''Du bist ein Zombie.''

Zombie-culture Einige Betrachtungen zum modernen Mythos der Zombie-Apokalypse

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Vorab eine Warnung: Vegetarier und diverse zartbesaitete Gemütergemüse (zB Mimosen) sollten diesen Text vielleicht lieber nicht lesen.

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''How do we know they're coming?''
-- ''They're coming...''

Ich gestehe: der Film ''World War Z'' hat mich beeindruckt, verwirrt, zum Nachdenken gebracht und das Ganze auch noch in 3D...so inspirierend hinterließ mich zuletzt vielleicht nur der Film ''Melancholia'' von Lars von Trier. Jedem neugierigen Leser sei hier zudem das geniale gleichnamige Buch von Max Brooks empfohlen, auf welchem der Film basiert.

Zunächst aber, bevor es erklecklich theoretisch wird, und 80% der Leser sich wieder langweilen, inspirierte mich das anhaltende Nachdenken über die Zombies und ihre virale Vitalität in der neuesten Gegenwart zu einem kleinen Experiment. Einigen wenigen meiner Leser, die mir privat bekannt sind, wird es jetzt wie Schuppen von den Augen fallen, anderen nicht, da sie dies Blog gar nicht kennen und daher zumindest diesbezueglich die Zombies bleiben muessen, als die ich sie heute in einer SMS bezeichnete/beschimpfte. Aber wovon redet der Mann überhaupt eigentlich?

Nun, ich kam auf folgende Idee: ich schicke stichprobenartig 15 meiner Freunde, Bekannten, (davon 2 Verwandte) und einigen Meldefröschen um exakt 12h (per Massen-SMS-Versand, die Uhrzeit tut gar nichts zur Sache) folgende SMS ohne Smiley jedweder Art:

''Du bist ein Zombie.''

Die Auswahl war sehr willkürlich. Natürlich konnte ich dafür nur Freunde, Bekannte, etc. wählen, die nichts von meiner derzeitigen Beschäftigung mit dem Zombie-Phänomen wissen, sonst hätte ich ja nur connaisseurhafte Smilies geerntet. Zudem mussten die Empfängerpersonen psychisch belastbar sein (zu welchem Kriterium in meinem Telephonadressbuch passende Personen zu finden sich alles andere als einfach gestaltet), um nicht irgendwelchen traumatischen Störungen zu erliegen. Von mir für sehr sensibel befundene Personen habe ich also ausgeklammert (was jetzt nicht heißt, dass ich die schließlichen Empfänger dieser SMS für unsensibel halte). Personen, die zum Lachen in den Keller gehen, wollte ich ebenfalls nicht mit einer solchen SMS aufstören und erschrecken in ebendiesem ihren dunklen Keller.

Als die Sammel-SMS (ich habe noch nie zuvor eine verschickt!) rausging, war auf dem Sendedisplay eine fünfzehnköpfige Kette von schematischen grauen Köpfen zu sehen, wobei sich wiederum nach jeder versandten SMS ein weiterer dieser grauen Köpfe in einen schwarzen verwandelte, bis am Ende alle 15 Köpfe schwarz waren. Das hatte auch was Zombiehaftes...

Mir ging es bei diesem kleinen Experiment darum, was andere eventuell mit einem Zombie verbinden, was das für sie impliziert, vielleicht Dummheit, vielleicht ahnen sie (vor allem die Meldefrösche) eine Schimpftirade meinerseits, vielleicht mutmaßen sie, dass ich völlig out of the blue um 12h an einem wundervoll strahlenden Julitag nichts Besseres vorhaben mag, als ihnen in einem Akt absurder Verzweiflung existentielle Leblosigkeit vorwerfen zu müssen, um ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen, etc...jedenfalls: bis jetzt haben 9 Personen auf diese absurde SMS geantwortet, hier die einzelnen Originalantworten ungekürzt/unverlängert (weitere werden in Re-Edits, sollten sie erfolgen, nachträglich hier 'eingepflegt') und in Original-Orthographie und -zeichensetzung:

1) Hä?

