Ausflug in die Dystrophie

Derek Jarman Im Kulturort Silent Green kann man in der Ausstellung "The Garden. Kinematografien der Erde" einen seiner bekanntesten Film in ungewöhnlicher Form sehen.

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The Garden gehörte zu Derek Jarmans ungewöhnlichsten Filmen. Immer kommen Bezüge aus dem Neuen Testament vor. Besonders bemerkenswert ist die karge Landschaft, in der der Film spielt. Manchmal erinnert sie an Auszügen aus den Film Stalker von Andrei Tarkowski. Tatsächlich geht es auch in dem Film „The Garden“ um den Angriff auf Schwule und um Umweltverschmutzung. Er spielt in Dungenees, wo Jarman zuletzt gewohnt hat. Es ist eine Landschaft, in der abwrackte Schiffe zu sehen sind, ein AKW und eine Militärbasis liegen dicht nebeneinander. Ein besonders Erlebnis ist es, den Film in voller Länge in der großen Halle des Silent Green im Berliner Bezirk Wedding zu sehen. In dem ehemaligen Krematorium, das seit Jahren als Ort avantgardistischer Kunst bekannt ist, wird der Film auf 12 Leinwänden projiziert. Manchmal muss man durch den Saal laufen, weil das Bild nur auf einer Leinwand am Rande der Halle zu sehen ist. Manchmal kann man die Szenen auf der gesamten Fläche sehen. Im Anschluss läuft noch ein kurzer Film über Dungenees, der Lust auf eine Reise in diese karge Landschaft am britischen Ärmelkanal macht.

Man sollte auch die verschiedenen Filme und Kunstinstallationen beachten, die in den kleinen Räumen im Silent Green zu sehen sind. Bei dem Film und der Diaprojektion WE HAVE ALWAYS KNOWN THE WIND'S DIRECTION von Inas Halabi über radioaktive Abfälle im Westjordanland sieht man, dass da palästinensische Nichtregierungsorganisationen federführend beteiligt waren. Es wird nicht mit Anklagen gegen Israel gespart. Dabei soll aber das reale Problem, das hier angesprochen wird, nicht verneint werden. In einem Raum gleich am Eingang ist der 27minütiger Film Die Sonne liegt im Erdinneren von Mareike Bernien & Alex Gerbaulet über die Wismut und den Umgang mit dem radioaktiven Stoffen in der DDR zu sehen. Dabei kommen auch Umweltaktivist*innen zu Wort, die in den 1980er Jahren über die für die Menschen gefährlichen Stoffe forschten. Der Film endet mit der Hoffnung, dass es einen Sozialismus gäben möge, der die Realitäten anerkennt. Das bezog sich auf das Verschweigen und die Intransparenz der Behörden, bei allen, was die Wismut und die besonderen Beziehungen zur Sowjetunion betraf. Höchst interessant ist auch die Installation DNCB von Kerstin Schrödinger und Oliver Husain. Es handelt sich um die für Menschen gefährliche chemische Substanz, die in Foto- und Filmlabors eingesetzt wurde. In den späten 1988 experimentierten AIDS-Partient*innen trotz der Gefährlichkeit des Stoffes mit DNCB, weil es wohl positive Effekte auf das Immunsystem hatte. Es war ein Akt der Verzweiflung angesichts des damaligen Massensterbens an AIDS. Heute würde kritisiert werden, dass die Menschen nicht auf die Wissenschaft hören. So wird der Film auch Fragen über die Grenzen von Wissenschaft und Irrationalismus auf. Es ist eine Ausstellung, die Fragen auslöst.


Peter Nowak

Die Ausstellung ist noch bis 22. August im Silent Green zu sehen: Di- Fr.: 14 - 20 Uhr, Samstag und Sonntag 11- 20 Uhr

Imformationen zu den Besuchsbedingungen finden sich hier: https://www.silent-green.net

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Geschrieben von

Peter Nowak

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