Deutsch-Finnische Partnerschaft

Bryggeri Helsinki Diese Kneipe in Prenzlauer Berg sorgte für historische Diskussionen im Stadtteil.

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Wann hört man schon mal was über die Kooperation zwischen den finnischen und deutschen Rechten in der NS-Zeit? Am vergangenen Freitag hatte man im Kiezlanden in der Dunckerstraße 14 dazu Gelegenheit. Mit Cordelia Heß, Professorin für nordische Geschichte an der Universität Greifswald und Dr. Jussi Nuorteva, Dozent und Direktor des finnischen Nationalarchivs waren zwei Wissenschaftler*innen eingeladen, die sich Faschismus und Antifaschismus in Finnland befassten. Der Grund dafür liegt nur wenige Straßenzüge weiter.Vor einigen Wochen war über einen Taz-Bericht bekannt geworden, dass der Geschäftsführer der Kneipe “Bryggeri Helsinki” auch Vorsitzender eines finnischen SS-Traditionsvereins ist. „Kein Bier von und mit Nazi-Fans“ lautete das Motto eines von Antifagruppen produzierten Plakats. Sie waren selber überrascht über die Medienresonanz, die diese Interention in deutschen und finnischen Medien ausgelöst hat Natürlich kamen sofort die üblichen Reaktionen.Der Besitzer ist in dem SS-Traditionsverband aus Verbundenheit mit seinen Vater, der in der sich freiwillig dazu gemeldet hat, auf Seiten des Nationalsozialismus zu kämpfen. Natürlich ist er kein Nazi sondern Mitglied einer konservativen Partei. Wer in einer Stadt aufgewachsen ist, in derein Alfred Dregger jahrelang Oberbürgermeister und danach direktgewählter Bundestagskandidat war, dürfte das bekannt vorkommen. Bis in die 1980er Jahre gab es die Traditionsverbände, die ihren Dienst inWehrmacht und SS glorifizierten. Nur ein kleiner Teil war in offenen Rechtsaußenparteien, die überwiegende Mehrheit aber in der Union. Auch sie wollten von den NS-Verbrechen nichts wissen und wollten natürlich keine Antisemit*innen sein. Das sagen auch diefinnischen Traditionsbewahrer*innen. Nuorteva und Heß haben fundiert diese Mythendekonstruiert. Auch die finnischen NS-SS beteiligte sich an den NS-Verbrechen und an der Shoah. Es gibt Fotos, die auch finnische SS-Verbände vor Leichenbergen zeigten.

Der Terror gegen Linke einte Mannerheim, Horty, Mussolini und Hitler

Doch leider ließ Nuorteva Unklarheiten zu, weil er betonte, dass es in Finnland spezielle Gründe gab, sich der Waffen-SS anzuschließen. Schließlich mussten sie ja das Land gegen die „totalitäre Sowjetunion“ verteidigen. Doch auch dieser Mythos hatte klarer dekonstruiert werden müssen. Dabei hätte man einfach in der Geschichte 100 Jahre zurück gehen müssen. Finnland verdankt seine Unabhängigkeit den Bolschewiki, die nach der Oktoberrevolution ihrem Programmpunkt der nationalen Selbstbestimmung gemäß, Finnland in die Unabhängigkeit entließen. Dass wurde übrigens heftig kritisiert von Rosa Luxemburg, die der Parole der nationalen Selbstbestimmung wenig abgewinnen konnte. Die finnische Bourgeoisie schlug als erste Maßnahme ihrer Souveränität die finnische Rätebewegung nieder.Es gibt einige wenige Filme, die diesen Regierungsterror der finnischen Bourgeoisie zum Thema hat. Der finnische Noske hieß Carl Mannerheim. Er ist dafür verantwortlich, das über 70.000 bolschewistische Sympathisant*innen, darunter auch Kinder, in Konzentrationslager verbracht wurden. 12.000 starben in den folgenden sechs Monaten. 3000 „Rote“ wurden erschossen, erhängt oder erschlagen. Zu der Zeit erhielt Mannerheim den Spitznamen „der blutige Baron“. Er war überzeugt davon, dass es genügt, die „roten Führer“ zu erschießen und die Arbeiter sofort wieder in die Fabriken zum Arbeiten zu bringen.Der Terror gegen Linke wurde zu dieser Zeit auch in Ungarn in Horthy und bald darauf in Italien von Mussolini verübt. Auch die Nazis übten schon 1919 in den Freikorps den Terror gegen Linke. Es ist also kein Zufall, dass Mannerheim, Horthy und viele andere, die mit Terror gegen die Revolution vorgingen, mit den Nazis an der Macht paktierten.Nicht der Schutz gegen die Sowjetunion sondern diese gemeinsame Ideologie verband die Kumpane. Der Antisemitismus war in all diesen Regimen von Anfang an vorhanden. Nur steigerte er sich nicht überall zu der mörderischen Vernichtung wie in Deutschland.

Finnisch-sowjetischer Winterkrieg hatte militärische Notwendigkeit

Auch dersowjetische Winterkrieg, den die Rote Armee gegen Finnland 1940 führte, wurdevon Nuortevaals als Begründung angeführt, warum sich viele Finnen freiwillig zur SS gemeldet haben. Doch dieser Winterkrieg war eben kein Verbrechen der „totalitären Sowjetunion“, sondern eine militärische Notwendigkeit. Nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion wäre eine finnische Grenze in unmittelbare Nähe zu Leningrad eine große Gefahr für die Stadt und ein Trumpf in der Hand seiner Feinde gewesen. Deswegen haben auch erklärteGegner*innen Stalins, darunter Trotzki, diesen Winterkrieg verteidigt. Es ist bedauerlich, dass auf einer antifaschistischen Veranstaltung diese historischen Fakten nicht herausgearbeitet wurden.

Deutsche unter sich

Ein Teil des Publikums interessierte die Geschichte sowie nur am Rande. Sie betonten alle, dass sie natürlich gegen Rechte sind, aber beschwerten sich, dass der Wirt von Bryggeri Helsinki zu hart kritisiert, gar in die Nähe der Nazis gerückt worden sei, ja sogar mit einen Boykott sein gedroht worden. „Gerade wir als Deutsche…“ mit dieser Wendung hatten gleich vier Redner*innen ihre Einlassungen begonnen, in denen sie erklärten, doch nicht zu hart mit dem Wirt umzugehen. Da war die Frau, die keine deutsche Staatsbürgerin war, schon den Raum verlassen. Sie hatte erklärt, dass sie für einige Zeit arbeitsbedingt in dem Stadtteil wohnte und wollte wissen, ob von einer Kneipe wie dem Bryggeri Helsinki und dem Publikum eine Gefahr für Menschen wie sie ausgehen könnte, die für die Rechten als Nicht-Deutsche erkennbar ist. Bevor die Frage beantwortet werden konnte, war die Frau gegangen, nach dem das dritte Mal jemand gesagt hatte, „wir als Deutsche sollten…“.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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