Offene Fragen

Strache-Video Die Frage nach den Urhebern des Coups sollte auch denen nicht egal sein, die sich über das Ende der rechten Koalition in Österreich freuen

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Heinz-Christian Strache und Sebastian Kurz
Heinz-Christian Strache und Sebastian Kurz

Foto: Joe Klamar/AFP/Getty Images

Das nichtrechte Lager war außer sich vor Freude, dass die ultrarechte österreichische Koalition so schnell gesprengt werden konnte. Das kann man gut verstehen. Die Rechten haben sich ihren Rauswurf redlich verdient. Schließlich sind sie genau so machohaft, machtgierig und demokratieverachtend aufgetreten, wie man es sich immer gedacht hat.

Doch, wenn dann häufig das Loblied auf den investigativen Journalismusgesungen wird, sollte dennoch daran erinnert werden, dass dort eine Inszenierungstattfand, die eigentlich nicht zum Kernbereich von Journalismus, auch nicht von investigativem Journalismus gehört. Da wurde passgenau den Rechtendas vorgespielt, was sie insgeheim immer erträumt haben – und sie haben angebissen. Doch wer waren die Auftraggeber dieser Insznierung, die sich in Größenordnungen abspielte, die es unwahrscheinlich machen, dass es eine Aktion vom Zentrum für Politische Schönheit oder Jan Böhmermann war? Es ist eher zu vermuten, dass diese nur informiert wurden, dass da bald eine Bombe platzen wird, so wie es Böhmermann ja auch erklärt hat. Es gibt nun viele Spekulationen über die Urheber – vor allem in rechten Kreisen. Hier soll keine weitere Spekulation hinzugesetzt werden. Doch es ist ein Plädoyer dafür, dass sich auch diejenigen, die sich berechtigt freuen, der FPÖ und vielleicht auch der Eurorechten insgesamt eins ausgewischt haben, einige Fragen stellen.

Zwischen der Aufnahme des Videos und der Bekanntmachung liegen zwei Jahre. Es wird häufig spekuliert, warum solange gewartet wurde. Dabei scheint doch der Zeitpunkt der Veröffentlichung kurz vor der Europawahl nicht unlogisch. Eine andere Frage wäre viel interessanter. Wenn die FPÖ-Politiker davon ausgingen, dass sie in Ibiza 2017 mit einer lettisch-russischen Oligarchin verhandelten, wie ging dann die Sache weiter? Wurden Vereinbarungen getroffen? Gab es weitere Treffen oder Kontakte? Wenn nicht, wieso wurde die Sache abgeblasen? Wurden die im Video angesprochenen Übernahmepläne einer Zeitung, die schon zu Haiders Zeiten der FPÖ nahestand, in irgendeiner Weise versucht, in die Praxis umzusetzen? Dass die Pläne nicht aufgegangen, die Kronenzeitung also nicht übernommen wurde, ist ja evident. Haben die beiden FPÖ-Politiker wirklich bis letzte Woche nicht gewußt, dass in Ibiza eine Inszenierung lief? Auch dann nicht, als mit dem Böhmermann-Andeutungen eigentlich bei ihnen hätten die Alarmglocken läuten müssen? Wenn ja, wie haben sie konkret reagiert? Dann wäre auch noch interessant, wer neben Böhmermann und Co. schon vor letzter Woche über das Video und die Inszenierung wußte? Vielleicht auch österreichische Politiker*innen?

Droht vielleicht sogar ein Remake der Barschel-Affäre, die ja nach zwei Jahren zur Barschel-Engholm-Affäre wurde. Zur Erinnerung: 1987 standen zunächst der konservative Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und sein fast filmreifes Ende in einer Genfer Badewanne im Fokus des Interesses. Barschels Partei, die CDU schien auf Jahre verbrannt. Zwei Jahre später kam heraus, dass sein politischer Kontrahent, der SPD-Kandidat Björn Engholm, länger von den Machenschaften Barschels gewußt hat, als er zunächst zugab. Auch seine politische Karriere war damit beendet. Wenn sich die erste Empörung im Skandal Wien-Ibiza gelegt hat, werden auch die Fragen „Wer, was, wann“ lauter werden. Es wäre daher sinnvoll sich mit solchen Fragen schon jetzt zu beschäftigen. Sonst könnten die Rechten aus der Ibiza-Affäre sogar gestärkt hervorgehen.

Peter Nowak

P.S.: Nachtrag zur Kolumne "Das europäische Detail" (http://www.taz.de/Strache-Affaere/!5594227/) von Silke Mertins in der Taz vom 23.Mai 2019:

Sie schrieb:

Diejenigen, die hinter jeder Brüsseler Gardine eine Verschwörung vermuten, schmieden selbst einen Komplott – ohne Not, einzig zum eigenen machtbesoffenen Vorteil.

Reingelegt von einer jungen Frau auf Stöckelschuhen, deren Zehnnägel nicht mal pedikürt waren. Es klingt wie das Drehbuch eines schlechten Agentenfilms, bei der es immerhin eine Reise zum Original­drehort zu gewinnen gibt.

-------------------------------------------------------------

Hallo Frau, Mertins, "reingelegt von einer jungen Frau auf Stöckelschuhen," sind Sie so naiv oder spielen Sie nur? Natürlich sollte möglichst schnell geklärt werden, wer hinter dem Coup stand. Wenn wir uns auch beide freuen, dass hier Rechte reingelegt werden, kann mit solchen Methoden morgen auch gegen linke Kräfte vorgegangen werden Was, wenn beispielsweise jemand gegenüber der linken Podemos-Partei aus Spanien als Vertreter*innen einer der venezolanischen Regierung nahestehenden Organisation auftritt und dann Videos über enge Kontakte zwischen beiden veröffentlich? Gerade, wenn man doch so wortgewaltig gegen Fake News auftritt, kann man nicht einfach so tun, als wäre die Inszenierung keine Fake News gewesen, nur weil es die Richtigen getroffen hat. Und, wenn Menschen, wie ich, die da Aufklärung fordern, selber in die Nähe von Verschwörungstheoretikeriker*innen geschoben werden, dann hört der Spass auf. So nicht, Silke Mertins.

Erst gestern schrieb ich am Schluss eines Artikels auf Telepolis (https://www.heise.de/tp/features/Gruene-im-Buendnis-mit-Macron-4430975.html):

"Wenn sich die erste Empörung im Skandal Wien-Ibiza verzogen hat, werden auch die Fragen lauter werden, die wissen wollen, wann wer etwas davon gewusst hat. Und dann wird es wieder Journalisten geben, die hinter solchen Fragen nur die Trolle aus Moskau vermuten. "

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden