Der kollektive Organisator

Hermann L. Gremliza Wenn man eine beliebige sich links nennende Zeitung aufschlägt, werden die Verdienste des verstorbenen Konkret-Herausgebers umso deutlicher

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Wahrscheinlich hätte Hermann L. Gremliza seine große Freude daran gehabt, die vielen Nachrufe nach seinem Tod mit seiner an Karl Kraus geschulten Sprachkritik zu sezieren. Da kam ja fast niemand daran vorbei, Gremliza als glänzenden Polemiker zu loben. Doch seine politische Haltung wurde eher nebenbei erwähnt. Da wurde ihm von Alexander Nabert in der Tazzugute gehalten, dass er sich für eine israelsolidarische Linke stark gemacht hat. Bemängelt hat er, dass die Zeitschrift unkritisch gegenüber Putin gewesen sei. Dabei hatte niemand in der Konkret je in Zweifel gezogen, dass Russland genauso wie Israel ein kapitalistischer Staat ist, mit allen Zumutungen, die dazu gehören. Doch Gremliza setzte das Diktum, dassdie Deutschen die letzten sein sollten, die Israel und Russland Ratschläge zu geben haben,zumindest in der Konkretdurch. Das war sein ganz persönlicher Beitrag, die einst sehr verbreitete Parole „Deutschland, halt’s Maul“ wenigstens ein kleines Stück umzusetzen. Zumindest die Nachkommen der Menschen, die von ganz gewöhnlichen Deutsche ermordet und gequält wurden, sollten verschont bleiben von den guten Ratschlägen der wiedergutgemachten Enkel und deren Kinder. Seine Solidarität mit Israel und seine Weigerung, in die Hetze gegen Russland einzustimmen, hatten den gleichen Grund: Er war ein Feind der deutschen Zustände. Darin blieb er Solitär und die Kritik, die selbst bei Menschen zu hören ist, für die die Konkret politisch zeitweise ein wichtiges Medium war, macht deutlich, wie minoritär einegrundsätzliche Kritik an den deutschen Verhältnissen heute ist.

Kollektiver Organisator

Wenn sich manche fragen, warum Gremliza nicht als freier Kolumnist reüssierte und mit der Konkret unbedingt ein eigenes Medien brauchte, dann kann man nur wiederholen, dass hier sein größter Verdienst lag. Die Konkret war nach 1989 mehr als eine Zeitschrift, sie prägte Diskussionen, bevor sich der neumodische Begriff Diskurs durchsetze. Sie organisierte in den 1990er Jahren mehrere größere Kongresse, in der sich die deutschlandkritische und israelsolidarische Linke bildete. Anfang der 1990er beteiligten sich an diesen Diskussionen Feministinnen wie Ingrid Strobl und auch Gefangene aus dem antiimperialistischen Umfeld wie der kürzlich verstorbene Ali Jansen.Denn die Konkret war, auch dafür sorgte Gremliza, nie ein antideutsches Linienblatt. Das zeigte sich auch an den Autor*innen der zahlreichen linken Publikationen, die sich in der 1990er Jahren insgeheim an der Konkret ein Beispiel genommen hatten, aber natürlich nie zugegeben hätten, dass sie dort gerne veröffentlicht hätten. Heute kennt vielleicht kaum noch jemand diese Publikationen, die sich„17 Grad Celsius“, „Die Beute“ oder „Spezial“ nannten. Nur die „Phase 2“ und die „Bahamas“ gibt es noch. Sie alle gehörten einmal zur israelsolidarischen Linken und die Konkret prägte ihre Debatten.

Gremliza verkaufte den Umbruch 1989 nicht als Sieg der Demokratie

Ein Großteil der deutschlandkritischen und israelsolidarischen Linken der 1990er hat sich bald in alle möglichen Sackgassen manövriert, die Gremliza nicht mitging. Es sei nur auf den langjährigen Redakteur und von manchen zeitweilig als Gremliza-Nachfolger gehandelten Jürgen Elsässer verwiesen, der zum Aufpeitscher auf Pegida-Aufmärschen mutierte. Elsässer, der sich noch in den späten 1990ern als der Antideutscheste der Antideutschen bezeichnen ließ, beginnt heute seine Reden mit der Floskel „Meine Zielgruppe ist das Volk“.Bei seinen neuen politischen Freund*innen könnte er auch Gremlizas Vorgänger als Konkret-Herausgeber treffen. Klaus Rainer Röhl ist schon in den 1980er Jahren den Weg nach rechts gegangen. Er wollte wohl nicht als Ex-Mann von Ulrike Meinhof in die Geschichte eingehen.Elsässer könnte bei seinen rechten Pirouetten auch manche seiner antideutschen Freunde aus den Bahamas wieder treffen, die heute auch schon gemeinsam mit der AfD demonstrieren, wenn die nur die Parteiwimpel zu Hause lässt. Es war Gremliza, der auch hier rechtzeitig die Reißleine zog. Von Elsässer trennte er sich 2002, einige Jahre später konnten dort auch die Chefideolog*innen der Bahamas nicht mehr schreiben. In der Konkret hatten diejenigen, die sich die Umbrüche nach 1989 als eine Chance für Freiheit und Demokratie schönlogen, ebenso wenig eine Chance, wie die Ex-Antideutschen, die spät doch über den Umweg der Verteidigung des Westens Deutschland lieben lernten.Man braucht heute nur eine sich irgendwie links nennende Publikation aufzuschlagen, um Gremlizas Leistung um so besser würdigen zu können. Da gibt es eine Zeitschrift maldekstra mit dem Untertitel„Globale Perspektiven von links“. Dort lesen wir in der aktuellen Ausgben viel über die Hoffnungen und Chancen der Umbrüche von 1989. Selbst der Totalitarismustheorie bedienen sich einige Autor*innen ganz selbstverständlich. Dann ist es auch nur konsequent, dass auch Materialien empfohlen wurden, die von der „Bundesstelle zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur“ gefördert wurden. Nur in Beiträgen aus Jemen und Südafrika in der maldekstra lässt sich erahnen, welche enormen gesellschaftlichen Rückschläge die Ereignisse von 1989 vor allem für die Menschen im globalen Süden bedeuteten. Es war Hermann L. Gremliza, der in seinen Kolumen darauf immer wieder hinwies. In der maldekstra wird mit keinem Wort erwähnt, dass der Herbst 1989 ein Sieg Deutschlands war und auch in Osteuropa die Kräfte wieder Oberwasser bekamen, die schon vor 1945 gemeinsam mit dem NS an einer Welt ohne Juden und Bolschewisten arbeiteten. Heute sind ihre Enkel in vielen dieser Länder an der Macht und bauen ihren Altvorderen aus der Waffen-SS Denkmäler. Es ist das bleibende Verdienst von Gremliza, denen, sie sich mit Floskeln und Phrasen die Ereignisse von 1989 schöngeredet haben, zumindest in der Konkret kein Forum geboten zu haben. Es bleib nur zu hoffen, dass sie nun auch ohne Gremliza auf diesem Kurs der Vernunft bleibt.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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