Duttfrisur und Nickelbrille, vor ihrem Haus auf der Bank sitzt und Babysachen strickt.
oder besser, glaube ich: "dass ich nie eine gewesen sein konnte". Verheddere mich schon selber im Formendschungel.
Übrigens, als Nachklapp, was die Ortlosigkeit nicht des Himmels, sondern der Utopie betrifft, so ist das nicht nur etwas zum Nachdenken, sondern die korrekte Übersetzung. "Topos" ist griechisch der Ort, die Negation würde mit dem Präfix A (Alpha) gekennzeichnet, dafür hat Thomas Moore (humanistisch: "Morus") im Titel seines Romans "Utopia" das gleich klingende und bedeutende englische "U" gesetzt.
"Allerdings- mit outnumber hatte ich in letzter Zeit auch nicht soviel Kontakt. Ich glaube aber nicht, dass er mir grollt, sondern einfach was anderes zu tun hat."
Und dafür ist schließlich die Promiskuität da, gell? Neben dem nicht zu unterschätzenden Aspekt der Abwechslung, versteht sich. Der wird aber wohl in seiner Bedeutung auch vielfältig überschätzt. Frauen sollen das ja mehr mit der Fantasie erledigen, da wärst du dann eine untypische Ausnahme. Obwohl: Zu "Netzpromisk" passt es ja dann wieder.
Karl Kraus stellt jedenfalls fest: "Der Mann nimmt alle für eine, die Frau nimmt einen für alle".
sorry, "... das Weib nimmt einen für alle" natürlich.
"Karl Kraus stellt jedenfalls fest: "Der Mann nimmt alle für eine, die Frau nimmt einen für alle"."
Ich kenne den Herrn nicht, den lasse ich mir nicht auch noch anhängen, den Kraus Karl. Ach, das ist der mit der Fackel und den letzten Tagen. Oder meinst Du den Vater von Peter Kraus, der war auch klasse.
Und nu is gut.
LeseTipp:
Eva Illouz
'Der Konsum der Romantik' hat mit dem Thema zu tun, ja. Vielleicht könnte man sagen, es geht da um die ökonomischen Bedingungen von Liebe...?
Das ist eine wohlwollende Interpretation. Wenn man unbedingt will, kann man sie auch der Apologetik bezichtigen...
@oranier
Du hast völlig recht, Futur II, das gewesene Futur. Was für ein Lapsus von mir, ach, wie einem die Gefühle die Sprache verhageln können. Und zu:
"Das Futur II lautete entsprechend: "... weil es so schmerzt, dass ich nie eine werde gewesen sein können""
Also dabei breche selbst ich mir dann die Beine, darf ich deshalb wagen und zukünftig in Futur II Geleit anfragen? Wie du merkst, auch bei den Klassikern bin ich etwas schwach auf der Brust.
In meiner Wunderbox habe ich auch noch was Passendes gefunden:
Wer etwas Eigenes haben will, verliert das Gemeinsame.
Thomas von Kempen
Und so fügt sich dann wieder das eine zum andren.
Kann man, klar.
Ist dein Profil nicht auch die warenästhetische Gestaltwerdung eines virtuellen Gebrauchswert- / Beziehungsversprechens zur Anregung eines Kontaktwunsches?
Das wäre erst zu beurteilen, wenn meine visuelle Erscheinung hier und das, was sie verspricht, mit der Realität meiner Person verglichen werden könnte.
- Gestatten, Krauss.
- Ach, Peter?
- Nein, Maffei.
- Peter Maffay?
- Nein, Krauss-Maffei.
Wowo? Dada!
Ist die markant, symbolhafte Ausgestaltung des Scheins nicht die Anregung für den Vollzug des Kontaktwunsches? Wozu dann noch das Ist, wenn doch das Sein so scheint :)
Haste auch wieder Recht!
Friedland, der Agent der Rüstungsindustrie.
pscht, sonst schlägt die Linkspolizei wieder zu.
ach nee, bei dada ist es ja kunst
Genau, meisterfalk, die Rüstungsindustrie!
Rüstige Rentner rüsten sich zum letzten Kampf:
Ihre Rollatoren
rollen vor den Toren;
wir - zu spät geboren -
schlackern mit den Ohren...
"Rüstige Rentner rüsten sich zum letzten Kampf"
Na wartet.
Junge Spunde machen die Runde
im fremden Blog
scherzen und blödeln
mit anderen Dödeln
im Narrenrock
(Produktionszeit: 30 sek.)
"du sprichst vom "Oma-Typ", als gäbe es den. Ich denke jedoch, dass der "Oma-Typ" eine Erfindung von Frauen im Oma-Alter ist, um sich selber jugendlich davon abzugrenzen."
Natürlich gibt es diesen Oma-Typ. Das wird jetzt Rabulistik, von mir aus auch im Futur 2. ich werde nie rabulistisch gewesen sein können.
is doch wahr. ..tztt
Lieber ein Narrenrock als gar keine Reizwäsche.
Da ich ebenfalls ein Freund der Minutenlyrik bin, werde ich bald mal einige schmale Stücke (nicht hier) zum Besten geben. Ich bitte jetzt schon um rege Beteiligung im Kommentarbereich...
Wenn ich da bin, komme ich hin.
Hallo oranier,
schöner Text!
Und interessantes Thema, der Markt der Beziehungen. Moderner Sklavenhandel? Nur, dass die Sklaven sich selbst verhökern, ihre eigenen Sklavenhalter sind?
"Freundeskreis" ist fast so schlimm wie "Kulturkreis".
Muss man mitmachen? Wie sehr muss man? Eine Freundin ("alleinstehend", um nicht "Single" zu schreiben) lud neulich zu ihrem 50. Geburtstag ein und schrieb so oder so ähnlich: "Ich such mir einen Archäologen. Der mag mich mit jedem Jahr mehr." Ich wünsche dir, dass du so ein Archäologe wirst. Man sollte vielleicht wieder zum guten alten Verkuppeln übergehen... ;)
Wir machen uns selbst zu Waren, ein gigantischer Markt, mit Nutzwert, Mehrwert, Gebrauchswert - und Wegwerfwert. Wer hat am meisten "zu bieten"?
Die Augen der anderen, deren Blick, kann man nicht ändern. Nur den eigenen. Schönheit sehen. Liebe finden. Und - verschwenden!
Herzlich
klara
ps www.youtube.com/watch?v=x-p_AsaNLnI
"und streiten uns um Eimerchen und Schüppchen, statt um philosophische Lebensfragen" was ja vielleicht am ende, im unendlichen sandkasten, aufs selbe hinauskäme...
Nun, klara,
wenn man das so weiterspinnen möchte, fällt einem vielleicht noch das Eimerchen ein, aus dem uns dereinst an der Schwelle zum unendlichen Sandkasten das Schüppchen Erde auf die Holzkiste prasselt.
Hallo liebe klara,
danke fürs Kompliment!
""Freundeskreis" ist fast so schlimm wie "Kulturkreis"" - habe ein Faible für Leute, die ein Faible für solche Feinheiten haben. Du bist in meinen Commumity-Freundeskreis aufgenommen.
Dachte zuerst, du wollest den Freundeskreis der Minutenlyriker stören. Aber dein Text, zumal der letzte Absatz, ist ja auch Lyrik.
Biermann kann ich nicht leiden, der ist ja genauso selbstverliebt wie ich.
Liebe Grüße
oranier
Ich kann Biermann auch nicht leiden, aber er hat schon schöne Lieder. "Der preußische Ikarus"
www.youtube.com/watch?v=lFoXuxdSGJQ
Da denke ich dran, wenn ich drübergeh.
Ja, ich weiß, Magda. Das sehe ich auch so, und ohne Neid: Er kann etwas besser, was ich auch kann und tue, mehr getan habe damals, und auch nicht schlecht: Gitarrespielen und Singen. Revolutionäre Lieder mit Verve, Liebeslieder mit Sentiment. Zum Vergnügen vieler und zur Befriedigung meines narzisstischen Ego, das war gemeint.
Die beiden youtube-clips: sind die denn nicht von dem Kölner Konzert, nachdem und dessentwegen er ausgebürgert wurde?
Haben wir doch mit Bewunderung und Freude am Fernseher verfolgt, und die Ausbürgerung sorgte für heftige Kontroversen in meinem Politikseminar und meinem Studentenverband über die DDR.
Lieber Oranier,
was du als Vermarktung betrachtest, als unbedingtes Streben nach Gewinn, sehe ich als Mangel an Selbst-Bewusstsein [wer bin ich? was will ich?].
Wer sich jünger macht, als er ist, der ist mit sich selbst nicht zufrieden; genau wie die Personen, die sich in ihren Jugendjahren älter machten, um reifer zu erscheinen. (Vielleicht sind es sogar die selben?)
Wenn man sich also in diesen Anzeigen schöner oder jünger macht, dann wünscht man sich vielleicht hauptsächlich jemanden, der dieses Selbstbewusstseinsdefizit ausgleicht, dem eigenen Leben einen Sinn gibt. Meinem Empfinden nach ist dies sogar relativ oft in allen möglichen Beziehungen zu beobachten, ob nun durch Anzeigen zustande gekommen oder nicht; die Menschen haben sich selbst nicht gefunden [wieder verloren] und anstatt bei [resp. nach] sich selbst auf die Suche zu gehen, wollen sie vielmehr, dass der andere diesen Part übernimmt.
Wer jedoch denkt, dass immer das, was man selbst nicht ist, schöner oder begehrenswerter ist als man selbst, wird natürlich, um dennoch [auch für sich selbst] attraktiv zu erscheinen, dieses Gegenteil möglichst lautstark propagieren, sonst sieht er seine eigenen Erfolgschancen, dem eigenen Glück näher zu kommen, beträchtlich geschmählert.
