Die falsche Freundin

Kino Was Bespitzelung und Überwachung mit Betroffenen machen kann, zeigt der neue Dokumentarfilm "Im Inneren Kreis" von Claudia Morar und Hannes Obens

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Die falsche Freundin

Foto: Im Inneren Kreis/Screenshot/Presse

„In einen Fall gab es eine Wohnraumüberwachung. Ich wurde abgehört, sogar im Schlaf“. Nein, hier ist nicht von der Stasi in der DDR die Rede. Die Frau, die hier über ihre Überwachung berichtet, stammt aus Hamburg und berichtet darüber in dem Film „Im Inneren Kreis“, von dem man ohne Übertreibung sagen kann, dass er Pioniercharakter hat. Die Regisseur_innen Claudia Morar und Hannes Obens haben einen Dokumentarfilm über zwei Überwachungsfälle gegen linke Zusammenhänge gemacht, die zumindest in einer kleinen linken und linksliberalen Öffentlichkeit seinerseits für Aufregung sorgten. Aber dann waren sie auch schnell wieder vergessen, bis zum neuen aufgedeckten Überwachungsfall. Einegrößere auch transnationale Öffentlichkeit fand der Fall des Spitzels Mark Kennedy alias, der die Protestbewegung in ganz Europa ausforschte. In dem Film „Im Inneren Kreis“ging esum die verdeckte Ermittlerin Iris P., die in linken Hamburger Zusammenhängen aktiv war und den Polizisten Simon B., der eine junge studentische Heidelberger Szene beobachten sollte.

Besonders in Hamburg hat gab es im letzen Jahrzehnt gleich mehrere solcher Fälle, wo sichlangjährige Genoss_innen als bezahlte VS-Mitarbeiter_innen herausstellten. Immer wieder wurde dann von den staatlichen Stellen zugegeben, dass da wohl nicht alles nach Recht und Gesetz vor sich gegangen ist. Aber die Konsequenz bestand nur darin, dass man versuchte, die Mitarbeiter_innen besser zu tarnen. Das können wir ja auch von ungesetzlichlichen Polizeirepression auf Demos. Wenn es hoch kommt, gibt es für die Kläger_innen ein kleines Schmerzensgeld und bei der nächsten Demo geht die Polizei wieder ähnlich vor und wieder werden Demonstrant_innen stundenlang eingekesselt.

Claudia Morar und Hannes Obens geht es in ihren Film und dieFrage, was macht es mit Genoss_innen, wenn sich die Freundin, mit der viele nicht nur gemeinsam Politik gemacht haben, als VS-Frau herausstellt.Der Film zeigt, wie diese Menschen, die zu Opfern gemacht werden, Probleme haben, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Werden sie nicht ein zweites Mal zu Opfern gemacht, wenn sie sich öffnen? Obens gelang es das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. In einer von ihnen gewählten Umgebung sprachen sie dann tatsächlich davon, was es bei ihnen auslöste, als sie erfuhren, dass F. noch tatsächlich eine Frau von der anderen Seite war. Dieser Fall ist noch deshalb besonders kompliziert, weil F. tatsächlich mal unter Spitzelverdacht stand und mit Fragen konfrontiert war. Doch sie verschwand dann nicht, sondern ging sicher in Absprache mit ihren Auftraggeber_innen in die Offensive und inszenierte sich als Opfer, die unbegründet unter Spitzelverdacht geraten ist. Damit erreichte sie ihr Ziel. An der Frage zertritt sich ein Teil der linken Gruppe, die mit F. Kontakt hatte. Die, sie vom Spitzelverdacht freisprachen, behandelten sie nun besonders zuvorkommend, weil sie ja schließlich unbegründet unter Verdacht geraten ist. Als sich der Verdacht aber bestätigte, waren auch die psychologischen Folgen besonders gravierend. Diejenigen, die F. verteidigten, machten sich nun Vorwürfe und diejenigen, die ihr nicht trauten, konnten sich bestätigt sehen.

Junge Linke aus Heidelberg

Es ist eine Stärke des Filmes, dass auch der Heidelberger Spitzelfall dort aufgegriffen wird. Denn während in Hamburg Linke von der Überwachung betroffen waren, die zumindest nicht verwundert waren, dass sie überwacht wurden, traf es in der Neckarstadtjunge Linke, die sich teilweise bei Hochschulprotesten politisiert hatten und teilweise im Umfeld der LINKEN und der ihnen nahestehenden Studierendenverbände aktiv waren. B. begleitete sie auch zu politischen Aktionen ins Ausland, beispielsweise zu einem antirassistischen Camp in Brüssel. Die Betroffenen erklären im Film, dass sie nicht verstehen könnten, warum sie überwacht wurden, wo sie doch immer eine offene Politik gemacht haben und anstrebten, dass ihre Kritik an den Zuständen in Hochschule und Gesellschaft bekannt wurde. Doch der Film macht auch deutlich, dass es falsch wäre, nun daraus zu schließen, dass Menschen, die sich selbst als Gegner_innen von Staat und Kapitalismus sehen, leichter damit umgehen können, wenn sich herausstellt, dass Genoss_innen, mit denen sie jahrelang zusammengearbeitet haben, sie ausspioniert haben. Einige der Betroffenen wollten gar nicht vor der Kamera reden. Eine Frau projektierte ihre Wut gegen die Überwachung sogar auf das Filmteam. Das ist ein Zeichen, welche Verletzungen die Überwachung durch Menschen, mit denen sie Freundschaft geschlossen hatten, ausgelöst hat. Es ist in den letzten Jahren viel über die Methoden der DDR-Stasi bekannt geworden, und es wurde als besonders verwerflich den DDR-Verantwortlichen angelastet, dass sie Freundschaften zu Überwachungszwecken nutzten. Der Film „Im Inneren Kreis“ macht deutlich, dass diese Methoden auch in der BRD angewandt wurden und werden.

Peter Nowak

Film und Podiumsdiskussion im FAU-Lokal in Berlin

Wann: 22.09.2017 19:30 – Wo: FAU Lokal, Grüntaler Straße 24, 13357 Berlin (S+U Gesundbrunnen | S Bornholmer Straße | U8 Pankstraße | M13 Grüntaler Str.)

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Geschrieben von

Peter Nowak

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