Auf der Alabama-Route

Travis Wilkerson Der US-Regisseur sucht die Spur eines Verbrechens seines Uropas und landet in der Gegenwart

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Wer kennt noch William L. Moore, den Briefträger aus Baltimore, der sich von seinen Job freistellen ließ, um sich den Kampf gegen den Rassismus widmete. Er ging ganz allein durch die USA und führte Botschaften, Briefe und Schilder für die Gleichheit aller Menschen an die politisch Verantwortlichen mit sich. Am 23. April 1963 wurde er von Rassisten erschossen. Der linke US-Liedermacher Phil Ochs widmete dem Briefträger auf der Alabama-Route ebenso einen Epitaph wie ein Wolf Biermann, der damals bei aller berechtigten Kritik am Nominalsozialismus noch wusste, dass der Feind rechts steht. Die letzte Strophe seines Songs hat mich als Jugendlicher motiviert, mich mit gesellschaftlichen Fragen zu beschäftigten.

„Black and White united, united steht auf seinen Schild.

Und er ging ganz allein.

Und er starb ganz allen.

Und er bleibt nicht allein“

aus Ballade vom Briefträger William L. Moore

In den letzten Jahren hatte ich den Song und die Geschichte vergessen. Und dann sehe ich den Film „Did you Wonder Who Fired the Gun“ von Travis Wilkerson im Filmhaus Arsenal und werde wieder daran erinnert. Denn er erinnert an Willam Moore und bewegt sich mehr als 50 Jahre später wieder auf Alabama-Route, allerdings nicht zu Fuß sondern im Auto. Der Filmemacher will einen Mord aufklären, den sein Urgroßvater 1946 verübte. Mit vier Schüssen tötete er in einen Lebensmittelladen in Dothan den Schwarzen Bill Spann.

Sein Urenkel macht sich auf die Suche, nach dem er durch die Black Lives Matter-Bewegung sensibilisiert wurde. Er hörte dort junge Rapper_inen, die skandierten: Sage die Namen und sage sie laut. Dann wurden die schwarzen Opfer des Polizeirassismus benannt. Der Name Bill Spann war nicht gefallen. Aber Travis Wilkerson ließ die Geschichte nicht mehr los. Schließlich wurde auch sein Großvater für den Mord nie verurteilt. Er blieb ein unbescholtener Mann, den viele Fotos in mitten seiner Familie und von Freund_innen und mit den Sheriff zeigte. Sein Urenkel sucht den Tatort noch einmal auf, einen heute leerstehenden Laden, in dem, wie er erfuhr, noch zwei weitere Morde verübt wurden. Auch das Spital, in dem Bill Spann nach den Schüssen gestorben ist, wird gezeigt. Am Ende findet er auch die Steinplatte ohne Aufschrift, wo Bill Spann begraben liegt. Sei Mörder hat dagegen ein großes Grab mit Namen. So setzt sich noch im Tod die Klassenspaltung fort, die in den USA wie in allen kapitalistischen Staaten, in letzter Konsequenz (Althusser) auch für den Rassismus verantwortlich ist.

Es geht um eine Positionierung und nicht um die Ethnie oder Hauptfarbe

Wilkerson gelingt in seien Film eine Geschichte der Gegenkräfte, die sich diesen Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnissen entgegen stellten und zwar unabhängig von der Herkunft und Hautfarbe. Es ist eine Frage der Positionierung. Dass sei den Nationalist_innen und Ethnopluralist_innen aller Couleur entgegengehalten, die heute an der Frage der Hauptfarbe festmachen wollen, wer sich zu Rassismus äußern darf und wer nicht. Dabei macht Wilkoson klar, dass ein Riss durch die Gesellschaft geht. Es lebten zwei Familien in Alabama, eine war Schwarz, eine war Weiß, aus der einen kam der Mörder, aus der anderen der Ermordete, über den Mörder und seine Familie gibt es viele Bilder und Erinnerungen, die Spuren des Ermordeten und seiner Familie ist ausgelöscht. Diese Botschaft wurde im Film mehrmals wiederholt: Und eine Schwester des Filmemachers ist tief in die rassistisch-antisemitischen Politik der Südstaatennostalgiker_innen eingebunden und, beschwört den Überlebenskampf der Weißen Rasse. Nur ein Mailverkehr wurde auszugsweise verlesen. Zu einer direkten Konfrontation mit der Rassistin kommt es im Film nicht. Wie ein Kommentar dazu ist dort die Zeile eingeblendet: „Sage mir, auf welcher Seite Du stehst?“ Wilkerson macht ganz deutlich, wie er die Frage beantwortet. Er steht nicht auf Seiten derer, die Rasse, Blut und Nation beschwören. Er kämpft für die Gleichheit aller Menschen und sieht sich da in einer Linie mit Rosa Parks, William L. Moore und den Millionen Anderer. Es ist ein aufrüttelnder Film, der am 27.10. um 19 Uhr noch einmal im Rahmen des American Indepentent Filmfestivals im Filmhaus Arsenal in Berlin gezeigt wird .Unbedingt sehenswert, auch wer nicht so gut englisch spricht und vielleicht nicht alles versteht, wird von den Schnitt und der Machart des Film überwältigt sein.

Wann werden auch in Deutschland die Nachfahren die Morde ihrer Vorfahren aufarbeiten?

Es steht sich die Frage, wann werden denn auch hierzulande die Kinder und Enkel_innen, der Rassist_innen, die in Deutschland Flüchtlingsheime angegriffen und Menschen ermordet haben, in gleicher Weise wie Travis Wilkerson mit der Ideologie ihrer Vorfahren abrechnen und deutlich benennen, dass sie in einer Mörderfamilie hineingeboren wurden und mit der tödlichen Ideologie gebrochen haben.

Peter Nowak

LINK ZUM Amercian Independ FESTIVAL:

http://www.arsenal-berlin.de/kalender/filmreihe/calendar/2018/january/23/article/6998/3004.html

Link zum Film:

http://www.filmstarts.de/kritiken/257895.html

Er ist noch einmal am 27..1. um 19 Uhr im Kino Arsenal in Berlin zu sehen. .

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Geschrieben von

Peter Nowak

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