2) Ok

3) Warum?

(Anmerkung meinerseits: interessante Antwort! Der Absender von Antwort 3) lässt sein mögliches Zombietum als durchaus verhandelbare zutreffende Option im Raum stehen, wenn man ihm nur ordentlich begründet, warum man ihn jetzt ausgerechnet fuer einen Zombie hält)

4) :)) Wer bist du? Hab deine Nummer gar nicht gespeichert, aber egal. Lol

(Anmerkung meinerseits: dieser Kumpel hat meine ''neue'' Handynummer schon mindestens dreimal per SMS bekommen, aber lassen wir das! Das angestrengt überbetonte Lachen zeugt eher von tiefer Angst/Verstörung des Empfängers und ok, vielleicht hätte ich diesem die SMS doch nicht schicken sollen.)

5) Und du bist wieder einmal...

6) Ja, woher weißt du das?

(Anmerkung meinerseits: definitiv die beste Antwort und ich musste auch markant lachen. Nur hier habe ich erfahren, dass die betroffene Person sich grad auf der Arbeit quälte und noch vor kurzer Zeit exakt das gedacht hatte: ''Ich komme mir hier heute vor wie ein Zombie.'' Garantiert nicht, denn ein Zombie denkt nicht soweit mit.

7) Ahja

8) Obwohl du soviel Zeit hast bist du ein dumm.

(Anmerkung meinerseits: ja, fragen Sie mich jetzt nichts. Ich weiß, was Sie denken, lieber Leser: 'Hat die SMS in Antwort 8) eventuell tatsächlich einen Zombie erreicht?')

9) Wer es sagt ist selber.

10) Deine Mudder

(Anmerkung meinerseits: deine auch, lieber R.!)

Ich frage mich selbst, wie mich das angehen würde, eine solche SMS zu erhalten: ''Du bist ein Zombie.'' Kommt wahrscheinlich sehr stark auf den Absender an, ob und wie er einem bekannt ist. Ist aber vielleicht bei weitem nicht so traumatisch wie wenn einer schriebe: ''Du bist Deutschland.'' Wer will schon mit einer Zombie-Kanzlerin oder einem Zombie-Bundesinnen(hohl)minister verglichen werden? Aber darüber wollte ich mich erst im nächsten Blogeintrag aufregen und damit zurück zum modernen Zombie.

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Interessanterweise kommt ''World War Z'' ganz ohne ''guts and gore'' aus, es erfolgen keine blutrünstigen Splatter-Szenen, bei denen Zombies nach Menschenfleisch jagen zum Zwecke des Nahrungserwerbs. Hier ist es wie mit den liederlichen Hunden, die zwar nicht geradewegs nur spielen wollen, sondern anscheinend auch beißen. Die Opfer allerdings werden nicht verspeist. Schlichtweg geht es einzig und allein, dies vielleicht die etwas hanebüchene Prämisse des Film-Scriptes, den Zombies darum, die gesunden Lebenden wie tollwütige Tiere in einer Art rasender Wut zu beißen und...anzustecken. Sie zu Zombies zu machen, völlig ohne Ambition allerdings. Die Wut ist da, der Virus ist da...jetzt nur noch einen normalen Menschen beißen und fertig ist ein neuer Zombie. Der Film verrät viel über eine neu aufkeimende Urangst des hygiene-totalitären Menschen der digitalen Moderne: die Ansteckungsgefahr und die virulente Angst vor einer apokalyptischen Pandemie zugleich! Die Paranoia der Pandemie: nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Snowden-Enthüllungen liest sich dies wie ein verschlüsselter Kommentar zu den Ab- und Beweggründen des Denkens der Geheimdienste; ihre Urangst vor dem potentiellen Vorhandensein massentauglicher böser (staatfeindlicher) Ideen in der Gesellschaft.

