Wir sind alle Fetischisten

Russland Die altmodische Art und Weise ein Land einfach zu besetzen hat ausgedient. Der Westen macht vor wie es richtig geht. Dabei zeigt sich, dass wir alle ein Problem haben

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Krim ist besetzt, der Westen ist sprachlos. Kümmerliche Sanktionen und inhaltsleere Reden sind die einzigen Mittel, die dem Westen noch bleiben. Militärisch ist hier nichts zu machen. Die Fassungslosigkeit bleibt und Putin kann sich wieder einmal in seinem Land als starker Mann präsentieren. Erst die olympischen Spiele und jetzt die perfekte Annektierung der Krim. Putins olympische Spiele haben sich zu Putins Spiele degradiert. Er spielt mit dem Westen, mit seiner militärischen Macht. Der West scheint ihm bedingungslos ausgeliefert. Zu viel hängen Energieversorgung und Wirtschaft mit drin. Doch das täuscht. Denn der Westen spielt schon längst mit Putin.
Das Muskelspielchen des kleinen Mannes namens Putin ist lediglich ein Relikt aus einer vergangen Zeit. Freilich gibt es immer mal wieder einige Despoten oder auch gerne mal demokratische Länder auf der Welt, die meinen, militärisch irgendwo einwandern zu müssen. Aber der wahre Krieg findet auf einer anderen Ebene statt. Denn auch wenn der Westen hier machtlos erscheint, hat er heute ganz andere Mittel ein Land einzunehmen. Menschen für das Vaterland zu mobilisieren, ist spätestens seit dem Vietnamkrieg kaum noch machbar. Wenn, dann in deutlich reduzierter Zahl und bitte ohne größere Kämpfe. Der Irakkrieg hat gezeigt, dass der Westen seine militärische Präsenz nur noch zur Show stellen sollte, wenn überhaupt. Aber aus rein internen und machtpolitischen Verhältnissen hat das Kriegsspielchen heute keine hohe Gewichtung mehr innerhalb eines Landes.Dann doch die Waffen für den Frieden exportieren.
Die Landesgröße ist aber somit kaum noch wichtig. Das neue Wort, mit dem sich die Massen verzaubern lassen, heißt Wachstum. Es ist der neue Fetisch, dem wir alle erlegen sind. Wirtschaftswachstum ist heute, wie immer in der Geschichte des Kapitalismus, mit dem Erschließen neuer Märkte möglich. Aktuell marschiert der Westen in die Ukraine ein. Zwar nicht mit Panzern und Helmträgern, aber vielmehr mit dem IWF an seiner Speerspitze. Der Ukraine bleibt nichts anderes übrig, als sich für links oder rechts zu entscheiden. Osten oder Westen. Das Land wird zur Marionette eines Systemaufpralls oder anders ausgedrückt - zum Spielball der Fetischisten. Es ist eine "win-win Situation" für den Westen. Denn Russland ist wirtschaftlich aktuell nicht stark genug, um dem Westen paroli. Es löst seine fehlende wirtschaftliche Stärke durch die militärische ein. Und somit kann unter der Flagge der Freiheit ein Land regelrecht annektiert werden und Putin hat das kleinere Stück vom Kuchen bekommen. Somit gibt es zwei Verlierer – Russland und die Ukraine. Denn unter der Flagge des Westens wird hier der Ukraine eine marktkonforme Demokratie aufgezogen. Und Russland? Hat ein Stück Land für sich gewonnen – mehr aber auch nicht. Der Westen kann weiter wachsen und die Menschen konsumieren – bis zum bitteren Ende. Denn hat uns der Fetisch der Landesgröße im 20. Jahrhundert beinahe alle Vernichtet, so hat auch der Fetisch des Wachstums die Möglichkeit, uns alle in den Abgrund zu reißen. Und dann gibt es nur noch Verlierer in diesem System.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Jelinek

Europäer 🇪🇺 & Anhänger der Menschlichkeit. @Peter_Jelinek

Peter Jelinek

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden