Als in Argentinien die Menschen die Herrschaft satt hatten

Alle müssen gehen So lautete in den Jahren 2001 - 2003 die Parole einer starken außerparlamentarischen Bewegung in Argentinien. Und warum siegt dann in dem Land 2023 ein Rechspopulist?

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Als Anarchokapitalist inszeniert sich der neue argentinische Präsident Milei. Doch in Wirklichkeit will er vor allem den Sozialstaat zurückbauen. Leute wie er hassen am Staat alles, was die Profitinteressen des Kapitals schmälern könnte. Dass sind Umweltbestimmungen genauso wie Sozialprogramme oder Maßnahmen gegen Rassismus und Patriarchat. Daher hatte Milei auch die Unterstützung eines großen Teils der argentinischen Rechten und relevanter Kapitalfraktionen. Sie mussten vor über 20 Jahre tatsächlich um ihre Macht zittern und so ist die Wahl Milieis auch eine Revanche.

Denn die Rechten erinnern sich besser, als viele Linke. Die haben größtenteils vergessen, dass Argentinien für kurze Zeit auf der Agenda der außerparlamentarischen LInken auftauchte. Es war ab 2001 die Zeit, als in Argentinien das Finanzsystem zusammengebrochen war. Damals entfachten in Argentinien Massendemonstrationen, Versammlungen, Blockaden von Erwerbslosengruppen – und auchFabrikbesetzungen Hoffnungen auf grundlegende Veränderungen . Über die besetzte Kachelfabrik Zanon drehten Susanne Dzeik udn Kirsten Wagenschein den Film "Mate, Ton und Produktion - Zanon eine Fabrik unter Arbeiterkontrolle", der auch zeigte, wie im Rahmen dieser Bessetzungen die Solidarität zwischen Arbeiter*innen und Bewohner*innen ärmerer Stadtteile gewachsen ist. Daniel Kulla sprach in einem Buch über besetzte Fabriken in Argentinien sogar vom"argentinischen Modell".

Damals lautete die Parole vieler argentinischer Demonstrant*innen"Alle sollen gehen"; und tatsächlich stürzten damals Präsidenten innerhalb weniger Wochen. Manche flohen gleich ins Ausland, meist in die USA Damals hofften viele Linke in Argentinien und darüber hinaujs auf eine Rätegesellschaft ohne Staat.

20 Jahre später siegt mit Javier Milei ein Mann, der den Staatsapparat massiv verkleinern will, um dem Kapitalismus umso mehr freien Lauf zu lassen. Denn die Wahl eines Rechtspopulisten ist auch eine Revanche der herrschende Klassen Argentiniens, die vor über 20 Jahren für einige Zeit um ihre Macht zittern mussten. So zeigt sich wieder ,dass die Rechte dann stark wird, wenn die gesellschaftliche LInke nicht in der Lage ist, eine grundlegende Revolution umzusetzen. Das ist auf jeden Fall ein Anlass für außerparlamentarische Linke, ihre Theorie und Praxis zu hinterfragen. Die Hoffnung, dass aus Versammlungen der Bevölkerung die grundlegende Revolution kommt, hat sich auch in Argentnien als falsch erwiesen. Es zeigte sich auch dort, dass eine Organisation gefehlt hat, die den revolutionären Bruch mit dem argentinischen Kapitalismus gezielt vorangtreiben konnte. Von den Enttäuschungen linker Aktivist*innen und großer Teile der Bevölkerung, die sich vor über 20 Jahren an den Assambleas beteiligt hatten, konnten auch in Argentnien die Rechten profitieren. Und mache Linke, die auch in Deutschand für eine kurze Zeit auf die Massenbewegung in Argentinen blickten, haben sie schon längt vergessen.

Peter Nowak

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Peter Nowak

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