Nun kann man eine solche Ansteckung ja von vornherein als ''viral'' ansehen, wie es auch Ideen oder Meme im Internet sein koennen. So zeichnet sich hier auch eine neue Projektionsfläche für die Interpretation ab, dass die modernen Zombies das tumbe Wesen der Massendynamik und Schwarm''intelligenz'' abbilden und darstellen (das im Film übrigens durch eindrucksvolle Massenchoreographie eine der wohl monumentalsten Komparsenaufstellungen der Filmgeschichte hervorgehoben wird).

Die Angst vor der ''Zombie Apokalypse'' spiegelt sich also nicht nur in solch sinister motivierten Dossiers der der US-Gesundheitsbehörde unterstellten ''Centers for Disease Control and Prevention'':

http://blogs.cdc.gov/publichealthmatters/2011/05/preparedness-101-zombie-apocalypse/

...sondern auch generell in einer Grundangst des Menschen in Zeiten explodierender Bevölkerungszahlen und aufscheinender Nahrungsmittelknappheit: die Angst des Menschen vor seiner eigenen Rolle als Spitzenprädator. Homo homini Zombie, sozusagen und in Abwandlung des Hobbes'schen Diktums. Eine überspitzte Gedankenführung in Ansehung des Unansehnlichen, das Rühren an das Tabu in der Dystopie: was, wenn der Mensch das Undenkbare vollzöge und seinen Mitmenschen in wer weiß wie ferner oder naher Zukunft als Grundnahrungsmittel in schlechten Zeiten begriffe? Die wahre Urbüchse der Pandora, von der man nur hofft, dass sie elementar fest versiegelt ist...

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Die Verkörperung des Zombies stellt im modernen Arbeitsleben der überarbeitete Mensch dar, die unterbezahlte, Überstunden schiebende, nie regenerierende und komplett bis zur Idiotie entkräftete ''Arbeitskraft'', der Mensch als ''human ressource''...kein Wunder, dass in zahllosen Zombie-Filmen die wandelnden Untoten in den shopping malls zuschlagen: eine Metapher, die man nicht näher erklären muss.

Der erste Film, der explizit das Phänomen ''Zombie'' behandelt, ist sicher Victor Halperins ''White Zombie'' von 1932. Hier sind die Untoten noch die verlässlichen Reste menschlichen Fleisches, das als wandelnder Kadaver dem Grab entstiegen ist.
Bereits 1927 aber finden wir im unvergleichlichen Film ''Metropolis'' von F.W. Murnau die Choreographie eines tumben Gleichschrittes von Massen in Gestalt ausgezehrter Arbeiter einherschreitender, wie leblos wirkender Menschen, nur implizit: Zombies!) beim Schichtwechsel...in folgendem Link von Minute 3.47 bis ca. Minute 4.47 eindrücklich dargestellt:

http://www.youtube.com/watch?v=j92E9J8uafc

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Der Zombie als Horde dumpfer Körper, die keinen Geist mehr bergen...ein Schelm, wer da an den dank der Maschinen und ihrer smart technologies hirnbefreiten Menschen einer vielleicht auch nicht allzu fernen Zeit mehr denken will. Immer schon hat der Zombie-Mythos mit der Angst des (noch normalen) Menschen vor der Tumbheit und idiotischen Indifferenz seines Mitmenschen gespielt. Die Dummen, das sind die anderen...und huete dich vor ihren bösartigen ansteckenden Bissen...Dummheit tut nicht nur weh, sie steckt auf Dauer auch an. ''Schwarmintelligenz'' kann daher auch schnell so aussehen, wie hier von 1.32 bis 1.40min anzuschauen:

