Zu Jakob Augstein, Die Zukunft der Zeitung, Fortsetzung meines Blogs

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Ihre Freitag-Redaktion


Sehr geehrter JA,

Danke für die freundliche Antwort im ersten Teil meines Blogs!

Zunächst habe ich diese so verstanden, wie so manche andere unqualifizierte Antwort dort auch: als Anwendung der mehr oder weniger infamen Methode, die Kritik an einem Text, statt sie auf ihre sachliche Berechtigung hin zu überprüfen, zur Kritik an dem Kritiker umzukehren. Als würden irgendwelche nachgewiesenen Fehler des Kritikers auch nur das Geringste am kritisierten Text verbessern!

Sehr erheiternd, wie das da allenthalben praktiziert wird. In extremen Fällen, ich will nicht den Namen Magda nennen, amüsiere ich mich besonders über den erregten Vortrag und denke: "Was macht es dem Mond, wenn ihn ein Hund anbellt?"

In Ihrem Fall war das aber wohl ein Missverständnis. Als professioneller Redakteur haben Sie ja wohl gelernt, produktiv mit Kritik umzugehen. Das erhellt auch aus dem von merdeister eingestellten Zitat:

"Wenn man hier etwas umstellt, da eine besonders krasse Formulierung ändert, oder einen Gedanken, eine Metapher, in die der Autor sich verliebt hat, die aber außer ihm niemand versteht, einfach streicht - dann würde so mancher Text davon sehr profitieren".

Die Verbesserungsmöglichkeiten ließen sich, wie Sie mir zustimmen werden, noch um etliche Aspekte ergänzen, von denen ich ja auch in meiner Textkritik einige exemplifiziert habe. Wir sind uns also vollkommen einig in Folgendem:

"Es gibt eigentlich niemanden, dem es nicht bekommt, redigiert zu werden. Niemanden"

(wenn ich einmal an dieser Stelle übergehe, dass ich z.B. hier statt "Es gibt eigentlich niemanden ... " "Es gibt eigentlich niemandes Texte" redigieren würde).

Ich teile sogar ganz allgemein Ihre Auffassung "Nur Blogger werden nicht redigiert. Manchmal ist es schade um die Texte."

Das hatte aber, ich muss gestehen, in mir den Verdacht genährt, Sie könnten, entgegen allen Gepflogenheiten in Internetforen, die Unverschämtheit besitzen, von sich aus Eingriffe in Texte vornehmen zu wollen, die ausgerechnet von Amateuren geschrieben und im Blog veröffentlicht wurden, damit ihr grundgesetzlich garantiertes Recht wahrnehmend, ihre "Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten" (Art. 5 (1) GG), ein Grundrecht, das bis vor kurzem in praxi nur Leuten mit ökonomisch und beruflich herausgehobener Sonderstellung wie Ihnen vorbehalten war.

Diese Verfassungswirklichkeit kollidierte dabei allerdings unzweifelhaft mit dem obersten Verfassungsgrundsatz, dem der Gleichheit aller Bürger, und man kann von daher den Demokratisierungeffekt gar nicht hoch genug veranschlagen, den ein allgemein zugängliches, nicht kommerzielles, also nicht durch Kapitalinteressen gesteuertes und eingeschränktes Internet bewirkt hat, indem es dem prinzipiellen Recht auf Äußerung und zumal Verbreitung der Meinung eines jeden Einzelnen auch de facto Geltung verschafft hat.

Vollkommen beruhigt hat mich dann aber doch folgender Kommentar von Ihnen:




"Es handelt sich bei den beiden Blogs um Transkripte meines mündlichen Vortrags. Sie sind für die Schriftform nicht noch mal extra bearbeitet worden. Ich bin Ihrer Meinung: Abdrucken würde ich den Text in dieser Fassung nicht".


Einmal abgesehen davon, dass ich mir das so nicht hätte vorstellen können: statt eines Herrn Augstein, der von einem Redemanuskript abliest, ein frei vortragender Augstein und eine schriftsprachlich versierte Sekretärin, die sich nicht sträubt, so etwas in der uns servierten Form vom Diktiergerät abzutippen:

Abgesehen davon also lässt sich das ja wohl nur so verstehen:

1. Es besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen Texten, die für den Druck bestimmt sind und solchen, die man im Blog veröffentlichen kann.

2. Ich als der Herausgeber des Freitag und der Verantwortliche des Freitag-Blogs nehme für mich in Anspruch, einen Text, wie immer er zustande gekommen ist, unredigiert im Blog zu veröffentlichen, ohne Absätze, ohne Punkt und Komma - oder doch mit Punkten und Kommas an der falschen Stelle - mit zahlreichen sprachlichen Unstimmigkeiten und Ungenauigkeiten, die bei einem Drucktext mit großer Sicherheit unter das Verdikt redaktionsbedürftig fallen würden.

3. Die Mühe, die sich ein Mitblogger gemacht hat, um kleinschrittig auf die entsprechenden Mängel hinzuweisen, verwende ich nicht etwa dazu, den Text im Blog nachträglich entsprechend zu redigieren, wenigstens da, wo die Kritik evident einleuchtet, wenn ich sie schon nicht ganz nachvollziehen kann oder teile, sondern ich beharre theoretisch auf dem fundamentalen Unterschied zwischen Druck- und Blogtext und praktisch darauf, einen ausgesprochen Mängel-behafteten Text unverbessert im Blog zu belassen.

Fazit: "Quod licet Jovi, non licet bovi" (Was dem Jupiter erlaubt ist, ist noch lange nicht jedem Ochsen erlaubt) - das wird man Augstein ja wohl schwerlich als Haltung unterstellen wollen. Ergo: Im Blog werden nicht nur seine, sondern zumal die Texte von einfachen Bloggern so belassen, wie sie sie geschrieben haben, mit allen sprachlichen und gedanklichen Stärken und Schwächen, die sie genauso aufweisen wie die Texte von Profis.

Dies als Klärung durch Augstein, oder vielleicht sogar als Umdenken bei ihm, herbeigeführt zu haben, das hat ja doch allein die Mühe gelohnt, mein Blog zu erstellen, von dem ausgesprochenen Spaßfaktor in der anschließenden Diskussion ganz zu schweigen.

Das findet jedenfalls mit fröhlichen Silvestergrüßen an alle der
oranier

P.S. Bei dem vorliegenden Blog handelt es sich um den nächtens in die Tüte geschriebenen Text eines einfachen Blogger-Amateurs. Abdrucken würde ich den Text in dieser Fassung nicht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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