Dabei ist wirklich schön doch nur der, der etwas mit seinem Leben anzufangen weiß, denn er strahlt genau dieses Wissen auch aus. Da ist das Alter oftmals ziemlich unwichtig. Wer das verstanden hat, und auch, dass eine Beziehung nur dann gut funktioniert, wenn man etwas ganz Eigenes mitteilen kann und etwas anderes, ebenso Individuelles zurück bekommt, der wird sein Alter nicht beschönigen, und auch nicht blinden Auges nach etwas suchen, was er nie erhalten wird, sondern offenen Auges finden.
Aber wie viel einfacher ist es doch, die Augen vor den eigenen Problemen zu verschließen, sich selbst etwas vorzumachen, selbst, wenn die Umgebung bloß den Kopf schüttelt. Denn sobald man sich selbst eingesteht, dass man selbst vielleicht auch einen nicht zu geringen Anteil am Verlauf seines Lebens trägt, müsste man auch selbst etwas ändern. Die Erkenntnis schmerzt und ist anstrengend umzusetzen. Da bleibt man doch viel lieber beim verschönerten Selbst, mit der blauäugigen Hoffnung, dass irgendwer anders die eigenen Probleme richten kann...
Liebe Grüße,
Cassandra
Lieber Oranier
Die Annahme, dass sich die Menschen in den Liebesanbahnungsforen kollektiv belügen, liegt natürlich nahe.
Kaum jemand wirbt mit seinen „defizitären Eigenschaften“, ergo ist das hier alles unwahr. Und schließlich kann es ja auch überhaupt nicht sein, dass all die Menschen, die noch keinen abbekommen haben jung, schlank und glücklich sind.
Aber was weiß man eigentlich?
Warum gebe ich mir denn beim Ausfüllen der Suchmaske so viel Mühe, wenn ich eh davon ausgehe, dass hier niemand die Wahrheit sagt?
Weil ich dann für fünf Minuten die Einsamkeit vergesse?
Alles nur Opium für’s Volk? Aber jeder kennt sie doch, die glücklichen Töpfe, die ihren Deckel über’s Internet gefunden haben. Wenn man nun mit kollektiver Selbsttäuschung sein Leben aufwerten kann (ohne anderen zu schaden), was spricht dagegen?
Ich frage mich allerdings tatsächlich, ob ich durch meine Präsenz an der virtuellen Singlebörse (bin gar kein Single, habe zwei Kinder) nicht eine gewisse moralische Verantwortung übernehme.
Seit ich meinem Profil arglos etwas mehr Mühe habe angedeihen lassen, bekomme ich täglich 5 bis 10 Zuschriften. Die Aufgabe alle Interessenten fair zu überprüfen und zu bewerten, setzt mich so unter Stress, dass sich sogar mein längst vergessen geglaubter Bandscheibenvorfall wieder bemerkbar macht. Zugegeben ist aber die Faszination enorm, sich einzuloggen, in der Hoffnung, ER könne vielleicht mal wieder in sein Account geschaut haben...
Ich bin jetzt dazu übergegangen, nach einem flüchtigen Klick auf das Profilfoto des Schreibers zu entscheiden, ob ich die Nachricht überhaupt lesen werde oder nicht.
Auf diese Weise verschaffe ich mir einerseits ein wenig Luft. Andererseits muss ich mich nun aber mit dem mehr oder weniger latenten schlechten Gewissen herumschlagen, dass mir sagt:
„Sei nicht so oberflächlich. Der Mensch ist keine Ware. Du bist verantwortlich für das was Du Dir vertraut gemacht hast.“
Habe ich das? Ja, das habe ich wohl. Denn ich habe ja im Profil von mir erzählt. Habe mir Mühe gegeben, das ein oder andere kleine Geständnis eingeflochten, ein schönes Foto ausgesucht, Gesprächsbereitschaft signalisiert...
Und jetzt?
Wenn ich in Hannover auf eine Fisch-sucht-Fahrrad-Party gehen würde (beim bloßen Gedanken daran bekomme ich Herzjagen), und ein „junger“ Mann spräche mich freundlich an, dann dürfte ich mich doch auch nicht einfach umdrehen und ihn stehen lassen? Oder?
Tausche schlechtes Gewissen gegen Bandscheibenvorfall. Antworte artig.
Es hat aber auch alles sein Gutes. Beim ausfüllen der für die Kontaktanbahnung wesentlichen 25 Fragen ist mir aufgefallen, dass ich auf die Frage „was bedeuten Dir Deine Eltern?“ nicht antworten möchte. Nie. Da bin ich auf eine ungesicherte Baustelle gestoßen.
Zum schmunzeln fand ich auch was:
Frage: „Was ist Dir peinlich?“
Antwort: „Hier bei FS24 zu sein.“
Grüße vom Brot