http://www.youtube.com/watch?v=4EC7P5WdUko

Der hässliche Zombie stellt das Gegenbild zum gen- und befähigungsoptimierten Menschen dar, er ist das schäbige antagonistische Prinzip zum ''human enhancement'', der Zombie als Perversion jeder perfektionierten Menschlichkeit schon in der Form seines Phänotyps. Der Abgesang auf alles, was den Menschen und seine Errungenschaften und Ziele ausmacht. Er ist die Regression des Menschenbildes in einem Rückschritt noch hinter die blutige Tierwelt, eine Bestie, dümmer noch als jedes kognitive Raubtier, auf stumpfeste Reize ausgerichtet, eine Ausgeburt an Bewusstseinslosigkeit und Apathie. Er ist der Endzeitmensch nach der Apokalypse (denn wo die Toten wandeln, da kann die Apokalypse nicht weit sein nach der reinen Lehre jeder Eschatologie), der rein fleischliche Rest eines einstigen Geisteswesens, das untote und leblose Kadaver-Relikt des Menschen, Fleisch ohne Beseelung.

Der moderne Zombie-Mythos erzählt eine negative Heilsgeschichte...hier ist es mit dem Menschen so weit gekommen, dass die wenigen verbliebenen gesunden ''normalen'' Menschen am Ende Krieg gegen die tumben Mitmenschen führen müssen, Krieg gegen das eigene karnivor-kannibalistische dumme Fleisch. Der Holocaust (hier im Ritual der Verbrennung menschlichen Fleisches) gegen die Stumpfheit der eigenen im Zombie versammelten predatorischen Urinstinkte, der Holocaust auch gegen die eigene Körperlichkeit, gegen die Perversion des stumpfsinnigen Stimulus unbeseelter und hinfälliger Körperhüllen. Der Wiedergewinnung der zivilisatorischen Fähigkeiten und der Geistesbefähigung des Menschen geht der Kampf gegen sein eigenes organisches (Kadaver-)Prinzip und seinen tumben Stupor voran: kill all the Zombies and try hard not to become one for yourself in the first place! Von allen Seiten droht Ansteckung...es herrscht existentieller Hygiene-Alarm. Der Mensch im Kampf gegen seinen siechen Schatten...und die tödliche Stumpfheit desselben.

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Vielleicht ist es die Angst vor dem Absturz des ''human enhancement''-Projektes...die Angst vor dem Menschen als reine seelenlose Reproduktionsressource seiner selbst, die ihn in vielleicht auch nicht mehr allzu weiter Zukunft in einen leblosen Organlieferanten und Klon zu verwandeln droht. Um mit den Worten Jonathan Meeses zu sprechen, die er dem zur Reizbarkeit bereiten Publikum seiner Performance ''Generaltanz den Erzschiller'' in Mannheim entgegenrief: ''Ihr seid doch nur Formfleisch-Menschenklone.'' Zombies eben.

Vielleicht auch ist es eine viel tiefere Urangst des Menschen, die sich in modernen Mythen verdichtet, die in die dunkle Zukunft einer unterbewussten archaischen Angst herabreichen und am Tabu kratzen...die Angst des Menschen vor der katastrophalen Überbevölkerung seines Lebensraumes durch die eigene Art, durch seine eigene ''conditio in carne'', dem sich immer expansiver raumgreifenden menschlichen Fleisch, das zu seiner Mehrung selbiges benötigt.

Klar dürfte sein, dass sich im modernen Zombie-Mythos eine Paranoia manifestiert, die die Überwältigung durch das leblose Grauen im mutierten Mitmenschen spiegelt. Allerdunkelste Ahnungen, von denen das Zeitalter vielleicht selbst noch nicht fassbar machen kann, was sie bereits aufscheinen lassen, ein gewaltiges mythisches Mem, dass auf ferne Entwicklungen vorausweisen koennte, die genauer zu benennen wir uns noch gar nicht trauen dürfen...

Die wahre Urbüchse der Pandora, von der man nur hofft, dass sie elementar fest versiegelt ist...

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Paul Duroy

Der Weg in die neu aufgeklaerte und entspannte Gesellschaft ist moeglich und noetig

Paul Duroy

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